Manche Schreibblockaden sitzen tief, trotzdem gibt es Menschen, die sie überwinden. Ein Gastbeitrag von David Trojer zeigt, wie du alleine durch die Macht deiner Gedanken deinen Zustand verändern kannst.
Hey – Erstmal ein Dankeschön an die Herrin des Hauses für ihren Blog und dafür, dass ich diesen Beitrag hier veröffentlichen kann. Jacky, ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass du mir das Schreiben beigebracht hast.
Psychologie. Klickt mich nicht weg, ich weiß, das Wort hat einen unangenehmen Beigeschmack. Klingt nach Tränen, Pillen und Kindheitstraumata. Aber das Arbeitsfeld eines Psychologen geht weit darüber hinaus.
Wenn du das liest, nehme ich an, dass du schreibst. Und da du das tust, kennst du den zermürbenden Kram, mit dem jeder von uns früher oder später konfrontiert wird: Schreibblockade, Faulheit, Unlust; kurz gesagt alles, was uns am Schreiben hindert.
Die gute Nachricht: Es gibt Tricks, mit denen man da Abhilfe schaffen kann Einen davon möchte ich hier vorstellen. Gedanken und Gefühle lösen die Probleme aus, die man als Schriftsteller hat, das ist ein alter Hut. Ich stelle eine andere Art vor, sie zu verstehen und zu verändern.
Innere Bilder
Das Angenehme an der Arbeit mit Motivationsproblemen: Selbst der faulste Mensch der Welt hat Erfolgserlebnisse. Jeder hat schon mal einen Text zu Papier gebracht. Und wenn’s nur ein Schulaufsatz war.
Damit ist eigentlich alles bewiesen. Du kannst es. Wenn du es schaffst, eine kleine Geschichte fertig zu stellen, schaffst du es auch, einen Roman zu Ende zu schreiben – der einzige Unterschied ist die Anzahl der Wörter. (Vorausgesetzt, du hast deine Hausaufgaben gemacht und dich mit Planung, Plot, Strukturierung und deinen Charakteren auseinandergesetzt.)
Soviel zur Theorie. In der Praxis sieht das anders aus. Wir gehen an einen Roman anders heran als an einen Schulaufsatz. Wir haben eine andere Einstellung. Und die sieht meistens so aus: Oh Gott, oh Gott, ein Roman, das ist die Königsdisziplin, der muss gut werden, aber das ist so schwierig … Blendet man das aus, fallen all die Ängste (und es sind fast immer Ängste, die uns am Schreiben hindern) weg.
Im Prinzip ist es ganz leicht: Sag dir, dass dein Roman im Grunde nur eine lange Geschichte ist. So eine, wie du sie schon oft geschrieben hast.
Das hast du sicher schon probiert. Und meistens klappt es nicht. Das erklärt vielleicht, warum ein Großteil der Bevölkerung für „positives Denken“ nur ein müdes Lächeln übrig hat.
Der Grund dafür, dass das nicht funktioniert, ist der Folgende: Gedanken bestehen nicht nur aus Worten, sondern auch aus Bildern.
Romeo denkt nicht nur daran, wie sehr er Julia liebt, sondern stellt sich gleichzeitig auch vor, wie sie am Balkon steht und ihn anlächelt. Was er auch sieht, die Botschaft ist immer: Julia ist toll und wundervoll und überhaupt die Beste und Schönste auf dieser Welt.
Klingt simpel. Ist es auch. Nur neigen Menschen dazu, diese Tatsache nicht zu beachten. Sie beten ihr Mantra vor sich hin (Es ist nicht schwer, es ist nicht schwer, es ist nicht schwer.) und stellen sich dabei vor, wie sie vor dem Computer sitzen, während ihnen der Schweiß von der Stirn rinnt und die Finger quälend langsam über die Tasten gleiten. Und dann fällt ihnen plötzlich ein Grund ein, um sich vor der Arbeit zu drücken.
Das ist so, als würde Romeo denken: „Julia, ich liebe dich, du bist wunderschön.“ und das Bild nicht aus dem Kopf bekommen, wie sie vor einem Jahr aussah, als sie noch überall Pickel hatte und sich dann wundern, warum er keine Lust mehr hat, Gift für sie zu nehmen.
Gott spielen
Die logische Schlussfolgerung ist – du hast es sicher schon erraten – diesen Bilderfluss, der einen ständig begleitet, zu verändern. Und das geht. Es klingt schwierig, weil wir uns dieser Bilder nicht immer bewusst sind, aber es ist möglich.
Fangen wir mit einer Erinnerung an. Wann warst du das letzte Mal im Schwimmbad? (Wenn dir das nicht passt, verwende etwas anderes. Was du siehst, ist egal. Hauptsache, die Erinnerung ist deutlich.) Ruf dir das Bild so klar wie möglich vor Augen. Spür` den frischen Wind und die Wassertropfen auf deiner Haut, denk an grünes Grass und die Sommersonne.
Hast du’s? Wenn nicht, ist das kein Problem. Für manche Menschen ist’s nicht leicht. Das kann man trainieren. Deine Vorstellungskraft ist wie ein Muskel. Bleib am Ball.
Im Schwimmbad: Wenn du alles scharf vor dir hast, versuch dir vorzustellen, etwas wäre anders gewesen. Hast du das letzte Mal eine alte Freundin (nennen wir sie Zoe) begleitet? Gut. Radiere sie aus und stell dir vor, du wärst mit deinem Bruder dagewesen. Siehst du ihn schon auf dem Sprungturm?
Das geht erstaunlich leicht, nicht? Natürlich weißt du, dass du mit Zoe da warst, aber du kannst so tun, als wärst du mit deinem Bruder dagewesen – du kannst die Bilder verändern.
Lass deine Erinnerung jetzt schwarzweiß werden: Das Gras, den Himmel, dich selbst, das nervige Kind, das dich mit seiner Wasserpistole bespritzt. Du kannst das. In deiner Fantasie bist du Gott.
Mach das Bild heller oder dunkler. Du wirst feststellen, dass du das Bild auch größer oder kleiner machen kannst, ihm einen Rahmen geben kannst, es von dir wegschieben kannst, etc., etc.
Submodalitäten
Okay. Jeder Gedanke wird von einem Bild begleitet, und diese Bilder haben einerseits einen Inhalt (Das Schwimmbad, Zoe, das Wasser, die Sonne), andererseits auch gewisse Eigenschaften, die angeben, wie du dieses Bild siehst. (Helligkeit, Größe, Schärfe, oft auch Gefühle wie Wärme …)
Diese Eigenschaften nennt man Submodalitäten.
Durch sie sortiert dein Gehirn deine Erinnerungen und Gedanken. An ihnen erkennt es, ob etwas für dich wichtig ist, ob du daran glaubst und was dir etwas bedeutet: Für viele Menschen sind beispielsweise schöne Erinnerungen sehr groß und hell, traurige dunkel und weit entfernt. Je nach dem, wie wir uns ein Bild vorstellen, hat es eine andere Bedeutung für uns.
Hier eine Liste der visuellen Submodalitäten. Fühlt dich frei, damit zu experimentieren.
- Helligkeit
- Farbigkeit – Sind die Farben intensiv? Überwiegt eine Farbe? Ist das Bild ganz in Schwarzweiß?
- Kontrast
- Schärfe
- Fokus – Sind Einzelheiten hervorgehoben?
- Proportionen – Sind Dinge/Körperteile/Personen größer oder kleiner als sie sein sollten?
- Größe
- Entfernung
- Form – Ist das Bild rund? Eckig? Quadratisch?
- Begrenzung – Hat das Bild einen Rahmen, sind die Ränder verschwommen oder glatt?
- Ausrichtung – Ist das Bild geneigt oder gekippt?
- Dimension – Ist das Bild flach oder dreidimensional?
- Position – Wo in deinem Gesichtsfeld siehst du das Bild? ( Rechts oben, links unten, in der Mitte – oder sogar hinter dir? )
- Bewegung – Ist es ein Standbild? Bewegt es sich? Ist es ein Film?
- Anzahl – Ist es ein Bild oder sind es mehrere?
- Identifikation – Siehst du das Bild so, wie du’s damals gesehen hast (also mit deinen eigenen Augen), oder ziehst du alles z.B. aus Vogelperspektive? Kannst du dich selber sehen?
Übungsanweisungen
Es geht also darum, genau zu wissen, was in dir vorgeht, was du denkst, fühlst und siehst. Dabei hatte ich am Anfang große Probleme: Ich hab’s nicht geschafft, bei der Sache zu bleiben. Dafür braucht man viel Konzentration, wenn man keine Hilfsmittel verwendet. Mehrere Kniffe können Abhilfe schaffen.
Am leichtesten ist es, sich von einem Partner Fragen stellen zu lassen. (Wovor hast du eigentlich Angst? Was siehst du, wenn du daran denkst? Ist das Bild hell?) und sie ihm zu beantworten. Das ist effektiv und kann Spaß machen. Aber es ist schwierig, Leute dafür zu finden. – Paul hält das ganze für Unsinn, deine Schwester ist im Ausland und Tante Ute tut nichts lieber, als andere zu blamieren.
Falls dir niemand einfällt, schreib auf oder zeichne, was in dir vorgeht. Beschreibe das Bild und notiere stichpunktartig die Submodalitäten. (Groß, hell, viele Grüntöne, Standbild …)
Übrigens werd‘ ich versuchen, überall Beispiele anzuführen. Lass dich von denen nicht ablenken – wichtig ist, dass du deine eigenen Bilder findest.
Jedes Mal, wenn wir uns an etwas erinnern, wird diese Erinnerung neu gespeichert. (Deshalb beginnen gute Lügner oft, an ihre eigenen Lügen zu glauben.) Für uns bedeutet das, dass die Bilder, die wir verändern, auch verändert sein werden, wenn sie das nächste Mal auftauchen. So kannst du dauerhaft bestimmen, welche Bedeutung ein Gedanke, eine Erinnerung oder eine Vorstellung für dich hat. Deshalb reicht es meistens, eine Übung einmal durchzuführen. Wenn du merkst, dass die Wirkung nachlässt, wiederhole sie einfach.
Motivation – ein Selbstversuch
Wir erledigen die meisten Dinge, die wir uns vorgenommen haben, nicht. Du kennst das: Du würdest gerne dein Buch zu Ende bringen, aber tausend Ablenkungen sind verlockender als dein Computer: Der Fernseher, das Bier im Kühlschrank und / oder die Yogamatte … Am Ende hast du den freien Abend vertrödelt. Mal wieder.
Du willst heute noch zehn Seiten schreiben, aber das Bild, das dabei entsteht, wird in deinem Kopf in der Kategorie ‚unwichtiger Gedanke‘ abgespeichert – gleich neben „Schwiegertante Ute zum Geburtstag gratulieren“, „den Müll raus bringen“ und „mein Testament schreiben“. Um damit klar zu kommen, ändern wir den Gedanken: „Heute noch zehn Seiten schreiben“, so, das er das Wichtigste ist, was durch deinen Kopf geistert.
1. Finde heraus, was dich motiviert
Denk an etwas, das du unbedingt haben willst.
Machst du Überstunden, um einen Urlaub bezahlen zu können? Denk an den Urlaub. Wenn du studierst und jeden Tag lernst, um eine gute Note zu bekommen, denk an die Eins, die bald unter deinem Test stehen wird. Du hast etwas? Klasse.
Achte darauf, welche Bilder vor deinem Inneren Auge vorbeiziehen. Siehst du den Strand und die Palmen? Perfekt. Sollte gar nichts kommen benütz‘ deine Phantasie. Erfinde ein Bild, dass dein Ziel darstellt.
Wenn du es vor dir siehst, untersuche es auf die Submodalitäten: Ist es hell? Ist es dunkel? Hörst du das Meer rauschen? Die Liste kann dir da helfen.
2. Finde heraus, was dich in Zukunft motivieren soll
Denk daran, wie’s sein wird, wenn dein Buch fertig ist. Stell dir vor, wie dein Buch im Regal steht, wie du die positive Rückmeldung vom Verlag bekommst – irgendetwas. Was du siehst ist egal, nimm am Besten, das erste, das dir einfällt.
Untersuche das Bild auf die Submodalitäten.
3. Veränderung
Okay. Du hast jetzt die beiden Bilder, und du kennst ihre Submodalitäten. Die werden sich unterscheiden: Vielleicht ist eins farbig, das andere schwarzweiß, eins dunkel und eins hell. Die Unterschiede können natürlich auch kleiner sein, aber du wirst sie bemerken.
Das ist nur logisch. Das erste Bild (das vom Urlaub, für den du Überstunden machst) motiviert dich. Das Zweite (das von deinem Buch) tut das nicht. Dein Unbewusstes hält es also für ‚unerreichbar‘ vielleicht auch für ‚unwichtig‘ oder ’nicht lohnend‘.
Das führt uns zum letzten Schritt:
Nimm das zweite Bild (das von deinem Buch) und gib ihm in deiner Phantasie die Eigenschaften, die das erste, (das vom Strand) hat. So wird die Art, wie deine Psyche mit dem Bild umgeht verändert – und das war’s auch schon. Viel Spaß beim Schreiben.
Schreibblockaden lösen – ein Selbstversuch
Aber was, wenn das nicht unser Problem ist? Viele Leute wollen schreiben und wissen auch, was sie schreiben wollen, können aber nicht.
Das erste, was du tun musst, wenn du deine Schreibblockade loswerden willst, ist: Dir klar werden, warum du nichts zu Papier bringst. Das ist ein Schritt, den du alleine tun musst. Meistens ist Angst der Grund. Angst, die Idee zu ruinieren. Angst, nicht bereit zu sein. Angst, nicht gut genug zu sein. Vor all diesen Dingen haben wir Angst, weil ein Teil von uns davon überzeugt ist.
Daran müssen wir arbeiten: An dieser Überzeugung. (Ich bin nicht gut genug) Die setzt dich unter Druck und blockiert dich. Also musst du diese Gedanken abschwächen und eine neue Überzeugung annehmen: Wenn du glaubst, dass du dich nur anstrengen musst, um dein Ziel zu erreichen – wenn du das wirklich glaubst -, gibt’s keine Schreibblockade mehr.
1. Das Übel finden
Was hindert dich am Schreiben? Wovor hast du Angst? Was hindert dich daran, dich zu konzentrieren? Achte auf deine Gedanken, während du versuchst, zu schreiben und sei ehrlich zu dir selbst, um das herauszufinden.
Wenn du weißt, wo das Problem liegt, stell dir eine Szene vor, in der deine Überzeugung stimmt. Angenommen, du befürchtest, dass du nie den Durchbruch schaffst und vergeblich arbeitest: Mal dir beispielsweise aus, wie du als 92-Jährige/r schon wieder von einem Verlag abgelehnt wirst.
Untersuche das Bild auf seine Submodalitäten.
2. Zweifel finden
Denk an etwas, an das du nicht glaubst, womit du nicht rechnest, woran du zweifelst. Bist du dir nicht sicher, ob es Aliens gibt (möglich wär’s ja, aber doch eher unwahrscheinlich)? Stell dir grüne Männchen vor und untersuche das Bild auf seine Submodalitäten.
3. Eine neue Überzeugung finden
Such einen Satz, an den du lieber glauben würdest. Der Klassiker wäre: „Ich bleibe am Ball und werde veröffentlicht.“
Dieser Satz sollte möglichst konkret sein, das Wort „Ich“ sollte am Satzanfang stehen und der Satz sollte positiv formuliert sein.
Such ein Bild, das deine neue Überzeugung für dich repräsentiert: Zum Beispiel wie du die positive Rückmeldung vom Verlag bekommst. Untersuche das Bild auf die Submodalitäten.
4. Veränderung
Ändere die Submodalitäten der alten, unpraktischen Überzeugung (‚Ich werde es nie schaffen‘ – du als alter Mann/alte Frau, der noch immer nichts veröffentlicht hat) so, dass sie denen des Zweifels (‚Ich weiß nicht, ob es Aliens gibt‘) entsprechen.
Ändere die Submodalitäten der neuen Überzeugung (‚Ich werde es schaffen‘) so, dass sie denen der alten, negativen (‚Ich habe keine Chance‘) entsprechen.
Jetzt erscheint dir dein Erfolg glaubwürdiger, während die Angst, die dich vorher am Schreiben gehindert hat in den Hintergrund tritt.
Etwas Literatur
Du weißt vermutlich schon, ob das, was ich dir hier gezeigt habe, dich genug interessiert, um dich weiter damit zu beschäftigen. Falls ja: Das war erst die Spitze des Eisbergs. Das sogenannte ‚Neurolinguistische Programmieren‘ (‚NLP‘ ist geläufiger und zumindest im Ansatz erträglich) ist so vielseitig wie die, die damit arbeiten. Was ich noch loswerden will: Diese Disziplin ist durchaus umstritten. Ihr wird oft Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen – damit wird aber auch die Psychologie als Ganzes immer wieder konfrontiert.
Für Einsteiger optimal, wenn auch etwas oberflächlich sind das „Übungsbuch NLP für Dummies“ (Praxisnah.) beziehungsweise „Neurolinguistisches Programmieren für Dummies“ (Eher theorielastig.). „Der Zauberlehrling“ / „Der große Zauberlehrling“ von Alexa Mohl ist umfangreicher, aber trockener und trotz des peinlichen Titels seriös, Sachbücher und ganz- und gar nicht esoterisch.
Das war’s von meiner Seite – ich wünsche dir viel Glück bei allem, was du noch anpackst
Diskussion
Hast du vorher schon einmal von NLP gehört? Was hältst davon? Haben die Übungen bei dir funktioniert? Welche Erfahrungen hast du dabei gemacht? Ist es dir eher leicht oder schwer gefallen?