In meinem letzten Artikel zum Thema „Antagonist“ habe ich mich damit auseinandergesetzt, was ein Antagonist eigentlich ist. Dieses mal möchte ich mich damit beschäftigen, wozu er benötigt wird und was einen „guten“ Antagonisten ausmacht.
Wozu brauche ich überhaupt einen Antagonisten?
Eine Geschichte ist immer nur so gut wie ihr(e) Antagonist(en). Denn er ist sozusagen die Antriebskraft für den Helden. Er will die Welt zerstören, den Protagonisten/dessen Familie töten oder legt dem Verlauf der Geschichte anderweitig Steine in den Weg.
Der Antagonist ist die Quelle für den der Geschichte zu Grunde liegenden Konflikt. Gäbe es den Antagonisten nicht, dann würde der Held in seinem stinknormalen Leben vor sich hin dümpeln und sich vielleicht nur darüber Gedanken machen, welche Sorte Kartoffelchips er als Nächstes probieren möchte.
Was wäre Harry Potter ohne Voldemort, Dudley, Snape und Draco? Ein ganz gewöhnlicher Zauberer, der bei seinen Eltern aufwächst und mit den anderen gewöhnlichen Zauberern zur Schule geht, ohne geärgert zu werden.
Was wäre Frodo ohne Sauron? Ein ganz gewöhnlicher Hobbit, der in seiner Haushöhle wohnt und am liebsten nicht weiter von seiner Wohnung weg geht, als unbedingt notwendig.
Was wäre Julia ohne die Montague-Familie (vorausgesetzt Romeo existiert ohne diese). Nur irgendein Mädchen, das sich in irgendeinen Jungen verliebt und ihn wahrscheinlich heiratet.
Das heißt, der Antagonist sorgt dafür, dass sich der Held am Maximum dessen bewegt, was er zu leisten fähig ist und immer wieder über sich hinaus wächst.
Ohne Antagonist kein Konflikt und ohne Konflikt keine Geschichte.
Manche Geschichten haben aber gar keinen Antagonisten
Manche Geschichten haben vielleicht keinen expliziten Bösewicht. Aber einen Feind oder einen Gegenspieler gibt es eigentlich immer. Wer eine gute Geschichte ohne alle drei Arten von Antagonisten kennt, möge sich bitte per Mail an mich wenden.
Außerdem muss der Antagonist nicht unbedingt eine eigenständige Person sein. Es kann sich dabei auch um eine „Kraft“ handeln, die dem Protagonisten im Weg steht. Er kann in manchen Fällen sogar ein Teil der Persönlichkeit des Protagonisten sein 8)
Gibt es ohne Antagonisten überhaupt einen Konflikt?
Wenn sich der Protagonist in einer Gesellschaft befindet, die ihn oder sein Verhalten als unnormal empfindet, dann erzeugt das einen Konflikt, ohne, dass es notwendiger Weise einen speziellen Antagonisten gibt. Allerdings sind in diesem Beispiel eigentlich alle Mitglieder dieser Gesellschaft Antagonisten.
Dann besteht noch die Möglichkeit, dass sich eine „Situation“ gegen den Protagonisten wendet. Also z.B. ein ausbrechender Vulkan oder eine großer-rollender-Stein-Falle in einem Tempel. Auch das erzeugt Konflikte und in einem Katastrophen-Film kann das genug Stoff sein, um die Geschichte am Laufen zu halten. Mir fällt aber spontan keine solche Geschichte ein, wo es nicht noch zusätzlich (mindestens) einen Antagonisten gegeben hätte, der die Sache interessant macht.
Ich würde vielleicht sogar so weit gehen und sagen, dass in diesem Fall diese „Urkraft“ der Antagonist ist. Ein äußerst dummer aber sehr mächtiger Antagonist (s.u.).
Was macht einen richtig „guten“ Antagonisten aus?
Nichts ist langweiliger, als ein Antagonist, den der Protagonist mit einem müden Gähnen besiegen/überwinden kann.
Drei Dinge, die helfen können, aus deinem „lahmen Antagonisten“ einen richtig guten Antagonisten zu machen.
1. Gerissenheit
Ein guter Antagonist ist immer mindestens genau so schlau wie der Protagonist. Denn je besser oder findiger der Antagonist ist, desto schwieriger wird es für den Protagonisten, ihn zu überwinden. Desto größer ist auch der Konflikt, in den der Protagonist gerät und desto größer auch die Spannung.
Je schlauer der Antagonist ist, desto einfacher ist es auch, Wendungen einzubauen wie etwa: „Protagonist überwindet Antagonist, aber der hat das vorausgesehen und es gibt gleich ein neues/größeres Hindernis“.
Ist der Antagonist nicht so schlau, wie der Protagonist, sollte er das auf irgendeine Weise kompensieren. Wie z.B. die nahende Flutwelle, die zwar weder Motivation noch Hirn hat, dafür aber unvorstellbare Zerstörungskraft.
2. Macht
Natürlich kann auch „der Penner um die Ecke“ einen Antagonisten darstellen. Unter Umständen sogar einen richtig „guten“, aber generell wird es spannender, je mächtiger der Antagonist ist. Dabei misst sich seine Macht aber nicht „am Weltgeschehen im Allgemeinen“, sondern an der „Macht“ des Protagonisten.
Ist dein Protagonist also eine Zwölfjährige, auf ihrem Weg zur Schule. Dann ist der „besoffene Penner um die Ecke“, der es auf ihre Unterwäsche abgesehen hat, in der Tat ein mächtiger Gegner. Ist dein Protagonist aber ein kampferprobter Ninjamönch mit der magischen Fähigkeit zur Teleportation, dann ist dieser „Penner“ im Vergleich ein absoluter Schwächling und eher kein guter Antagonist.
Achtung! Insbesondere wenn ein Antagonist sehr mächtig ist, solltest du ihn (wenn möglich und notwendig) nicht gerade „strunz dumm“ handeln lassen. Nichts ist für mich ätzender, als ein supermächtiger Antagonist, der am Ende doch noch verliert, weil er den Protagonisten zwar sofort mit einem Atemhauch töten könnte, ihn aber statt dessen über einem Lava-Abgrund baumeln lässt und sich dann verpieselt um … ja was genau hat er noch mal besseres zu tun, als den Protagonisten anzuhauchen/umzubringen?
3. Menschlichkeit
Ein wirklich guter Antagonist ist menschlich. Das heißt, er handelt nachvollziehbar und im besten Fall ist er sogar auf gewisser Ebene sympathisch. Natürlich nicht zu sympathisch. Aber:
Aus seiner Sicht ist der Bösewicht der Held seiner eigenen Geschichte.
Dass heißt: Mach den Bösewicht durch eine gute Eigenschaft, eine entsprechende Vergangenheit oder eine nachvollziehbare Motivation menschlich. Dann ist er plötzlich keine Fliege mehr, die der Held einfach an der Wand zerquetschen kann. Plötzlich ist auch der Antagonist ein Mensch mit einer kleinen Tochter, einer großen Liebe oder einer Erkältung.
Solche „Kleinigkeiten“ geben deinem Roman eine ganz neue Dimension, weil der Held auf diese Dinge in der einen oder anderen Weise reagieren muss – falls er überhaupt von ihnen weiß. Selbst wenn nicht, erzeugen sie im Leser einen Konflikt, der plötzlich für zwei Seiten Mitgefühl empfinden muss.
Fazit:
Um es in einem Satz zusammenzufassen:
Ein guter Antagonist ist deinem Protagonisten (mindestens) ebenbürtig in Geist, Macht und Menschlichkeit.
Und was er an einem zu wenig hat, sollte er mit einer der anderen drei Eigenschaften aufwiegen.
Diskussion
Wie machst du deinen Antagonist so „richtig gut“? Was macht einen „guten Antagonisten“ für dich aus? Gibt es einen Konflikt ganz ohne Antagonisten?