Heute eine kleine Rezension, um ein Buch zum Thema “Plotten und Schreiben” vorzustellen.
Fakten
Autor: James N. Frey
Titel: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt
Verlag: Emons
Kosten: 16,80 €
Seiten: 200
Bewertung: [?]
Erwartungen
Ich weiß gar nicht mehr so genau, was es gewesen ist, das ich erwartet habe, als ich dieses Buch zum ersten Mal las. Ich glaube es war eben ein Schreibratgeber, in dem die Geheimnisse eines Bestsellers gelüftet werden. Eigentlich hätte ich mir denken müssen, dass das utopische Erwartungen sind. Trotzdem war die Hoffnung da, und das ist auch der Grund, warum ich nach dem ersten Lesen sehr enttäuscht war.
Beim zweiten Lesen hatte ich dann so eine schlechte Erinnerung an das Buch, dass sämtliche Erwartungen übertroffen wurden und ich richtiggehend begeistert war 😀
Inhalt
Hier die Inhaltsangabe und ein paar kurze Erläuterungen von mir:
- Worauf alles ankommt, ist „wer“: abgerundete Figuren erschaffen, Charaktere agieren an ihrem Maximum, der „würde er wirklich“-Test.
- Die drei wichtigsten Regeln für eine spannende Geschichte: Konflikt! Konflikt! Konflikt! Ebenbürtige Gegner, Schmelztiegel erschaffen, innerer Konflikt, Konfliktentwicklung.
- Die Tyrannei der Prämisse oder: Eine Geschichte ohne eine Prämisse zu schreiben ist, als wollte man ein Boot ohne Riemen rudern Ausgangssituation, Konflikt und Lösung festlegen.
- Das ABC des Erzählens: Vor dem eigentlichen Anfang anfangen, Stufendiagramm (Plot) anlegen.
- Die Steigerung zum Höhepunkt oder: Die Prämisse wird einer Bewährungsprobe ausgesetzt Konflikte befriedigend auflösen, Überraschungen suchen, starke Gefühle ausnutzen, poetische Gerechtigkeit.
- Erzählperspektive, Rückblende und andere Raffinessen aus der Trickkiste des Romanautors: Mögliche Perspektiven erklärt, den richtigen Erzähler wählen, chronologisch bleiben, Vorausdeutung eines Konflikts, Lebenssymbole.
- Die hohe Kunst, gute Dialoge und sinnliche, dramatische Prosa zu schreiben: Jede Zeile sollte konfliktreich, gerne indirekt, so geistreich und farbig wie möglich sein.
- Überarbeiten und umschreiben: die letzten Qualen sei spezifisch, sprich alle Sinne an, sei ein Dichter, finde Probeleser, Autorengruppen und Selbstanalyse.
- Zen und die Kunst des Romanschreibens: Tu es nur, wenn dein Herzblut daran hängt, und bleib am Ball, lass dich nicht unterkriegen.
Wer eine Anleitung zu einem „tiefgründigen Roman“ oder zu „wahrer Literatur“ erwartet, wird enttäuscht werden. Hier geht es wirklich um das Schreiben eines „verdammt guten Romans“ im Sinne von „einem Roman, der sich gut verkaufen lässt„.
Der erste Teil über die Charaktere ist wirklich super. Er gibt interessante Anregungen und das Beispiel ist gut ausgearbeitet. Zwar handelt es sich um einen Detektiv, aber selbst wenn du nicht vor hast einen Krimi zu schreiben, ist es mehr als nützlich.
Figuren, die angesichts des Dilemmas, vor dem sie stehen, wie gelähmt sind, Waschlappen, die Konflikten aus dem Weg gehen, sich zurückziehen und leiden, ohne zu kämpfen, sind für Sie nicht brauchbar. Das sind statische Figuren, und die meisten von ihnen sollte ein früher Tod dahinraffen, bevor sie die Gelegenheit haben, auf den Seiten Ihres Romans aufzutauchen und alles zu verderben.
(Wie man einen verdammt guten Roman schreibt S. 22 von James N. Frey)
Auch das Kapitel über den Konflikt ist spannend und vor allem sehr erhellend.
Sie sollten immer auf der Suche nach Hindernissen für Ihre Figuren sein.
(Wie man einen verdammt guten Roman schreibt S. 30 von James N. Frey)
Aber dann kommt das Kapitel über die Prämisse und mit diesem Konzept hatte ich lange große Schwierigkeiten. Nicht zuletzt, weil die Beispiele teilweise völlig unpassend, manchmal sogar richtig verwirrend sind. Gerade wenn ich dachte, dass ich es jetzt endlich verstanden habe, kam wieder ein Beispiel oder auch ein „erklärender Satz“ und schon stand ich wieder am Anfang. Erst beim zweiten (oder dritten) sehr, sehr geduldigen Lesen und mit viel Mut zur eigenen Meinung, habe ich schließlich verstanden, dass die Prämisse eigentlich „nur“ das Niederschreiben vom Grundkonflikt und seiner Lösung ist.
Herr Frey hat das einmal so ausgedrückt:
Die Prämisse einer Geschichte ist einfach eine Feststellung dessen, was mit den Figuren als Ergebnis des zentralen Konflikts der Geschichte passiert.
(Wie man einen verdammt guten Roman schreibt von James N. Frey)
Den Gedanken musst du festhalten und darfst dich dann nicht mehr beirren lassen ^^ Ganz zufällig bin ich, kurz, nachdem ich es endlich selber kapiert habe, auch über diesen Blog gestolpert, wo das Thema noch einmal ausführlich (und ohne Zwang) beleuchtet wird.
Ob man nun vor dem Anfang anfangen muss (Kapitel 4) und ob es wirklich nur eine einzige Erzählperspektive gibt, die man benutzen sollte (Kapitel 6), sei jetzt mal dahingestellt und ist sicher diskussionswürdig. Aber Kapitel 5 (Lösung/Ende) und 7 (Dialoge) bergen wieder viele gute Tipps für den Alltag eines Schriftstellers.
Kapitel 8 (Korrektur) finde ich (wie in den meisten Schreibratgebern) ein wenig mau. Der Ratschlag „Such dir Probeleser“ (der den größten Teil des Kapitels ausmacht) ist zwar leicht gesagt und mit den vielen guten Schreibforen, die es mittlerweile online gibt sogar nur einen Mausklick entfernt. Aber für diejenigen unter uns, die den persönlichen Kontakt bevorzugen, bleibt das häufig eine unlösbare Aufgabe.
Super dagegen ist das Ende des Kapitels, wo in einer Liste die Dinge zusammengefasst sind, die du für den eigenen Text überprüfen solltest (z.B. „Haben Sie Ihre Figuren mit sich entwickelnden Konflikten konfrontiert?„). Diese Zusammenstellung finde ich sehr hilfreich, obwohl sie meiner Meinung nach gerne etwas ausführlicher und vor allem übersichtlicher hätte sein dürfen.
Vom letzten Kapitel hätte ich mir dann doch etwas mehr erwartet. „Zen und die Kunst des Romanschreibens“ klingt sehr vielversprechend. Im Endeffekt sagt er aber nur, dass du nur schreiben sollst, wenn es dir wirklich etwas bedeutet und dass du nicht aufgeben sollst, auch wenn es noch so hart ist. Sozusagen noch mal ein Motivationskick am Ende ^^
Leser-Eindruck
Es lässt sich relativ flüssig lesen, für meinen Geschmack fehlt aber ein bisschen Witz und ein wenig die Lockerheit, die englischen Ratgebern sonst gerne anhaftet. Wahrscheinlich ist es gerade das, was mir den Eindruck vermittelt, dass sich Herr Frey gelegentlich ein wenig zu wichtig nimmt (kann also durchaus einfach an mir liegen).
Außerdem sind einige der Beispiele sehr lang (manche habe ich deshalb einfach übersprungen) und manche verfehlen sogar ganz den Punkt (das mag allerdings auch an der Übersetzung liegen).
Aber alles in allem ist es gut gelungen und leicht verdaulich.
Bewertung
Ich hab mich für 3 Sterne entschieden, weil ich beim ersten Mal eben zu viel, beim zweiten Mal zu wenig erwartet habe. Herr Frey macht seine Sache wirklich gut, geht viel in die Tiefe und gibt jede Menge Beispiele. Abzug gibt es für den Fakt, dass er manche Stellen eben doch nur recht oberflächlich betrachtet und für die gelegentlich nicht sehr treffenden Beispiele.
Fazit
Das Buch ist eigentlich für jeden geeignet. Vom Schreibanfänger bis zum Schreibratgeber-Vielleser, findet hier jeder sicher noch etwas, das sich verwerten lässt. Wenn ich es aber jemandem empfehlen würde, dann nicht als allererste Schreiblektüre. Herr Frey hat ein großes Ego, in manchen Dingen sicher zu Recht. Deshalb sollte der Leser schon ein gewisses Selbstbewusstsein mitbringen, um eben nicht alle Ratschläge unreflektiert anzunehmen, sondern sich eine eigene Meinung zu bilden (was natürlich auch heißen kann, den Rat anzunehmen 😉 ).
Diskussion
Besitzt du das Buch? Hast du es schon gelesen? Wie hat es dir gefallen? Was fandest du gut/schlecht und warum? Würdest du es weiterempfehlen und wenn ja, wem? Würdest du es dir (wieder) kaufen?