Wenn ich so beim Hinweise verstecken bin, stolpere ich gelegentlich über das Problem, dass ich vergesse, Dinge direkt zu sagen.
Das Ding mit den Geheimnissen
Das klingt jetzt vielleicht blöde, aber das ist wirklich so. Angenommen, ich habe am Anfang der Geschichte Spannung aufgebaut, eine Frage, die sich stellt, ein Geheimnis, das es zu lüften gilt. Wenn es ein Rätsel oder etwas Ähnliches ist, das sich über mehr als zwei oder drei Seiten hält, dann gewöhne ich mich sofort daran, es zu verstecken. Das heißt, immer wenn etwas auftaucht, dass die Lösung zu früh offenbaren könnte, werde ich vorsichtig.
Sagen wir Georg hat ein geheimes Bankkonto auf dem eine Million Euro liegen und das soll erst später herauskommen. Immer wenn es jetzt um Georgs Finanzen geht, lasse ich etwas einfließen wie:
Die roten Zahlen stiegen ins Unermessliche, und wenn sein kleines Geheimnis nicht gewesen wäre, dann wäre er wahrscheinlich schon lange verrückt geworden.
Natürlich lässt sich das subtiler formulieren, wenn es eine echte Geschichte drum herum gibt. Aber in diesem Beispiel geht es nur darum, dass ich nicht explizit hinschreibe, warum er nicht verrückt wird. Da ist dieses geheimnisvolle Etwas, das ihm Sicherheit gibt.
Geheime Geheimnisse
Mir ist es nun aber schon häufiger passiert, dass ich das Geheimnis nicht mehr aufdecken konnte. Ich wollte es zwar lüften, aber wenn es dann soweit war, fand ich mich in einem Haufen Spaghettisätzen wieder, die wie eine Katze um den heißen Brei herumstreichen, sich wanden und verknoteten. Bis mir klar wurde, dass das nur daran lag, dass ich versucht habe, das Geheimnis geheim zu halten, während ich es ja eigentlich auflösen wollte.
Der Trick um da wieder herauszukommen bestand ganz einfach darin, dass ich mir vorher klar machen musste: Das ist sie – das ist die Szene, in der die Lösung um das Geheimnis offenbart wird.
Also, wenn es soweit ist, dann rede nicht drum herum. Wenn er endlich den Stein der Weisen findet, seine Geliebte küsst, dem Bösewicht eins über den Schädel haut, dann trau dich es auch ganz direkt zu sagen.
Wann soll ich Geheimnisse auflösen?
Wie du dir sicher denken kannst, lässt sich die Frage nicht pauschal beantworten. Das wirst du selbst am besten wissen. Schau dir dazu am besten den umfassenden Spannungsbogen deiner Geschichte an.
Wie du dir den Spannungsbogen ansehen kannst? Mit dem yWriter geht das zum Beispiel sehr einfach. Im Szenenbearbeitungsfenster [Bild] kannst du im Reiter „Details“ ganz rechts aus vier Dropdownmenüs auswählen. Du kannst einfach den standardmäßig eingestellten Wert „Tension“ verwenden um hier den Spannungswert einzustellen, den du der aktuellen Szene gibst. Wenn du möchtest kannst du die Beschriftung auch über:
Projekt >> Projekt Einstellungen >> Bewertungsnamen
ändern. Wenn du alle Szenen bewertet hast, bekommst du über:
Werkzeuge >> Graphik der Szenenbewertung
Eine Graphik angezeigt, in der du sehen kannst, wo genau die Spannung absackt bzw. ansteigt. Natürlich kannst du das auch mit einer Exceltabelle machen, selbst eine Graphik zeichnen oder einfach nur im Kopf überlegen und es dir vorstellen.
Überleg dir dann (oder lies es am Graphen ab), an welcher Stelle du schon durch andere Punkte genug Spannung aufgebaut hast, damit dein Leser „verkraftet„, dass ein Geheimnis aufgedeckt wird.
Wie soll ich enthüllen?
Auch das liegt nur an dir und deine Fantasie ist die einzige Grenze. Ganz „direkt“ wäre sicher verkehrt. Wie fändest du eine Enthüllung nach dem Motto:
Er griff in die Schachtel und hielt den Stein der Weisen in der Hand. Er packte ihn ein und ging nach Hause.
Also ich würde mir denken: Hallo? Und dafür hab ich jetzt gerade 3oo Seiten Buch gelesen? Dafür?
Spannung aufbauen: jetzt extra
Als Erstes solltest du in irgendeiner Form besondere Spannung in dieser Szene aufbauen. Schließlich muss sich auch der Leser sein Zuckerchen erst „verdienen„.
Vielleicht taucht der Antagonist auf und versperrt noch einmal den Weg? Vielleicht hat die Frau, der die Liebe gestanden werden soll, gerade verkündet, dass sie nach Amerika auswandert? Vielleicht verkündet der Protagonist auch nur ganz großspurig, dass er das Geheimnis aufgedeckt hat und wird dann durch irgendetwas (das nächste spannende Geheimnis?) unterbrochen?
Auf jeden Fall brauchst du irgendeine Art von Hürde, ein letztes Hindernis, bevor dein Held es sich endgültig verdient hat, zu bekommen, was auch immer er sucht – selbst wenn er vielleicht gar nicht weiß, dass er es sucht.
Das duftig, süße, summend, weiche, saftig, grüne Unbekannte
Das Geheimnis, das gelüftet wird, kann alles sein, die Antwort auf eine Frage, ein Objekt das gefunden wird, ja sogar ein Kuss. Aber was immer es ist, dein Charakter, oder zumindest der Leser, hat Seiten, Stunden, ja vielleicht sogar Tage lang (manche Leute lesen nur ein paar Sätze am Tag) der Lösung dieses Geheimnisses entgegengefiebert, jetzt musst du ihm auch etwas bieten.
Angenommen es ist tatsächlich der Stein der Weisen, der gefunden werden sollte:
Er hielt den Stein in der Hand. Der Stein war blau. Er steckte ihn in die Tasche.
Das ist enttäuschend. Denn genau jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, wo du endlich mal beschreiben darfst. Zeig dem Leser, worauf er so lange gewartet hat, beschreib es ihm in den schillerndsten Farben, mit Farben, Tönen, Strukturen, Geschmäckern und Gerüchen, pack alles aus was du hast und gib ihm eine geballte Ladung. Lass ihn sich fühlen, als wäre er wirklich dabei und vergiss nicht auch die Emotionen des Protagonisten mit einzubauen.
Was kann ich mit der Lösung anfangen?
Lass deinen Leser nicht am ausgestreckten Arm verhungern. Wenn das Geheimnis aufgedeckt wurde, dann muss der Leser auch etwas damit anfangen können, wenn schon nicht er, dann wenigstens der Charakter, der die Lösung entdeckt hat.
Heureka! Auf dem Zettel steht die Lösung: Pi Halbe zum Quadrat.
Gut und schön, wenn das die Lösung ist, dann ist sie es eben. Aber was kann man damit anfangen? Wie nützt es dem Protagonisten? Welche Schlussfolgerungen müssen gezogen werden? Wie treibt es die Geschichte voran?
Wenn der Held nun den Zettel in die Hosentasche steckt und zu frieden nach Hause geht, dann ist das für den Leser sicher nicht sehr erfüllend. Also sollte als nächstes irgendetwas mit dieser Lösung „gemacht“ werden. Zumindest aber kannst du dem Leser etwas in Aussicht stellen, das vielleicht passieren könnte und hättest damit wieder eine neue Spannungssituation geschaffen, die bald gelüftet werden darf.
Falls es das letzte Geheimnis ist, das in dieser Geschichte aufgedeckt werden soll, oder sich einfach kein Neues daraus ergibt, dann solltest du zu allermindest deutlich machen, was diese Lösung für den Charakter bedeutet. Zeig dem Leser, was die Erkenntnis für Auswirkungen hat.
Fazit
Eigentlich ist es gar nicht so schwer, Geheimnisse aufzulösen, mach dir einfach bewusst, dass der Zeitpunkt gekommen ist und zeig dem Leser, dass es sich gelohnt hat, der Lösung entgegenzufiebern.
Diskussion
Wie deckst du die Geheimnisse auf, die du in deine Geschichten einbaust? Hast du überhaupt schon einmal welche aufgelöst? Auf was für Stolpersteine bist du dabei gestoßen? Wie hast du sie überwunden?
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