Hier also wie versprochen, ein Statusbericht von meinem momentanen Fantasy-Projekt.
In dieser Woche habe ich versucht, den roten Faden zu finden und die wichtigsten Fragen zu klären: Wo spielt es? Um wen geht es? Was für eine Art von Geschichte möchte ich erzählen?
Der Ort
Die Geschichte spielt auf einem eigenen Planeten, dessen Entwicklung ich schon vor Jahren begonnen habe. Ich hab ein ganzes Sonnensystem kreiert, die Kontinente und gröberen geographischen Eigenschaften stehen fest, Dutzende von Völkern sind – zumindest in ihren Grundeigenschaften – vorhanden und fertig zum Einsatz.
Die Handlung
Ich hatte – wie üblich – ein paar nette Ideen für spezielle Szenen, Gespräche, Kämpfe, Handlungen. Das alles waren nur Fetzen und ich bin gewohnt, dass sie – mit der Zeit – zueinanderfinden, wenn ich nur ein wenig mit ihnen spiele.
Diesmal hatte ich allerdings nur Fragmente, die zwar gut für Nebenhandlungen geeignet waren, aber einfach nicht genug Potential für einen Hauptplot boten.
Worum geht es: der Einsatz
Es fehlte mir ein Hauptstrang, etwas, das durch die ganze Geschichte konsistent bleibt, einen roten Faden, der die Charaktere in ihrer Entwicklung begleitet und dem Leser einen Sinn vermittelt: Warum passiert das alles? Worum geht es eigentlich? Warum soll mich das interessieren? Dann bin ich über Folgendes gestolpert:
Damit der Leser in das Abenteuer hineingezogen wird, damit der Held ihn interessiert, muss er so früh wie möglich wissen, um welchen Einsatz es sich dreht. In anderen Worten, was kann der Held in diesem Abenteuer gewinnen oder verlieren? Was sind die Konsequenzen für den Helden, die Gesellschaft und die Welt, wenn der Held Erfolg hat oder versagt?
[…] Manuskripte funktionieren häufig nicht, weil der Einsatz einfach nicht hoch genug ist. Ist die Folge des Versagens schlicht, dass der Held nur ein bisschen peinlich berührt ist oder ihm etwas Lästiges passiert, dann bekommst du wahrscheinlich ein „Na und?“ von deinem Leser. Du musst sicher gehen, dass der Einsatz hoch ist – Leben und Tod, großes Geld oder die Seele des Helden.
[Frei übersetzt aus „The writers Journey“ von Christopher Vogler S.94]
Da habe ich angefangen darüber nachzudenken, worum es für den Helden in erster Linie gehen soll. Was riskiert er? Was braucht er? Was muss er tun, um das zu bekommen? Das Ganze angereichert mit ein paar Elementen aus dem betreffenden Genre und schon hatte ich einen Haupthandlungsstrang.
Die Charaktere
Als Nächstes habe ich mehrere Mindmaps gestartet und miteinander verknüpft. Eine Map für die Welt, Eine für die Geschichte und dann jeweils Eine für die wichtigsten Charaktere. Es ging mir noch nicht so sehr um eine komplette Charakterentwicklung, dafür weiß ich noch zu wenig von der Geschichte selbst. Es war mehr ein Tasten nach ersten Eindrücken und groben Strukturen.
Probleme
Insgesamt bin ich in dieser Woche auf zwei Probleme gestoßen:
1. Charaktere erfüllen plötzlich nicht mehr ihren Zweck
Das erste Problem war mein Hauptcharakter. Ich wusste jetzt ja schon so ungefähr, in welche Richtung es gehen soll, also habe ich damit weiter gemacht ihm ein Aussehen zu gegeben. Erst war er relativ hübsch und deshalb auch selbstbewusst und glücklich, ganz so, wie ich ihn für bestimmte Aspekte der Geschichte brauchte.
Dann hab ich aber festgestellt, dass er einen kleinen Schönheitsfehler hat, was sofort einige Eigenschaften mit sich zog. Er war plötzlich unsicher und hatte noch so einige andere Macken. Für die Glaubwürdigkeit war das super – wer ist schon perfekt. Aber dadurch war er für einige wichtige Szenen absolut nicht mehr geeignet. Sie passten nicht mehr zu ihm.
Gut, ich hätte dafür sorgen können, dass er bis zum entsprechenden Zeitpunkt weit genug entwickelt ist. Aber einige dieser Handlungen gehören unverrückbar an den Anfang. Was also tun? Ich hätte das Aussehen zurück verwandeln können – hey, in meiner Welt bin ich Gott, wer soll es mir verbieten.
Aber wie schon gesagt, durch die Makel ist der Charakter lebendiger geworden, das wollte ich ihm auch nicht wieder wegnehmen. Also hab ich ihm ein passendes Hobby gegeben und schwuups, plötzlich hatten die notwendigen Eigenschaften wieder eine Quelle.
Was ich mal wieder gelernt habe: Du brauchst nur eine gute Begründung.
2. Zu konkrete Ideen
In dieser Woche hab ich also eine grobe Struktur der Geschichte an sich und der wichtigsten Charaktere entwickelt. Doch dann bin ich stecken geblieben.
Meine Struktur ist noch so unglaublich grobmaschig, die Anhaltspunkte noch so weit voneinander entfernt, dass ich noch nicht wirklich weiß, wie ich sie verbinden soll. Ich hab lange nicht verstanden, warum mir das diesmal so schwer fällt.
Bild von icultist.
Dann fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Meine Anhaltspunkte waren einfach schon viel zu konkret.
Das ist so ein bisschen so, als wolltest du von Köln nach Berlin fahren und wüsstest vorher schon, dass du in einem Café in Stuttgart eine Pause machen willst. Eben, das wäre ein riesen Umweg. Wer sagt denn, dass das Café in Stuttgart liegen muss? Ich. Also hab ich meine Fantasie ein bisschen geschüttelt, meine einengenden Regeln – die ich mir selbst auferlegt hatte – gelockert und schon kamen neue Ideen dazu, die sich in die Lücken setzten.
Ich mach nochmal ein Beispiel. Sagen wir Hanna muss erfahren, dass ihr Bruder Paul verletzt wurde, das ist der wichtige Punkt in der Szene. Du hast auch gleich eine Idee wie das aussehen soll, aber nach kurzer Zeit findest du sie mir langweilig. Die Information ist allerdings essentiell, also schreibst du die Szene so, wie du sie dir ausgedacht hast.
Weil du es aber selbst langweilig findest, wird es auch für den Leser langweilig – wenn es dich schon nicht interessiert, warum dann ihn?
Die Lösung ist so einfach: Übermittle die Information an einem anderen Ort, auf eine andere Weise, durch eine andere Person. Vielleicht ruft nicht das Krankenhaus an, sondern ihre Erzfeindin Michaele klatscht es ihr auf dem Pausenhof ins Gesicht. Nimm etwas, das nicht nur den einen Zweck erfüllt (die Informationsübergabe), sondern etwas, das auch den Charakter lebendig macht, Nähe erzeugt, vielleicht sogar den Einsatz (s.o.) deutlich macht.
Du hast doch die freie Wahl: Du bist Gott!
Noch mehr Konkretes
Tja und das Problem hatte ich dann sogar gleich noch einmal. Mir ist erst gar nicht aufgefallen, dass es dasselbe Problem war. Ich steckte wieder fest und wusste nicht warum. Bis ich erkannte „Hey, warum MUSS das denn überhaupt so sein? Vielleicht wäre anders ja besser?“, und dann ging mir auf, dass ich vor demselben Problem schon einmal stand, und hatte jetzt gleich eine Lösung parat: Fesseln lösen und es ganz neu, ganz anders probieren.
War ein tolles Gefühl.
Diskussion
Um welchen Einsatz geht es in deinen Geschichten? Was machst du, wenn Charaktere ihren Zweck nicht mehr erfüllen? Hast du manchmal zu konkrete Ideen? Was unternimmst du dagegen?
Auf euren Wunsch gibt es bald noch mehr über mein momentanes Projekt, also melde dich gleich bei meinem Newsletter oder dem RSS-feed an. (Was ist ein RSS-feed?)