Das Geheimnisvolle und wie man es geschickt unter die Haut des Lesers schiebt. Darüber hat sich anell so ihre Gedanken gemacht. Hoffentlich findest du sie genauso spannend wie ich.
Rätsel. Geheimnisse. Undurchsichtige Machenschaften. Verschwörungen und Intrigen. Wir alle sind uns wohl darin einig, ohne Geheimnisse wären Bücher nur halb so gut. Wer ist der Mörder? Wo ist das heilige Artefakt? Könnte es sein, dass mein gut aussehender Freund ein Vampir ist? Wie finde ich, mit Mitte dreißig, doch noch die Liebe meines Lebens?
Hinter jeder dieser elementaren Fragen steht das Geheimnis eines Buches. Ein gutes Buch, das ist nicht nur eine packende und mitreißende Story, fabulöse Charaktere, Witz, Spannung, Action und ein furioses Finale.
Nein!
Dazu gehören auch die großen und kleinen Geheimnisse. (Wer nicht weiß, was genau ich meine, das sind die Plotelemente, die uns dazu zwingen, immer noch eine weitere Seite zu lesen und noch eine und noch 500, weil wir wissen wollen, was passiert ist und was deshalb passieren wird)
In meinem kleinen Gastbeitrag hier soll es um zwei Arten von Geheimnissen gehen. Ja, richtig gehört ARTEN. Plural. Ich will hier nicht loslegen und euch lang und breit erklären, wie ihr das mit den geheimnisvollen Erbschaften, den tödlichen Familiengeheimnissen oder den vatikanischen Verschwörungen so zu machen habt. (Dafür seid ihr selbst zuständig.)
Aber, ich erzähl euch etwas über die zwei großen Geheimnisarten. Dem „geheimen Geheimnis“ und dem „offenen Geheimnis“.
1. Das geheime Geheimnis
Bevor ihr euch jetzt aus Neugierde die Fingernägel runter kaut: JEDER kennt das Gerüst eines „geheimen Geheimnisses“. Es ist der klassische Krimi- und Thrillerplot. Das Kennzeichen hierbei ist, dass der Protagonist und der Leser gleich viel wissen. Nämlich zunächst mal überhaupt nichts. Beide starten bei Null.
Eine Polizistin wird zu einem Tatort gerufen, an dem sich eine verstümmelte Leiche befindet. An der Wand befindet sich ein Graffiti in Form eines durchstochenen Herzens.
Wir Leser machen uns natürlich (genau wie die Protagonistin) so unsere Gedanken, ob das Graffiti etwas mit dem Fall zu tun hat und wer einen Grund hatte das Opfer zu töten. Aber wissen? Wir wissen erst einmal gar nichts. Der Aufbau ist so gestaltet, dass man zusammen mit dem Protagonisten verschiedenen Hinweisen folgt, die dann, hoffentlich, zu einer Lösung führen.
Wie es sein sollte
Die Aufgabe des Autors bei so einem Plot ist es, den Leser immer wieder bei der Stange zu halten. Ihn mit Infohäppchen zu füttern. Ihm immer nur genau so viel zu verraten, wie er benötigt, um dem Plot folgen zu können und sich nebenbei noch seine Gedanken dazu machen kann. Ihm also einen Spielraum für eigene Ideen einräumt (ob diese sich als falsch oder richtig erweisen, ist ganz gleich)
Der Idealfall tritt dann ein, wenn der Leser glaubt, er WISSE wohin der Hase läuft, weil ihn der Autor, durch das geschickte Einstreuen von Infos, auf eine falsche Fährte gelotst hat. Wie man das macht? Nun, da müsst ihr auf den Gastbeitrag von Dan Brown oder Charlotte Link warten. Es ist eine hohe Kunst den Leser bei Stange zu halten und nicht jeder beherrscht sie.
Der Zufall als Hilfsmittel
Zu Beginn dieses Plots kommt es noch des Öfteren vor, dass Gevatter Zufall eine Rolle spielt. Zufällig trifft man einen Zeugen, zufällig stößt man auf ein uraltes Artefakt. Der Zufall zu Beginn sorgt dafür, die Witterung des Geheimnisses aufzunehmen. Doch je weiter die Handlung fortschreitet und je näher die Lösung rückt, desto weniger sollte der Zufall entscheiden. Denn der Leser ist ja keine Gurke, er hat sich schon längst Gedanken dazu gemacht, wer und was und wo.
Zwiebelschalen
Die Lösung ist einfach: Teilgeheimnisse zu lüften. Dem Leser einen kleinen Erfolg zu schenken und ihn entweder in seinen Annahmen zu bestätigen, damit er sich auf die Schulter klopfen und sagen kann: „Oh ich hab´s genau gewusst …“ oder ihn mit einer Totalbremsung komplett zu überraschen, weil sich von einem Moment zum andren ALLES ändert. „Das hab ich nicht kommen sehen … ich dachte … aber DAS kann doch nicht sein!“
Am Besten stellt man sich dieses Geheimnis, als eine Art Zwiebel vor. In der Mitte, also im Kern, liegt die Lösung und sie ist ganz einfach. So mache ich das. Ich habe die Ausgangssituation X und die Lösung Z.
Ich schreibe die Lösung auf einen Zettel und arbeite mich dann zur Ausgangssituation vor. Vollziehe so den Weg nach, wie es dazu kam, dass da jetzt ein Toter liegt, und weiß dann woher ich meine Hinweise beziehe, anhand deren sich mein Prota orientieren kann. Denn der Schlüssel zum geheimen Geheimnis, liegt meist in der Vergangenheit der eigentlichen Plothandlung.
Die Auflösung
Aufgelöst, wir das Ganze geheime Geheimnis (hoffentlich) erst ganz zum Ende. Denn wir sind uns wohl einig, es gibt nichts Ätzenderes, als einen Krimi bei dem man auf Seite 50 von 300 schon weiß, wer der Mörder ist und wie alles abgelaufen ist und liest es nur zu Ende, um am Schluss frustriert zu keuchen: „Ich hab´s doch gewusst“.
2. Das offene Geheimnis
Im Gegensatz zum geheimen Geheimnis, ist dem Leser das Geheimnis klar. Meist ist es auch dem Protagonisten klar, denn bei solch offenen Geheimnissen, geht es meist darum, dass der Protagonist etwas zu verbergen hat.
Lieschen Müller ist eine Giftmörderin. Sie tötet leidenschaftlich gern untreue Ehemänner. Dumm nur, dass ihr neuer, süßer Nachbar in der Mordkommision arbeitet.
Woher kommt die Spannung?
In irgendeinem Schreibratgeber oder auf einer Seite zum Thema, hab ich mal gelesen, das sei so etwas wie eine Bombe unter dem Tisch, an dem die Protagonisten sitzen. Man weiß, die Bombe ist da, aber man hat keine Ahnung wie lang die Lunte ist … Während das geheime Geheimnis seine Spannung aus dem Unwissen von Leser und Protagonisten zieht, setzt das offene Geheimnis, oder eben die Bombe, darauf, dass der Leser nicht weiß, wann und wie und wo das Ganze hochgeht.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Frage wie weit der Protagonist gehen wird, um sein Geheimnis zu wahren. Welche Grenzen er überschreiten wird. Ob er sich verrät und wie ihm seine Umwelt auf die Schliche kommt. Lösung, Auflösung und Enttarnung, das alles schwebt wie ein Damoklesschwert über der Geschichte.
Wie es funktioniert?
Im Gegensatz zum geheimen Geheimnis, ist das offene Geheimnis in den meisten Fällen nicht dazu geeignet einen Plot zu tragen. Es ist eher als eine Art Ergänzung, oder Upgrade, zu einem geheimen Geheimnis zu sehen. Denn ein Plot in dem Person X nur versucht es nicht herauskommen zu lassen, das sie ein Killer ist … hm … sogar Dexter musste dabei noch Mordfälle klären.
Ich persönlich hab nie viel von einem offenen Geheimnis gehalten, bis ich es kürzlich ausprobiert und angenehm überrascht war, wie wunderbar man seinen Leser damit quälen kann. (Auf die gute Art quälen) Das offene Geheimnis verschafft den Autoren die Möglichkeit den Leser zu Hause sitzen zu lassen und „NEIN!“ zu brüllen.
Nein?
Wissensvorsprung
Ja, NEEEEEEEEEIN, so langezogen. Weil der Leser ja einen Wissensvorsprung hat. Weil er ja Dinge weiß, die bestimmte Personen im Buch nicht wissen. Denn wenn der Leser etwas weiß, was die handelnde Figur NICHT weiß … oh ho ho … ihr wisst doch wie das ist. Ihr denkt doch dann auch beim Lesen: „Wenn du wüsstest, das sie schon längst dabei ist, dich zu verlassen“. Und von diesem Wissensvorsprung und der Neugierde, WANN es endlich herauskommt lebt diese Art von Geheimnis.
Während beim geheimen Geheimnis der Trick darin besteht, immer nur geringe Infos zu streuen, liegt der Trick hier, darin seinen Protagonisten immer wieder in Situationen zu bringen, in denen das Geheimnis droht aufzufliegen. Der Druck ist der Motor dieses Geheimnisses. Man muss den Prota in die Enge treiben und eine Reaktion provozieren.
„Wie kommt er DA wieder raus!“ DAS soll sich der Leser nicht aufhören zu fragen. Die Lösung. Nun ja, alles hat ein Ende. Irgendwann wird er irgendwie auffliegen und dann … ist es vorbei.
Fazit:
Abschließend bleibt mir nur zu sagen. Geheimnisse. Sie im Plot unterzubringen. Die Geschichte mit ihnen, durch sie am Leben zu erhalten, ist eine hohe Kunst. Sie sind für ein gutes Buch genauso wichtig, wie der Plot an sich (wobei die Frage erlaubt sein darf, ob der Plot an sich, nicht schon die Aneinanderreihung gelöster Fragen, Probleme und Geheimnisse ist), die Figuren und das Setting.
Ohne sie, wäre kein Buch das, was es nun mal ist. Ein süchtig machender Grund, immer wieder noch eine Seite mehr zu lesen. 😉
Diskussion
Benutzt du lieber offene oder geheime Geheimnisse? Wie gehst du mit ihnen um? Welches Buch spielt besonders gut mit Geheimnissen? Sind sie geheim oder die Bombe unter dem Tisch?