In dieser Serie „Charaktere erschaffen“ geht es um deine Charaktere und wie du sie entwickelst. Im ersten Teil fängst du ganz klein an, du kreierst die erste, grobe Skizze deines Charakters.
Dieser Kurs ist zum Mitmachen gedacht. Nimm dir für jeden Teil zwei bis drei Tage Zeit, so dass du, auch bei einem vollen Arbeitstag, genügend Zeit hast. Wenn du fleißig mitarbeitest, hast du am Ende dann einen atmenden Charakter.
Voraussetzung:
Die erste Grundidee für deine Geschichte sollte schon stehen. Ich meine damit wirklich nur eine ganz grobe Idee, so etwas wie „X verliebt sich in Y, aber er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und sie eine katholische Nonne„. Bevor du an dieser Stelle weiter machst und dir über die Botschaft, geschweige denn den Plot Gedanken machst, sind nämlich als Erstes die Charaktere dran.
Es ist wie auf einer Party: Du musst dein Gegenüber erst kennen lernen, bevor du dich richtig mit ihm unterhalten kannst.
Anmerkung
Ich habe versucht die Serie so aufzuteilen, dass die einzelnen Bereiche aufeinander aufbauen. Aber manchmal wirst du an irgendeiner Stelle stecken bleiben. Das ist ganz normal. Bei der Charaktererschaffung sind alle Bereiche so eng miteinander verflochten, dass du die Antwort auf das Eine nicht kennst, so lange du über das Andere nicht nachgedacht hast und umgekehrt.
An solchen Stellen kannst du eine willkürliche Entscheidung treffen, die du dir markierst um sie später zu überdenken. Wenn dir das nicht gefällt kannst du den Punkt auch zunächst offen lassen und an irgendeiner anderen Stelle weiter machen.
Wenn dir auch das nicht gefällt, dann ist die Schneeflocken-Methode vielleicht etwas für dich. Tu, was immer dir gerade mehr zusagt.
Diskussion: Ich bin für Fragen und Verbesserungsvorschläge immer offen. Unter jedem Beitrag gibt es einen Link zur entsprechenden Diskussion in der Schreibwerkstatt. Außerdem ist meine Mailbox jederzeit offen.
Tipp: Die Charakterentwicklung ist eine Gefühlssache, wenn dir gerade nichts mehr einfällt, dann benutze eine der Inspirationstechniken um auf neue Ideen zu kommen
Warum das alles?
Bevor es endlich los geht, noch eine kleine Erläuterung. Du kannst sie auch gerne überspringen, wenn du schon überzeugt bist, dass Charaktere die Essenz jeder Geschichte sind.
Eine Geschichte ist immer nur so glaubwürdig, wie die Charaktere die darin vorkommen. Wie soll der Leser wissen, was er von einer Figur erwarten, wenn du das nicht einmal selber weißt?
Ich spreche da (leider) aus Erfahrung: Wenn deine Charaktere nicht ausgereift sind, dann werden sie früher oder später einfach streiken. Mir ist das mehr als einmal passiert, die Figuren haben sich schlichtweg geweigert, das zu tun was vorgesehen war. Ganze einfach deshalb, weil es nicht zu ihnen passte. Bzw. war ich mir nicht sicher was sie jetzt tun sollten, weil ich sie nicht gut genug kannte.
Zur Vorbeugung mache ich deshalb immer eine gewissenhafte Charakterentwicklung. Das Tollste daran ist, es macht auch noch Spaß, und es sprießen dabei auch noch dutzende gute Ideen für den Plot. Aber der Worte sind genug gewechselt, jetzt lass uns endlich Taten sehen.
Und am Anfang war der Stereotyp
Fangen wir also mit einem Stereotyp an. Wir nehmen einfach meine simple Plotidee vom Anfang dieses Beitrags und wählen den männlichen Part als Protagonisten. Der Stereotyp für unser Beispiel ist also vom Modell: „Erfolgreicher Geschäftsmann„.
Natürlich kannst du auch ohne Stereotyp auskommen, aber stell dir Mal vor du wärst ein Bildhauer. Würdest du eher versuchen aus einem gigantischen, quadratischen Klotz eine Elfe zu meißeln? Oder würdest du doch lieber einen Stein verwenden, der schon eine ähnliche Form und Größe hat wie das angestrebte Ziel?
Genau so ist es auch bei der Charaktererschaffung. Es ist viel einfacher für dich mit etwas anzufangen, das schon eine gewisse Ähnlichkeit mit dem gewünschten Resultat aufweist. So brauchst du nur noch die fehlenden Details ausarbeiten.
Freundschaftsprobe
Die erste Grundidee muss nicht ganz so abgedroschen und leblos sein. Ich persönlich kann zwar am besten mit den völlig stereotypen, leeren Hüllen arbeiten, aber das muss dir ja nicht genau so gehen.
Selbstverständlich kannst du das Grundgerüst mit ein paar Einzelheiten erweitern. Eine Möglichkeit ist, dass du dir einen deiner Freunde, deinen Nachbarn oder dich selbst als „Ersatzteillager“ vorknöpfst. Nimm die Teile, die dir gefallen, und bau sie vorübergehend ein. Raus werfen, umbauen oder verfeinern kannst du sie später immer noch.
Nur musst du dir darüber im Klaren sein, dass derjenige den du „anzapfst“ es wahrscheinlich merken wird. Wenn deine Freundin für die hübsche, intelligente und mutige Hauptperson Modell steht, wird sie vielleicht noch geschmeichelt sein. Aber wenn dein Freund das Vorbild für den pickligen, nutzlosen, nervenkranken Spießgesellen gibt, wird er im besten Fall ziemlich eingeschnappt sein. Überlege dir also gut wen du als Vorbild nimmst, und wie nah du am Original bleibst.
Du kannst „deine Freunde einfach in den Mixer werfen„. Das heißt, bring gerade die Eigenschaften zusammen, die eigentlich nicht zu einander passen. Für die Skizze geht das schon fast ein bisschen zu weit. Aber solange du es noch als das betrachtest was es ist, nämlich nur eine rohe Skizze, bist du auf dem richtigen Weg.
Es ist sogar eine gute Idee, Eigenschaften die dir passend erscheinen, von verschiedenen Personen zu nehmen und sie zu vermischen. Das schafft nicht nur einen interessanteren Charakter, sondern senkt auch die Wahrscheinlichkeit dass sich deine Freunde in deinen Figuren wieder erkennen (Trotzdem solltest du immer davon ausgehen, dass du früher oder später „auffliegst“).
Wie wäre es mit einem Charakter den es schon gibt?
Wir sind ja immer noch bei der groben Form. Das heißt, am Ende wird sowieso etwas ganz Anderes dabei heraus kommen. Deshalb spricht kaum etwas dagegen, wenn du als Ausgangspunkt einen Charakter nimmst, den es schon in einer anderen Geschichte gibt.
Allerdings habe ich festgestellt, dass mich das eher behindert. Ich bin immer viel zu sehr damit beschäftigt, den Charakter vom Original weg zu bringen, als dass ich ihn wirklich kennen lernen würde. Wenn du mit dieser Methode aber zurecht kommst, um so besser.
Wenn du zwar einen Charakter hast, den du unbedingt zum Vorbild nehmen möchtest, aber einfach nicht genug vom Original weg kommst, kannst du seine gängigsten Eigenschaften spiegeln. Das heißt, sie ins genaue Gegenteil umwandeln.
Angenommen dein Vorbildcharakter ist klein dick und picklig, dann wird er bei dir eben lang, dünn und schlacksig. Oder wenn es gerade das Aussehen ist was dir zusagt, dann wandelst du seinen Charakter etwas ab. Statt einem taffen Jüngling mit Schneid, kriegst du nun einen reifen Herrn mit Schlotterknie und ordentlichem Muffensausen. Du siehst was ich meine. Wichtig ist, dass du für den Anfang immer skizzenhaft bleibst.
Die Aufgabe …
… für den ersten Teil dieses Kurses ist also denkbar einfach. Entscheide dich für eine der Methoden und schreibe einen einzigen Satz, der den Stereotyp deines Charakters beschreibt. Nutze auch meine Serie zur Inspiration, oder die Schneeflocken-Methode wenn dir zuerst nichts einfällt.
Das ist schon alles? Jipp. Wir starten klein und später durch. Zum Namen kommen wir im zweiten Teil.
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Und welchen Stereotyp hast du gewählt? Welche Methode hat dir geholfen? Diskutiere diesen Artikel in der Schreibwerkstatt.