Lange versprochen und endlich umgesetzt: das Interview mit Sebastian Fitzek.
Vielen herzlichen Dank an ihn, dass er sich trotz seiner begrenzten Zeit und sicher Stapelweise Fanpost zu diesem Interview bereiterklärt hat 🙂
Zugegeben, den Namen habe ich bisher verschwiegen, aber geplant ist dieses Interview schon ewig. Dabei ging es mir in erster Linie darum, einmal in den Kopf eines Schriftstellers hineinzuschauen, der es wirklich geschafft hat, von einem namhaften Verlag veröffentlicht zu werden und der sogar von seiner Schreibe leben kann. Bei den Fragen habe ich versucht mich an all die großen und kleinen Dinge zu halten, die uns Schreiberlinge so interessieren. Ich hoffe ihr habt Spaß dabei und lernt eine Menge.
An dieser Stelle noch mal ein dickes Dankeschön an Sebastian Fitzek für seine freundliche, schnelle und ausführliche Beantwortung aller Fragen 🙂
Der Autor
Sebastian Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren. Gleich sein erster Psychothriller „Die Therapie“ eroberte die Taschenbuch-Bestsellerliste, wurde als bestes Debüt für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert und begeisterte Kritiker wie Leser gleichermaßen. Mit den darauf folgenden Bestsellern „Amokspiel„, „Das Kind„, „Der Seelenbrecher„, „Splitter“ und „Der Augensammler“ festigte er seinen Ruf als DER deutsche Star des Psychothrillers. Seine Bücher werden in über zwanzig Sprachen übersetzt. Als einer der wenigen deutschen Thrillerautoren erscheint Sebastian Fitzek auch in den USA und England, der Heimat des Spannungsromans.
Veröffentlichungen
Die Therapie
Keine Zeugen, keine Spuren, keine Leiche. Josy, die 12-jährige Tochter des bekannten Psychiaters Viktor Larenz, verschwindet unter mysteriösen Umständen. Ihr Schicksal bleibt ungeklärt. Vier Jahre später: Der trauernde Viktor hat sich in ein abgelegenes Ferienhaus auf einer kleinen Insel zurückgezogen. Doch eine schöne Unbekannte spürt ihn dort auf. Sie wird von schizophrenen Wahnvorstellungen gequält. Darin erscheint ihr immer wieder ein kleines Mädchen, das ebenso spurlos verschwindet wie einst Josy. Haben ihre Halluzinationen etwas mit dem Verschwinden seiner Tochter zu tun? Viktor beginnt mit der Therapie der geheimnisvollen Unbekannten, die mehr und mehr zum dramatischen Verhör wird …
Das Kind
»Als Robert Stern diesem ungewöhnlichen Treffen zugestimmt hatte, wusste er nicht, dass er damit eine Verabredung mit dem Tod einging. Noch weniger ahnte er, dass der Tod etwa 1,43 m messen, Turnschuhe tragen und lächelnd auf einem gottverlassenen Industriegelände in sein Leben treten würde.«
Strafverteidiger Robert Stern ist wie vor den Kopf geschlagen, als er sieht, wer der geheimnisvolle Mandant ist, mit dem er sich auf einem abgelegenen und heruntergekommenen Industriegelände treffen soll: Simon, ein zehnjähriger Junge, zerbrechlich, todkrank – und fest überzeugt, in einem früheren Leben ein Mörder gewesen zu sein. Doch Robert Sterns Verblüffung wandelt sich in Entsetzen und Verwirrung, als er in jenem Keller, den Simon beschrieben hat, tatsächlich menschliche Überreste findet: ein Skelett, der Schädel mit einer Axt gespalten. Und dies ist erst der Anfang. Denn nicht nur berichtet Simon von weiteren, vor Jahren hingerichteten Opfern, schon bald wird auch die Gegenwart mörderisch …
Der Seelenbrecher
Drei Frauen – alle jung, schön und lebenslustig – verschwinden spurlos. Nur eine Woche in den Fängen des Psychopathen, den die Presse den ›Seelenbrecher‹ nennt, genügt: Als man die Frauen wieder aufgreift, sind sie verwahrlost, psychisch gebrochen – wie lebendig in ihrem eigenen Körper begraben.
Kurz vor Weihnachten wird der Seelenbrecher wieder aktiv, ausgerechnet in einer psychiatrischen Luxusklinik. Ärzte und Patienten müssen entsetzt feststellen, dass man den Täter unerkannt eingeliefert hat, kurz bevor die Klinik durch einen Schneesturm völlig von der Außenwelt abgeschnitten wurde. Verzweifelt versuchen die Eingeschlossenen einander zu schützen – doch in der Nacht des Grauens, die nun folgt, zeigt der Seelenbrecher, dass es kein Entkommen gibt …
Der Augensammler
Doch deine Suche wird ewig dauern. Erst tötet er die Mutter, dann verschleppt er das Kind und gibt dem Vater 45 Stunden Zeit für die Suche. Das ist seine Methode. Nach Ablauf der Frist stirbt das Opfer in seinem Versteck. Doch damit ist das Grauen nicht vorbei: Den aufgefundenen Kinderleichen fehlt jeweils das linke Auge. Bislang hat der „Augensammler“ keine brauchbare Spur hinterlassen. Da meldet sich eine mysteriöse Zeugin: Alina Gregoriev, eine blinde Physiotherapeutin, die behauptet, durch bloße Körperberührungen in die Vergangenheit ihrer Patienten sehen zu können. Und gestern habe sie womöglich den Augensammler behandelt …
Der Augenjäger *neu
Dr. Suker ist einer der besten Augenchirurgen der Welt. Und Psychopath. Tagsüber führt er die kompliziertesten Operationen am menschlichen Auge durch. Nachts widmet er sich besonderen Patientinnen: Frauen, denen er im wahrsten Sinne des Wortes die Augen öffnet. Denn bevor er sie vergewaltigt, entfernt er ihnen sorgfältig die Augenlider. Bisher haben alle Opfer kurz danach Selbstmord begangen.
Aus Mangel an Zeugen und Beweisen bittet die Polizei Alina Gregoriev um Mithilfe. Die blinde Physiotherapeutin, die seit dem Fall des Augensammlers als Medium gilt, soll Hinweise auf Sukers nächste „Patientin“ geben. Zögernd lässt sich Alina darauf ein – und wird von dieser Sekunde an in einen Strudel aus Wahn und Gewalt gerissen …
13 Fragen, 13 Antworten
1. Wie beginnt dein Schreibprozess? Schreibst du was dir gefällt oder was der Markt fordert? Und wenn du deine erste Idee gehabt hast, was stellst du dann damit an? Wie baust du deine Idee aus?
Gleich vorweg: niemand weiß, was „Der Markt“ erfordert. Als Schriftsteller sollte man immer das Buch schreiben, was einem am Herzen liegt und hoffen, dass man nicht der Einzige ist, der es am Ende lesen will;
Wie ich auf meine Ideen komme und ausarbeite kann ich am besten mit einem Beispiel bewantworten:
Die Idee zur Therapie kam mir tatsächlich während ich in einem völlig überfüllten Wartezimmer eines Arztes darauf wartete, dass meine Freundin endlich wieder aus der Behandlung kommt. Als das nach einer halben Stunde immer noch nicht der Fall war, begann mein Thriller-Hirn zu grübeln: Was wäre, wenn dir jetzt alle sagen würden, sie wäre erst gar nicht hineingegangen? Wenn Sprechstundenhilfe und Arzt behaupteten, heute hätten sie meine Freundin gar nicht gesehen? Wenn auch die anderen, wartenden Patienten mit dem Kopf schütteln würden? Welchen logischen Grund könnte es dafür geben, dass sie fortan nie wieder auftaucht? Nachdem ich diese Kern-Frage gefunden und für spannend befunden hatte, begann ich etwa ein Jahr lang nachzudenken. Danach hatte ich ein Exposé mit einer (wie ich finde) schlüssigen Story zusammen. Erst dann fing ich an zu schreiben.
2. Wann kommen die Charaktere ins Spiel? Inwiefern baust du sie aus? Gibt es Charakterbögen oder ähnliches und wenn ja in welchem Umfang?
Die Charaktere habe ich von Anfang an vor Augen, aber ich definiere sie nicht zu starr. Ich fertige also keine Lebensläufe oder ähnliches an, damit mich die Entwicklung, die die Figuren beim Schreiben nimmt, auch selbst noch überraschen kann. Ich habe aber immer ein ganz klares Bild vor Augen und weiß bevor ich anfange, wie diese Person aussieht, wie es um ihre Psyche bestellt ist und wie sie ihre Herkunft und Vergangenhei geprägt hat.
3. Womit plottest und schreibst du (Programme/Werkzeuge)? Und wie genau läuft das ab? Wann und wo schreibst du? Hörst du dabei Musik? Hast du feste Zeiten zum Schreiben?
Gibt es spezielle Programme mit denen man plotten kann? Die kenne ich nicht, ich hab dafür nur meinen Kopf und einen Notizzettel, auf dem ich mein Gekritzel aber kaum entziffern kann. Ich schreibe in jeder freien Minute an jedem Ort an dem ein Computer steht (mit Word), am liebsten im Wintergarten meines Hauses. Ich habe nämlich festgestellt, dass ich eine schöne Aussicht brauche, um möglichst schaurig zu schreiben. Musik beim Schreiben hab ich mal ausprobiert, lenkt mich aber zu sehr ab. Ich brauch nur Kaffee.
4. Hast du manchmal Schreibblockaden? Wie äußern die sich und was machst du dagegen?
Stephen Frey hat einmal in seinem Buch „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ gesagt, es gäbe keine Schreibblockaden. Ein Maurer habe ja auch keine „Maurerblockade„. Das wäre alles nur eine Ausrede und in Wahrheit sei man entweder faul oder habe Angst, nicht gut genug zu sein. Ich würde nicht so weit gehen, denn tatsächlich kann so ein weißes Blatt sehr angsteinflößend sein. Wo Frey aber Recht hat ist, dass nicht nur Autoren mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, sondern JEDER Mensch auf Erden. Und so wie der Maurer auf die Baustelle muss, auch wenn ihn Sorgen und Zweifel plagen, muss der Schriftsteller seine „Blockade“ überwinden, indem er sich einfach zum Schreiben zwingt. Ganz egal, was dabei herauskommt, wir müssen schreiben. Das ist wie beim Sport, man muss seinen inneren Schweinehund überwinden. Vielleicht werfen wir am nächsten Tag die Seiten in den Müll, aber das gute Gefühl, etwas getan zu haben, motiviert uns für das nächste Kapitel.
5. Hast du jemals Schreibratgeber gelesen? Wenn ja, welche, und welche kannst du empfehlen?
Siehe oben 😉 Ich habe viele Ratgeber gelesen, allerdings erst nachdem ich meine ersten beiden Bücher geschrieben und veröffentlicht hatte. Und das ist genau der Tipp, den ich geben kann: nicht zu früh Kurse besuchen und/oder Bücher „Über das Schreiben“ zu lesen (wie das gleichnamige Buch von Sol Stein zum Beispiel). Ein Buch über „Wie lerne ich Fahrradfahren“ würde auch nichts bringen. Man muss alle Fehler selbst gemacht haben, bevor man aus solchen Büchern vielleicht hilfreiche Tipps zieht. Und man muss wissen, dass es eine allgemeingültige Anleitung zum Bestsellerschreiben nirgendwo gibt, auch wenn einige Ratgeber so klingen.
6. Wie schlecht darf deine erste Version sein?
Jede Version muss so gut sein, dass man denkt, es ginge nicht mehr besser. Dann zeigt man sie dem professionellen Lektorat, Freunden, Menschen, denen man vertraut. Und dann darf man sich nicht zu fein sein, sich einzugestehen, dass man es doch noch besser kann.
7. Wie und wie oft überarbeitest du deinen Text?
Ich überarbeite jedes Buch mindestens vier, meistens sieben Mal.
Getreu dem Motto: Der erste Entwurf ist immer Mist.
8. Wann zeigst du dein Werk zum ersten Mal jemand anderem und wem? Hast du Probeleser und wenn ja, wie viele und wie genau machen sie das?
Ich rede mit allen meinen Freunden, Bekannten und Verwandten, zudem natürlich mit allen im Verlag – nicht nur dem Lektorat – erst über meine Idee, dann über das Exposé, schließlich über jeden Entwurf. Ich muss einfach wissen, wie die Reaktion derer ist, denen ich vertraue. Am Ende aber entscheide ich immer selbst, ob und wie ich die Geschichte schreibe. Zu „Der Seelenbrecher“ zum Beispiel wurde mir zum Teil abgeraten, einige fanden den Titel schrecklich. Ich war mir aber sicher und hab nicht auf einen meiner besten Freunde und Thrillerexperten gehört. Zum Glück! Das ist auch ein ganz wichtiger Hinweis: Nie das Buch für eine bestimmte Person schreiben, immer nur für sich selbst. Nicht jede Kritik ist berechtigt.
9. Musst du immer noch Anschreiben und Exposés verschicken? Bzw. was passiert mit deinem fertigen Manuskript?Wie sah dein erstes Anschreiben aus und was denkst du, war ausschlaggebend, dafür, dass gerade du veröffentlicht wurdest?
Nein, ich muss keine Anschreiben mehr verschicken. Exposés aber schicke ich immer an meinen Verlag, damit wir darüber reden können. Ausschlaggebend für meine Veröffentlichung war kein Anschreiben, im Gegenteil, ich wurde ja von allen Verlagen abgelehnt. Mir hat meine Literaturagentur AVA-International zum Durchbruch verholfen. Und die hat mich wegen meines Buches „Die Therapie“ angenommen.
10. Wie läuft ein Lektorat vom Verlag ab? Was genau wird angemerkt und wer entscheidet, was letztendlich geändert wird?
Das habe ich zum Teil schon oben beantwortet: Ein gutes Lektorat arbeitet nach der Sokrates-Methode und stellt nur Fragen: „Weshalb macht Person A jetzt X und nicht Y?“ / „Kann man mit diesem Beinbruch noch Auto fahren?“ / „Passt das zur Motivation der Hauptfigur?“, etc.
Ein gutes Lektorat gibt also keine Antworten, die muss der Autor selbst finden. Und er entscheidet am Ende ganz alleine, ob er die Fragen für relevant hält oder nicht. Ein Buch ist ja keine Auftragsproduktion sondern ein künstlerisches Werk und immer Ausdruck des Autors. Der ist allerdings gut beraten, wenn er die Anmerkungen seines Lektorats nicht einfach in den Wind schlägt. Ich habe zwei wundervolle Lektorinnen (Carolin Graehl und Regine Weisbrod), die immer ihre Finger in die richtigen Wunden legen.
11. Wie fühlt es sich an, deine eigene Geschichte im Buchladen im Regal stehen zu sehen?
Leicht schizophren. Ich fühle mich dann immer wie eine meiner Figuren und denke, das ist nicht ganz real 😉
12. Wie viele Bücher verkaufst du etwa im Jahr? Wie viel verdienst du bzw. kannst du vom Schreiben leben?
Meine Gesamtauflage liegt weltweit bei über 3 Millionen Bücher, trotzdem bin ich kein Millionär, aber in der glücklichen Lage von meinen Thrillern gut leben zu können. Wer aber vom großen Geld träumt, sollte sich eher einen anderen Job suchen als den des Autors. Anfangs bekam ich ca. 35 Cent pro Buch bei einer Startauflage von 4.000 Stück (Anmerkung; Jacky hat gerechnet: das macht 1.400€ für die erste Auflage).
13. Wenn du ganz von vorne anfangen müsstest, was würdest du anders machen und was würdest du wiederholen?
Ich würde nichts anders machen und alles genau so wiederholen. Nur eine kleine Änderung und ich hätte meine Frau nicht kennen gelernt und meine Tochter wäre nicht geboren. Das Risiko ist mir zu groß.
Ein ganz normaler Kerl
Ich finde es erfrischend zu sehen, dass Sebastian Fitzek nicht nur ein ganz normaler und freundlicher Mensch ist, wie er in unserer umfangreichen E-Mailkommunikation gezeigt hat (das Interview ist eigentlich schon seit einem Jahr geplant ^^). Sondern er geht auch ziemlich (Achtung! Wertfrei!) planlos an seine Romane heran, was wieder einmal zeigt, das manchmal die einfachste Methode auch die Beste ist ^^. Das macht Mut, gelegentlich alle Regeln in den Wind zu schießen und einfach auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen – so, wie es sein sollte 🙂
Diskussion
Was hältst du von seinen Antworten? Beil welchen verhältst du dich genauso und wo machst du es ganz anders? Welche Frage habe ich komplett vergessen bzw. muss in das nächste Interview unbedingt mit rein?