Es gibt drei verschiedene Arten, mit denen du an eine Geschichte herangehen kannst. Einmal mit den 11 Ebenen – das sind unterschiedliche Sichtweisen, um die Idee zu betrachten und die dich durch Fragen an deine Geschichte heranführen, um aus deiner Idee “mehr” zu machen.
Als Zweites gibt es natürlich den Plot und die Planung deiner Geschichte. Das heißt, du betrachtest die Geschichte als großes Ganzes, einmal, bevor du anfängst, sie zu schreiben, und immer wieder zwischendurch, bzw. spätestens beim Selbstlektorat, um sicherzugehen, dass die Geschichte funktioniert.
Als dritte und letzte Herangehensweise gibt es noch die Charaktere, die dir helfen, deine Geschichte zu finden.
Aber welche Charaktertypen gibt es überhaupt und wie helfen sie dir dabei, deine Geschichte zu entdecken?
Klären wir dafür zuerst, welche Charakterarten es überhaupt gibt.
0. Der Sichtweisencharakter
Aus seiner Sicht wird die Geschichte erzählt.
Das heißt, er beschränkt, was wir sehen können, und deshalb weiß der Leser nur die Dinge, die auch der Sichtweisencharakter weiß. Das kann für Spannung sorgen, insbesondere dann, wenn wir auf der Suche nach einem Verbrecher sind (und der Sichtweisencharakter keine Ahnung hat, wer es ist 😉 ).
Der Sichtweisencharakter macht die Geschichte auch tief. Denn gewöhnlich kann der Leser in den Kopf dieses Charakters schauen und seine Gedanken lesen, mitfühlen und erleben, wie er sich durch die Geschichte verändert.
Es kann in einer Geschichte mehrere Sichtweisencharaktere geben. Allerdings ist es normalerweise so, dass es nur einen Sichtweisencharakter pro Szene gibt.
Wenn ich Geschichten schreibe, habe ich gewöhnlich 2 Sichtweisencharaktere, weil ich es liebe, in die Köpfe der beiden zu schauen und zu sehen, was sie voneinander halten. Aber jede Zahl zwischen 1 und 5 befindet sich im normalen Rahmen.
Allerdings ist “Sichtweisencharakter” strenggenommen keine eigene Charakterart (deshalb hat sie den Punkt “0” bekommen), sondern ist „nur“ eine Unterart der nächsten Gruppe …
1. Die Hauptcharaktere
Ohne die Hauptcharaktere würde die ganze Geschichte überhaupt nicht existieren. Denn die Hauptcharaktere erleben die Geschichte und beeinflussen die Handlung maßgeblich.
Sie sorgen für den Fortschritt in der Geschichte und wenn du einen Hauptcharakter entfernst oder grundlegend veränderst, veränderst du gleichzeitig auch die komplette Geschichte.
Hinweis: Oft ist (mindestens) einer der Hauptcharaktere auch Sichtweisencharakter.
Du erkennst Hauptcharaktere daran, dass du als Leser meistens (wenn auch nicht immer) den Vor- und Nachnamen erfährst.
Beispiele:
- Der Zauberer von Oz: Dorothy
- Pretty Woman: Vivian Ward und Edward Lewis
- Der Marsianer: Mark Watney
In meinen Geschichten gibt es gewöhnlich 4-5 Hauptcharaktere, das sind die beiden Sichtweisencharaktere und ihre besten Freunde bzw. Familienmitglieder, die in engem Kontakt mit ihnen stehen. Aber natürlich kann es auch mehr davon geben.
Ein ganz wichtiger Hinweis zur Menge von Hauptcharakteren:
Je mehr Hauptcharaktere du hast, desto länger wird deine Geschichte. Das gilt zwar generell für alle Charaktere, aber für die Hauptcharaktere im Besonderen. Denn gerade weil die Hauptcharaktere so wichtig sind, muss der Leser auch viel über sie erfahren.
Wenn du zwanzig Statisten in eine Szene einfügst, kann da stehen: „Die zwanzig Zuschauer klatschten“, und du bist fertig. Mit einem einzigen Nebensatz hast du zwanzig Leute abgefrühstückt. Fügst du dagegen nur zwei Hauptcharaktere hinzu, musst du für jeden davon Handlungen überlegen und Reaktionen einfügen, nicht nur sobald sie in der Szene auftauchen, sondern auch immer dann, wenn die anderen Hauptcharaktere Aktionen durchführen bzw. miteinander sprechen.
Alleine deshalb bist du mit dem Spruch „so viele wie nötig, aber so wenige wie möglich“ auch an dieser Stelle wieder gut beraten.
Als Drittes haben wir dann die …
2. Nebencharaktere
Hier gibt es starke Unterschiede in der Bedeutung, die sie für die Geschichte haben. Aber ihnen allen ist gemein, dass sie eine Funktion erfüllen, die wichtig für die Geschichte ist.
Dabei geht es bei den Nebencharakteren sogar in erster Linie um ihre Funktion und gar nicht so sehr darum, wer sie sind. Ob der Nebencharakter Mister Filch jetzt ein grantiger, alter Kerl ist, der alle Schüler foltern möchte, oder eine schräge, alte Dame mit Putzfimmel und einem magischen Staubtuch, die ihre Nase in alles hineinsteckt … Das macht zwar einen oberflächlichen Unterschied, verändert aber nicht die eigentliche Geschichte.
Außerdem haben diese Charaktere häufig nur einen Vor- oder einen Nachnamen. Du als Autor kennst zwar vielleicht beide, aber der Leser bekommt häufig nur einen davon zu Gesicht. Gelegentlich bekommen sie übrigens auch bloß Platzhalter-Namen, die gleichzeitig deutlich machen, wer sie sind bzw. welche Eigenschaften sie besitzen. Zum Beispiel “Miss Saubermann“ etc.
Beispiel:
- Der Zauberer von Oz: Die gute Hexe aus dem Norden
- Pretty Woman: Phil, der Anwalt, und die Modeladenbesitzerin
- Der Marsianer: Melissa Lewis und Rich Purnell
Wenn ich meine Nebencharaktere zähle, komme ich meistens auf eine Zahl zwischen 10 und 15.
Und damit sind wir auch schon bei den …
3. Statisten
Das sind komplett austauschbare Charaktere. Sie dienen hauptsächlich als Füllmaterial und sind in erster Linie für das Ambiente da. In den allermeisten Fällen haben sie weder einen Vor- noch einen Nachnamen, den der Leser kennenlernt.
Beispiel:
- Der Zauberer von Oz: die Affenarmee
- Pretty Woman: die Menschen auf dem Poloturnier
- Der Marsianer: die Menschen auf dem Times Square, die die Landung beobachten
Wie viele Statisten in meinen Geschichten vorkommen, ist sehr unterschiedlich. Zwischen „eine Hand voll“ und „ganze Menschenmengen“ ist alles vorhanden.
Statisten sind die einzigen Charaktere, mit denen du nicht unbedingt sparsam umgehen musst, weil die einzelnen in der Menge verschwinden. Das heißt, ob du jetzt einen Statisten hinzufügst, der den Kaffee bringt, oder 100.000, die das Stadion füllen, das ändert nicht viel an der Menge an Text, die du für sie verwenden musst.
Wenn wir uns die unterschiedlichen Charaktertypen anschauen, ist wichtig zu erwähnen, dass es immer ein Spektrum gibt. Was meine ich damit?
Bonus: Charakter-Spektrum
Das heißt, bei den Charakteren in einer Geschichte ist es manchmal gar nicht so leicht zu sagen, ob Emmi jetzt ein „wichtiger Nebencharakter“ ist oder ob sie schon als Hauptcharakter durchgeht, und ob der Nachbar, der immer Vampirspiele zockt, nun noch als Nebencharakter zählt oder eigentlich doch nur ein Statist ist.
Aber das ist auch unwichtig. Bei dieser Einteilung geht es nicht darum, “richtig” zu liegen, sondern es geht darum abzuschätzen, wie viel Arbeit du in den jeweiligen Charakter investieren solltest.
Bei einem Statisten kann es völlig reichen, wenn du weißt, wie er aussieht oder DASS er existiert. Aber spätestens über die Nebencharaktere solltest du dir ein bisschen mehr Gedanken machen.
Wie viel? Was musst du über sie wissen? Um das beantworten zu können, müssen wir uns erst darüber klar werden, wofür wir die Nebencharaktere und die Hauptcharaktere überhaupt brauchen. Darüber sprechen wir im nächsten Artikel.
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