Vor einiger Zeit habe ich ja schon einmal von meiner Erfahrung mit den ersten Bänden der Bis(s)-Reihe berichtet. Seit dem habe ich etwa ein Buch weitergelesen, befinde mich also ungefähr in der Mitte des vierten und letzten Bandes und möchte gerne meine weiteren Gedanken mit euch teilen.
Nun, seit dem letzten Artikel hat sich meine Meinung nicht wesentlich verbessert, im Gegenteil, ich fühle mich eher noch bestärkt. Aber fangen wir am Anfang an.
Der Kuss
Ich hatte mich ja schon darüber ausgelassen, dass Stephenie Meyer eine gute Gelegenheit für ein Konfliktpotential ausgelassen hat, als sie den Kuss zwischen Jacob und Bella in Edwards Abwesenheit (Band 2) nicht zugelassen hat. Statt dessen hat sie zwei Küsse eingebaut, als Edward vor Ort war.
Der erste Kuss, der tatsächlich stattfindet, könnte dann fast als Vergewaltigung durchgehen, weil Jacob Bella küsst und sie so gar nicht will. Nun könnte man ja – wie Jacob sogar laut ausspricht – denken, dass Bella sich darüber Gedanken machen würde und wenn nur deshalb, weil es sie angeekelt oder erschreckt hat. Mal ehrlich, wer würde nicht darüber nachdenken? Aber nein, der Kuss wird danach – zumindest in Bellas Gedanken – nicht mehr erwähnt.
Was mich wieder zu der Frage führt, warum dieser – ziemlich blöde – erste Kuss überhaupt stattgefunden hat. Jacob ist doch normalerweise nicht der Typ, der Bella zu etwas zwingt, schon alleine deshalb nicht, weil durch die Tatsache, dass Edward ja da ist – zumindest in derselben Stadt – Bella ja überhaupt keinen Grund hat, sich auf den Kuss einzulassen.
Der zweite Kuss wiederum wird durch eine „Sonst-lass-ich-mich-umbringen„-Drohung erzwungen. Auch nicht gerade eine vielversprechende Ausgangssituation, umso überraschter war ich, dass es Bella trotzdem gefallen hat. Aber anstatt dahinter bloß das Aufwallen von ein paar jugendlichen Hormonen zu vermuten, entdeckt sie urplötzlich ihre große Liebe zu Jacob … [ohne Kommentar]
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen: Edward ist das egal! Es gibt keinen Streit, kaum Betroffenheit und am Ende ist alles völlig in Ordnung. Hallo? Sie hat gerade einen anderen Kerl geküsst, und es hat ihr auch noch gefallen?
Was mich schon wieder auf die Frage zurück bringt, was dieser Kuss schon wieder sollte, weil nie auch nur der winzigste Zweifel darüber besteht, dass sie Edward „mehr“ liebt.
Gemeinsame Nacht
In einer eiskalten Nacht bekommt Jacob dann „die Chance“ Bella zu wärmen, weil das das Einzige ist, was Edward ihr nicht geben kann – Wärme (hey, das wäre doch mal ein super Ansatz für eine Metapher gewesen, … dumm nur, dass das nicht ausgebaut wurde). Und ich hab schon gedacht uuhuuuu, jetzt bekommt er endlich mal eine echte Chance, eine Gelegenheit, um Bella zum Zweifeln zu bringen, eine Möglichkeit für richtige Spannung, …
Und was ist? Edward hockt die ganze Zeit daneben und Bella und Jacob pennen quasi sofort ein. Schon wieder eine geniale Gelegenheit für Konflikt, einfach so verpufft.
Die Liebe
Die Liebe zwischen Bella und Edward ist absolut unerschütterlich. Die einzigen Augenblicke, in denen Konflikte auftreten, sind diejenigen, in denen Bella versucht Edward davor zu beschützen verletzt zu sein oder zu werden, weil Bella selbst physisch oder psychisch verletzt wurde. Und das zählt definitiv nicht (die Namen von Bella und Edward können nach Belieben ausgetauscht werden).
Diese Endgültigkeit hat mir die Geschichte gründlich verdorben. Allerdings kann ich verstehen, dass so eine endlose Liebe etwas ist, was sich viele Menschen wünschen, also wahrscheinlich im selben Atemzug ein guter Grund dafür ist, dass es eben ein Bestseller wurde.
Herausforderungen und Kämpfe
In keinem der dreieinhalb Bände, die ich gelesen habe, wird jemand verletzt. Es gibt nur zwei Ausnahmen, an die ich mich spontan erinnere. Die eine Ausnahme ist Bella, allerdings wird sie nie in einem Kampf verletzt, sondern immer nur durch ihre Tollpatschigkeit (Ausnahmen sind Sex und Baby, dazu später mehr), schon alleine deshalb zählen diese Verletzungen nicht. Außerdem wird sie zum Ausgleich für ihre Tollpatschigkeit (fast) nicht verletzt, als sie mit einem Motorrad stürzt. Die zweite Ausnahme bildet Jacob, als er von einem neugeborenen Vampir fast zerquetscht wird, aber (Wunder über Wunder -_-;) die Verletzung ist auch nicht im aller mindesten besorgniserregend.
Dadurch, dass niemals jemand im Kampf verletzt wird, sind alle Auseinandersetzungen so vorhersehbar, wie eine Katze, die vom Schrank fällt: Sie landet immer auf den Füßen.
Diese Vorhersehbarkeit geht mir persönlich auf den Geist, dem schmachtenden Liebesromanleser (für den dieses Buch offensichtlich geschrieben ist 😉 ), mag sie aber gerade gefallen.
Sex
Eine Ausnahme der Tollpatschigkeit, bei der Bella trotzdem verletzt wird. Allerdings trägt sie nur ein paar blaue Flecken davon, das ist alles. Dagegen werden ein paar Kissen zerfleddert und sogar ein komplettes Bett zerlegt. Womit wir wieder bei Edwards Perfektion, in diesem Fall seiner grenzenloser Geduld und seiner absoluten Selbstkontrolle angekommen wären. Niemals auch nur der aller kleinste Ausrutscher, keine Spur von Gefahr, keine Spannung.
Das Baby
Als die Schwangerschaft zum ersten Mal offensichtlich wird, habe ich gedacht ich breche zusammen. Ich hätte alles im letzten Band erwartet, einen Kampf mit den Vultori, eine Schlacht um die Weltherrschaft, endlich mal eine Uneinigkeit innerhalb der Familie der Cullens, … aber eine Schwangerschaft? …
Dieses Baby ist die zweite Ausnahme zur „nur-Zufallsverletzungen-für-Bella„-Regel, aber auch keine ernstzunehmende. Es ist von Anfang an klar, dass Bella „überlebt„, dass das Baby überlebt und das am Ende alles gut wird, sonst hätte sie nicht diesen Traum gehabt, in dem sie ihr Kind gegen die „bösen“ Vampire beschützt.
Ich kann mir übrigens keinen Grund vorstellen, warum diese Schwangerschaft zum Bestseller beigetragen haben könnte. Wahrscheinlich hat sie das nicht. Sie kommt erst im letzten Band vor und ist meiner persönlichen Meinung nach so überflüssig wie Kühlschränke am Nordpol. Denn, wie in den beiden Rezensionen zur Genüge gezeigt, es gab ja Potential, es gab ja Möglichkeiten, es war alles da, wenn man es benutzt hätte. Wozu da jetzt plötzlich ein neuer Konflikt vom Himmel fallen musste, ist mir ehrlich schleierhaft.
„Vampire“
Und hier findet sich glaube ich die eigentliche Antwort auf die Frage: warum es ein Bestseller geworden ist und gleichzeitig auch der Grund, warum ich es nicht leiden kann.
Es sind die „Vampire„.
Es sind nämlich weichgespülte Vampire. Nicht weil sie Stereotyp sind oder schwach. Ganz im Gegenteil, weil sie absolut keine Schwächen haben. Sie sind stark, schnell, schön, steinreich und haben auch noch der „dunklen Seite“ abgeschworen, indem sie kein Menschenblut zu sich nehmen. Sie töten und verletzen niemanden und verteidigen die Menschen sogar. Kurzum, sie haben nichts mehr von dem Menschen schlachtenden Biest, das mit Angst vor Knoblauch, Licht und Holzpflöcken in Transsilvanien in seinem Sarg schläft. Sie sind so gut wie allmächtig und fehlerlos.
Das ist das Problem, der Grund, warum ich sie nicht leiden kann. Sie wirken auf mich so unglaubwürdig, wie ein George Bush der das Kyoto Protokoll unterzeichnet.
Aber ganz genau dieser Punkt ist es wahrscheinlich, der das Buch so massentauglich macht. Ein geiferndes Ekelpaket, das sich in eine Fledermaus verwandeln kann und Menschen abschlachtet um sie zu verspeisen, kann einfach kein Sympathieträger sein, auch dann nicht, wenn man ihn um seine Stärke und seine Unsterblichkeit beneidet. Aber wenn dieser jemand dann auch noch gut aussehend, reich und einer von den Guten ist, dann erwacht im Leser ein endloses Verlangen genau so zu sein, oder von so jemandem geliebt zu werden.
Warum das nicht funktioniert
Durch die Abwesenheit von jedweder Art von Schwäche gibt es leider überhaupt keine Herausforderungen, es gibt keine Krisen, keinen Konflikt, ja nicht einmal Verletzte, keine ernsthafte Gefahr. Aber genau das sind die Punkte, die eine spannende Geschichte ausmachen. Sicher, das ist eine Liebesgeschichte, von einem entsprechenden Publikum gelesen, mag das Genre der Grund sein, warum die Bücher trotzdem so gut ankommen, es wird gar keine echte Spannung erwartet.
Allerdings kann ich immer noch nicht verstehen, warum sogar die Abwesenheit der Spannung innerhalb der Beziehung zwischen Bella und Edward, einfach so hingenommen wird.
Aufgegeben
Ich habe übrigens etwa in der Mitte des letzten Bandes aufgehört die Geschichte zu lesen und so wie es im Augenblick aussieht, werde ich die Bis(s)-Reihe nicht zu Ende lesen. Es geht einfach nicht. Das ganze konfliktlose Gesäusel geht mir einfach viel zu sehr auf den Zeiger und das will was heißen. Vielleicht, ganz vielleicht, führe ich mir in ein, zwei Wochen nochmal das letzte Kapitel zu Gemüt. Einfach nur wegen der Genugtuung zu wissen, dass ich recht damit hatte, wie es ausgeht (schon seit dem ersten Band) und dass ich gut daran getan habe nicht weiterzulesen.
Erleichterung
Kurz nachdem ich aufgegeben hatte, hab ich den Fernseher eingeschaltet. Es lief ein übelst schlechter deutscher Streifen über Jugendliche, die gerade mit der Schule fertig werden. Es ging auch hier um Liebe und normalerweise hätte ich wohl einfach weggeschaltet oder ausgemacht. Aber ich war so unglaublich, bis in die letzte Faser meines Körpers erleichtert, dass es keine Schmachterei gab, keinen Blutdurst, keine Perfektion, keine unsterbliche Liebe. Einfach nur einen stinknormalen Jungen und ein stinknormales Mädchen, die sich wirklich sehr, sehr gern hatte und sich geküsst haben. Ich hätte niemals gedacht, dass das so befriedigend, so genug sein kann.
Diskussion
An dieser Stelle möchte ich noch einmal wiederholen, dass ich niemanden mit meinen Worten beleidigen wollte. Alles was ich in diesem Artikel geschrieben habe, ist einfach nur mein ganz persönlicher Eindruck, von dem ich nicht erwarte, dass ihn irgendjemand teilt.
Ganz im Gegenteil, ich bin fest davon überzeugt, dass sehr viele Menschen eine ganz andere Meinung haben. Gerade deshalb würde ich gerne wissen, was du denkst. Was hältst du von meinen Anmerkungen? Wie empfindest du die Handlung? Was denkst du über die Vampire? Warum ist die Geschichte ein Bestseller?
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