Hast du schonmal versucht Hinweise in deiner Geschichte zu verstecken? Das ist gar nicht so leicht, wie es vielleicht scheint.
Im Film
In einem Film kannst du einen Hinweis einfach im Hintergrund platzieren, dann setzt du davor eine imposante Handlung in Szene und schon sind die Chancen gut, dass nur die ganz aufmerksamen Zuschauer den Fingerzeig entdecken (ist dir schon das Pizza-Auto in den Pixarfilmen aufgefallen?). Trotzdem fällt es am Ende allen wie Schuppen von den Augen „Mensch! Das hätte ich aber ahnen können!“
Unerwünschter Wissensvorsprung
Im Gegensatz dazu hängt dein Leser an jedem Wort, das du schreibst. Wenn da irgendwo ein Schlüssel liegt, dann wird er ihn sehen, und weil er ja eben ein Leser und kein Charakter in deinem Buch ist, kann er sich denken: „Na, wenn der Schlüssel schon erwähnt werden muss, dann hat er sicher eine Bedeutung.“
Und schon hat er ein Indiz, das dem Protagonisten nicht zur Verfügung steht (dass der Schlüssel in der Tat wichtig ist) und der ihm eventuell die ganze Geschichte verdirbt.
Scheinlösung
Diese Erkenntnis hat zu der Unart geführt, dass einige Autoren ihren Lesern nicht mehr alles zeigen. Mein liebstes Beispiel ist ein Krimi, den ich irgendwann mal gelesen habe. Ich hab extra supergut aufgepasst, wollte unbedingt den Mörder vor dem Detektiv entlarven und hatte auch schon den ein oder anderen Verdächtigen.
In der letzten Szene saßen dann alle möglichen Täter um einen Tisch herum und der Detektiv ging einen nach dem Anderen durch, um zu erklären, warum derjenige die Tat nicht begangen haben konnte. Um es kurz zu machen, meine Verdächtigen schieden sehr schnell aus, bis nur noch einer übrig war, der aber weder Motiv noch Möglichkeit gehabt hätte (nach meinen Informationen).
Ich war also schon ziemlich enttäuscht, als der Detektiv plötzlich besagten Schlüssel (es war tatsächlich Einer) aus der Jackentasche zog, den er (angeblich), irgendwann in Kapitel zwei, unter einem bestimmten Bett gefunden hätte. Ich habe extra zurück geblättert, im zweiten Kapitel wurde davon nichts erwähnt, dieser Augenblick war das erste Mal, dass ich überhaupt etwas von diesem Schlüssel oder seiner Existenz erfahren habe.
Ja, klar, plötzlich gab alles Sinn. Aber ich hab mich grün und blau geärgert, weil ich mir die ganze Zeit so viel Mühe beim Aufpassen gegeben habe und ich am Ende den Mörder gar nicht herausfinden konnte, weil ich nicht alle Indizien hatte.
Den Leser fair behandeln
Ich halte das für einfach nur ätzend. Wenn ich jemandem etwas zum Lesen gebe, dann möchte ich, dass er mir vertraut und das kann er nur, wenn ich ihm auch wirklich alles sage, was er wissen muss. Nur dann kann er sich wirklich in die Geschichte fallen lassen und mitfiebern.
Ich will ihm nicht den Spaß verderben
Natürlich ist es leicht, mit zu vielen Hinweisen – egal ob Krimi oder nicht – den Lesespaß zu verderben. Aber das muss gar nicht notwendigerweise passieren. Du musst eben nur bessere Möglichkeiten finden, solche Hinweise zu verstecken. Und genau dafür möchte ich dir hier drei Möglichkeiten aufzeigen.
1. In der Menge untergehen
Am besten übersieht man etwas, wenn man es direkt vor der Nase hat.
Die Masse versteckt das Individuum
Wenn du dich besonders gut verstecken möchtest, dann tust du das am besten in einer Menschenmenge. Nicht umsonst lehren uns unsere Eltern, dass wir sie an der Hand halten müssen, wenn wir über große Plätze mit vielen Menschen gehen. Man verliert sich einfach viel zu leicht.
Stell dir vor, du stehst alleine auf dem Petersplatz. Es dauert keine volle Sekunde dich zu entdecken. Befindest du dich aber auf demselben Platz unter den 5.000 Teilnehmern einer Messe, wirst du wahrscheinlich nicht einmal dann gefunden, wenn du gefunden werden willst.
Natürlich musst du auch dein Verhalten anpassen. Unter Hunderten von Marathonläufern fällt der Mann im Anzug auf oder derjenige, der stehen bleibt. Wer in der Warteschlange tanzt oder in einer dicht gedrängten Menge versucht zu rennen ist genauso wenig versteckt wie ein Elefant in einer Schafherde.
Ablenkung schaffen
Wie also kannst du Hinweise „in der Menge“ verstecken. Ganz einfach du musst falsche Fährten legen.
Versteh mich nicht falsch, wenn du deinen Leser ständig an der Nase herumführst, gewinnt dadurch niemand etwas. Aber wenn dein Charakter ganz genau einmal einen Schlüssel findet, dann wird dem Leser klar sein, dass der Schlüssel etwas Besonderes ist. Wenn dein Charakter aber ständig irgendwelchen Müll aufsammelt (Coladosen, Reisverschlüsse, Dosenöffner, Scheren, …), dann wird es nicht weiter auffallen, wenn irgendwann einmal ein rostiger Schlüssel darunter ist.
Es geht nicht darum, deine Geschichte mit Nichtigkeiten zu füllen. Die „Menge“ die du einführst (in diesem Fall gesammelte Gegenstände) müssen zu den Charakteren und zur Geschichte an sich passen. Wenn dein Protagonist ein Penner ist, kann er ruhig ein Müllsammler sein, handelt es sich aber um einen Bankangestellten musst du ihm den Schlüssel irgendwie anders unterschieben. Vielleicht ist er der Verwalter der Fundstelle (selbst wenn sie nur aus einem blauen Plastikkasten besteht, der auf seinem Schreibtisch steht) oder die Bank veranstaltete ein Gewinnspiel, wobei die Lose aussehen wie Schlüssel und er bewahrt sie auf. Die Möglichkeiten sind endlos und deine Fantasie ist ihr Himmel.
Fazit:
Schaffe eine „Menge„, in der dein Hinweis verschwindet und nicht als solcher erkannt werden kann. Achte darauf, dass diese „Menge“ relevant für die Geschichte ist und nicht als nerviges Beiwerk empfunden wird.
2. Nebensächlichkeiten
Eine weitere Möglichkeit ist es, den Hinweis als unwichtig zu tarnen.
Während etwas anderes passiert oder gezeigt wird
So könntest du zum Beispiel alles aufzählen, was sich auf dem Schreibtisch deines Helden befindet (Bleistifte, ein Kalender, Radiergummi, Schere, Schlüssel, Taschenlampe, Notizzettel, …). Eine bloße Aufzählung ist natürlich pure Langeweile, aber du könntest es als Mittel tarnen, mit dem du zeigst, wie unordentlich dein Charakter doch ist. In Wirklichkeit ist die Sequenz aber nicht in erster Linie dazu da, seine Unordentlichkeit zu zeigen, sondern nur um den Schlüssel zu verstecken.
Im Endeffekt ist es wie beim Film, du hast eine kleine, wichtige Information und lässt sie in einer viel wichtiger erscheinenden Vordergrundhandlung untergehen.
Normal < ungewöhnlich < ganz seltsam
Vielleicht hast du schon einmal bei einem IQ-Test mitgemacht, da gibt es meistens ein paar Fragen nach dem Motto:
1. Welches der Worte gehört nicht in die Gruppe?
Hering, Delphin, Wal
Lösung: Hering (kein Säugetier)
Die Lösung hierzu ist eindeutig, der Hering ist nicht besonders gut versteckt, denn alles sind Wassertiere und alle außer ihm sind Säuger. Um ihn besser zu verstecken, musst du mehr als eine Lösungsart anbieten:
2. Welches der Worte gehört nicht in die Gruppe?
Hering, Delphin, Wal, Bär
Lösung: Hering (kein Säugetier) oder Bär (kein Wassertier)
Hier gibt es zwei legitime Antworten, einmal den Hering – weil er kein Säuger ist – und einmal den Bären – weil er nicht im Wasser lebt. Welches die „richtige“ Lösung ist, kann noch nicht herausgefunden werden, der Bär sticht definitiv mehr heraus und wird deshalb wesentlich eher in Erinnerung bleiben, als der relativ gut versteckte Hering.
Dieselbe Methode hab ich auch bei der kurzen Schreibtischaufzählung eben verwendet: Bleistifte, ein Kalender, Radiergummi, Schere, Schlüssel, Taschenlampe, Notizzettel, … da stellt sich dann die Frage: „Taschenlampe? Was macht denn eine Taschenlampe da?“ und schon ist der Schlüssel vergessen, schließlich hat jeder einen Schlüssel – vielleicht sogar auf dem Schreibtisch, Taschenlampen sind da schon seltener.
Fazit:
Schaffe eine Vordergrundhandlung und lass den eigentlichen Hinweis als Nebensächlichkeit verschwinden. Je wichtiger die Haupthandlung zu sein scheint, desto mehr tritt der eigentliche Hinweis in den Hintergrund.
3. Alltäglichkeiten
Wenn etwas immer wieder passiert, dann muss es wohl normal sein.
Im grauen Alltag verschwinden
Es gibt Dinge, Kleinigkeiten, die dir in deinem Leben passieren, die dir überhaupt gar nicht auffallen. Du siehst eine Plastiktüte am Straßenrand, einen verlorenen Handschuh oder sogar einen verrosteten Kinderwagen. Oma Bauer geht über die Straße und zieht einen schwarzen Plastiksack hinter sich her. Es gibt viele Dinge, die von außen betrachtet äußerst merkwürdig erscheinen. Aber weil du weißt, dass Oma Bauer da nur den Inhalt ihres Katzenklos transportiert, würdest du niemals auf die Idee kommen, dass da etwas Merkwürdiges geschieht.
In einer Geschichte ist das anders. Wenn dein Protagonist völlig unkommentiert eine Oma sieht, die einen schwarzen Plastiksack hinter sich her zieht (weil sie ihn einfach nicht gehoben kriegt), dann wird dein Leser – vor allem in einem Krimi – misstrauisch werden. Wenn so etwas ein Hinweis sein soll und du ihn verstecken möchtest, dann musst du deinem Leser erst plausibel machen, dass es etwas alltägliches ist.
Fakten schaffen
Am einfachsten ist es, wenn du es ihm sagst. Füttere ihn am besten gleich auch noch mit den Gedanken deines Protagonisten.
Wie jeden Donnerstag zerrte die kleine Frau Bauer einen schwarzen Plastiksack über die Straße.
Warum sie ihren Enkel nicht bitten kann, das Katzenklo zu leeren, ist mir unbegreiflich.
Schon ist es etwas, das dauernd passiert, nicht bemerkenswert. Oder kombiniert mit anderen bereits aufgeführten Punkten:
Tanja stolperte. Sie fluchte. Ein paar Schuhe standen im Flur. Konnte dieser blöde Herr Gruber seine Schuhe nicht in einen Schuhschrank stellen, wie jeder normale Mensch? Tausend Mal hatte sie ihn schon gebeten. Dieser …
Das beinhaltet zusätzlich eine Charakterbeschreibung des Protagonisten sowie von Herr Gruber, führt eine Alltäglichkeit ein und gibt (vielleicht) einen Hinweis.
Wiederholung
Noch Subtiler ist allerdings die Wiederholung (wenn du es nicht übertreibst). Also, dein Leser sieht, wie etwas im ersten Kapitel geschieht, wie es im vierten, fünften und siebten Kapitel passiert. Vor allem, wenn der Protagonist es jedes Mal mit derselben Reaktion abtut (es sei denn er entwickelt sich), ist eine Alltäglichkeit geschaffen.
Natürlich muss die Beschreibung nicht jedes Mal gleich ausführlich sein, es wäre sogar gut, wenn sie jedes Mal auch einen neuen Aspekt dieser „Alltäglichkeit“ offenbart, aber dadurch, dass es eben immer wieder geschieht, kann es als normal und „unwichtig“ abgehakt werden.
Fazit
Je alltäglicher etwas wirkt, desto eher wird es als Hinweis übersehen.
Diskussion
Wie versteckst du Hinweise? Aus Leserperspektive: Was findest du blöd oder offensichtlich und was ist subtil und gefällt?
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