Die treibende Kraft hinter einer Geschichte ist die Motivation der Charaktere. Dabei geht es nicht nur um den Protagonisten, sondern auch um „die anderen“. Jeder braucht einen Pfeil auf dem Kopf, der ihm sagt, in welche Richtung er laufen soll.
Manchmal ist „das Ding“, das die Charaktere motiviert, die Rettung der Welt. Manchmal ist es die Suche nach der großen Liebe und manchmal ist es einfach „nur“ ein MacGuffin. In diesem Artikel zeige ich dir, wie du einen MacGuffin in deinen eigenen Geschichten nutzen kannst, um deine Leser zu fesseln.
Ein MacGuffin ist das Benzin, das den Plot antreibt, die Charaktere in Bewegung setzt und das Publikum in seinen Bann zieht. Aber was bedeutet das genau und …
Woher kommt der Begriff MacGuffin?
Der Begriff wurde geprägt von Alfred Hitchcock , der in seinen Filmen gerne MacGuffins einsetzte. Er erklärte das Konzept des MacGuffins 1966 in einem Interview mit François Truffaut durch eine kleine Geschichte. Die sinngemäße Übersetzung lautet:
Der Glatzköpfige fragt: „Was ist das seltsame Paket im Gepäcknetz über Ihnen?“
Der Bärtige antwortet: „Das ist ein MacGuffin, ein Gerät zum Jagen von Löwen in den schottischen Highlands.“
Der Glatzköpfige Mann entgegnet: „In Schottland gibt es keine Löwen.“
Darauf sagt der Bärtige: „Nun, dann ist das wohl auch kein MacGuffin.“
Den letzten Satz (dass es dann wohl kein MacGuffin ist) finde ich persönlich ein bisschen verwirrend und vermute, dass es da vielleicht irgendwo in der Übersetzungskette ein Missverständnis gegeben hat. Hitchkock sprach kein Fanzösisch, Truffaut kein Englisch und hier gibt es nun die Deutsche Variante … aber trotzdem zeigt diese Geschichte den Punkt, den Hitchkock wahrscheinlich machen wollte:
Ein MacGuffin kann im Grunde alles sein, was die Handlung vorantreibt , selbst wenn „es“ völlig irrelevant oder absurd ist. Denn es geht bei einem MacGuffin nicht um den MacGuffin selbst, sondern um die Wirkung, die er auf die Charaktere und deren Handlung hat.
Für den Leser ist die wahre Natur des MacGuffins völlig unerheblich.
Was genau ist ein MacGuffin?
Die Theorie haben wir jetzt schon hinter uns, ich finde das immer noch ein bisschen schwer zu greifen, deshalb schauen wir uns ein paar Beispiele an, um das Konzept zu verdeutlichen.
1. Indiana Jones
Hier ist Indiana Jones auf der Suche nach dem Heiligen Gral. Die ganze Geschichte dreht sich einzig und allein um die Suche nach diesem Objekt. Allerdings ist es für den Leser eigentlich völlig irrelevant, was der Heilige Gral genau ist. Die Geschichte funktioniert allein durch die Tatsache, dass „Indi“ nach „dem Ding“ sucht.
Die Geschichte (und der MacGuffin) wird sogar noch besser und spannender, weil Indi nicht der einzige ist, der nach dem Gral sucht und seine Konkurrenten (mit finsteren Absichten) bereit sind, im wahrsten Sinne des Wortes, über Leichen zu gehen – obwohl es dabei auch um einen großen Diamanten oder den heiligen Toaster des Matschipsitu hätte gehen können.
2. Herr der Ringe
Bei dieser Geschichte geht es um die Reise von Frodo, der „den einen Ring“ in die Feuer von Mordor werfen soll. Dabei ist es völlig egal, dass der Ring ein Ring ist. Er könnte genauso gut eine Räuchersalami sein oder ein goldener Amboss (dann wäre er nur schwieriger zu transportieren).
Auch wie die Magie funktioniert, die den Ring mit Sauron verknüpft, bleibt bis zum Schluss ein Rätsel. Für Frodo und die Gefährten ist der Ring (und seine Vernichtung) trotzdem die treibende Kraft hinter der Geschichte und für Sauron ist der Ring „das Ding“, das er unbedingt braucht, um seinen Krieg zu gewinnen.
Ein perfekter MacGuffin.
3. Pulp Fiction
Hier spielt ein schlichter Koffer die Rolle des MacGuffins. Er muss gefunden werden und am Ende wird er sogar geöffnet. Trotzdem weiß der Zuschauer auch dann nicht, was sich im Koffer befindet, oder warum er so wichtig ist. Der Leser weiß nur, dass der Inhalt wichtig für die Charaktere in der Geschichte ist.
Und das ist auch das einzige, was für den Leser interessiert, denn durch den Koffer (MacGuffin) wird die gesamte Geschichte vorangetrieben.
MacGuffin Zusammengefasst
Der MacGuffin ist also das „geheimnisvolle Etwas“, das alle suchen, aber dessen wahre Macht in seiner Fähigkeit liegt, die Geschichte in Schwung zu halten.
Er ist ein Mittel zum Zweck, ein narrativer Katalysator. Er ist für die Charaktere wichtig und erzwingt Aktionen und Reaktionen. Für den Zuschauer ist „was er ist“ aber völlig irrelevant (Ich wiederhole mich).
Ein MacGuffin in der Praxis
Ein MacGuffin kann auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen umgesetzt werden. Deshalb gibt es keine echte Gebrauchsanleitung (dafür sind die Möglichkeiten zu vielfältig).
Allerdings gibt es einige Fragen, die im Zusammenhang mit MacGuffins immer wieder aufauchen und die möchte ich schnell benatworten:
Braucht jede Geschichte einen MacGuffin?
Nein. Es gibt Geschichten, die kommen ganz ohne einen MacGuffin aus. „I, Robot“ und „Forrest-Gump“ brauchen zum Beispiel kein „externes Ding“, um die Geschichte zum Laufen zu bringen, genauso wenig wie „It’s a wonderful life“. Hier reichen die Charaktere, ihre Motivation und Entwicklung völlig aus, um für eine runde und spannende Geschichte zu sorgen.
Wann brauchst du einen MacGuffin?
Die einfache Antwort lautet: Gar nicht. Du kannst eine Geschichte völlig ohne MacGuffin auf die Beine stellen und auch spannend gestalten.
Allerdings kann ein MacGuffin sehr nützlich sein, wenn :
- du schon weißt, wo die Geschichte spielen soll …
- du schon eine Ahnung hast, was passieren soll …
- der Charakter schon feststeht, also wer die Geschichte erleben soll …
… aber wenn du noch keine Ahnung hast warum was-auch-immer, wo-auch-immer wem-auch-immer passieren soll.
Sagen wir, deine Hauptfiguren haben keinen Grund, um ein U-Boot zu betreten, aber du möchtest unbedingt, dass dort deine Geschichte spiellt? Dann lass sie nach Atlantis suchen oder nach Riesenkalmaren forschen (aka: dein MacGuffin).
Du weißt schon, dass du von einem Road-Trip erzählen möchtest, hast aber keine Ahnung, warum deine Figuren auf die Reise gehen? Auch hier kann dir ein MacGuffin helfen. Setz ans Ziel der Fahrt einen großen Preis oder gib dem Hauptcharakter das Päckchen von Tante Ethel mit, das dringend Onkel Theodor überreicht werden muss.
In solchen Situationen bietet der MacGuffin dir endlose Möglichkeiten, um deine Geschichte spannend zu gestalten und deinen Figuren einen Leuchtturm vor die Nase zu setzen, der sie in eine bestimmte Richtung zieht.
Wie du einen MacGuffin effektiv einsetzt
Wie gesagt, dadurch dass der MacGuffin so unglaublich vielseitig ist, wird es schwierig, Tipps zu geben, wie er im Detail aussehen kann. Aber es gibt durchaus ein paar wichtige Dinge, die dein MacGuffin erfüllen sollte, damit er den maximalen Effekt hat.
1. Definiere die Bedeutung des MacGuffins
Der MacGuffin muss für deine Charaktere eine entscheidende Bedeutung haben und dem Leser muss diese Bedeutung klar sein . Das schaffst du am einfachsten, indem du die Konsequenzen beschreibst, die eintreten, wenn sie „das Ding“ nicht bekommen.
Am Beispiel: Frodo wirft den Ring nicht in die Feuer des Schicksalsberges? Dann zerstört Sauran Mittelerde. Diese Konsequenz ist von Anfang an sonnenklar und es ist sehr einfach nachzuvollziehen, warum die Gefährten das verhindern möchten. Das heißt die Bedeutung ist sofort ersichtlich.
2. Halte es geheimnisvoll:
Ein MacGuffin gewinnt an Anziehungskraft durch das Geheimnis, das ihn umgibt. Der Leser soll neugierig sein und mehr über den MacGuffin erfahren wollen, auch wenn ihm vielleicht bewusst ist, dass die Art des MacGuffins nicht wirklich wichtig ist.
Am Beispiel: Mich würde sehr interessieren, wie Saurons Ring eigentlich funktioniert. Welche Fähigkeiten hat er wirklich? Kann er Sauron tatsächlich zum Ringträger führen? Alles Fragen, die den Ring noch geheimnisvoller machen. Sie sind aber nicht wirklich relevant für die Geschichte und werden auch (soweit ich weiß) nie vollständig beantwortet.
3. Lass den MacGuffin „arbeiten“ (als Katalysator)
Der MacGuffin sollte Begegnungen forcieren, Konflikte erzeugen und die Charaktere auf ihrer Reise vorantreiben. Ein „wichtiges Ding“, das nur in einer Ecke liegt, ist kein MacGuffin. Vor allem dann nicht, wenn sich alle einig sind, was damit geschehen soll. Ganz anders sieht die Sache aus, wenn sich die Figuren eben nicht einig darüber sind, was sie mit „der Bombe“ anfangen sollen.
Ein MacGuffin muss der Funke sein, der die Handlung entzündet – oder er ist kein MacGuffin.
Am Beispiel: Der eine Ring bringt Hobbits, Menschen, Zwerge und Elfen zusammen, die sonst nie miteinander in Kontakt getreten wären. Fast alle wollen den Ring haben (bis auf Frodo). Und die Parteien haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was mit dem Ring zu geschehen hat. Das erzeugt Reibungen, Streitigkeiten und wird sogar lebensgefährlich. Nicht zu vergessen, es entsteht durch den Ring auch der ultimative Konflikt mit Sauron (und den Nazgul), der den Ring nutzen möchte, um Mittelerde zu beherrschen.
Ist ein MacGuffin etwas für dich?
Jetzt, wo du weißt, wie du den MacGuffin für dich einsetzen kannst, lass uns noch einen Blick darauf werfen, wieso ein MacGuffin überhaupt funktioniert und warum er für deine Geschichte eine gute Idee sein könnte.
Warum MacGuffins funktionieren
MacGuffins faszinieren nicht nur durch ihre Geheimnisse oder den materiellen Wert, den sie repräsentieren können. Ihre wahre Stärke liegt in ihrer Fähigkeit, die Charaktereigenschaften deiner Figuren hervorzuheben und dem Leser deutlich vor Augen zu führen.
1. Ein MacGuffin verkörpert Sehnsüchte, Ängste und Hoffnungen
Schon allein durch die Verfolgung eines MacGuffins offenbart ein Charakter einen großen Teil seiner Werte und Prinzipien. (Frodo will die Welt retten und das Auenland beschützen.)
Doch genau diese (scheinbar) offensichtliche Motivation, gibt den Figuren auch die Möglichkeit, an Tiefe zu gewinnen, wenn sich herausstellt, weshalb sie wirklich auf der Suche nach „dem Ding“ sind.
Will der Charakter den heiligen Gral nur, um ihn gleich wieder zu verkaufen? Will er damit die Welt verändern? Oder muss er das Leben seines Kindes retten?
So kannst du dem Leser im Verlauf der Geschichte, verschiedenen Schichten der Motivation offenbaren (wie bei den Schichten einer Zwiebel). Das erzeugt echte Empathie beim Leser und dadurch wird das Ende der Geschichte auch für ihn immer wichtiger (und ein bisschen unvorhersehbarer).
2. Mehr als „nur“ ein Schatz
Während viele klassische Beispiele für MacGuffins physische Objekte sind (wie Artefakte oder geheimnisvolle Koffer), kann ein MacGuffin auch ein Geheimnis sein, eine Idee darstellen oder ein abstraktes Konzept beinhalten.
Beispielsweise kann die Suche nach einer Antwort, nach Wahrheit, das Streben nach Macht oder sogar die Sehnsucht nach Rache als MacGuffin in einer Geschichte dienen (ob man sie dann zwangsweise immer noch als MacGuffin bezeichnen möchte, ist eher eine philosophische Frage, insbesondere, weil die Antwort an sich häufig wichtig ist). Diese immateriellen Ziele können genauso kraftvoll sein wie physische Objekte und geben oft noch tiefere Einblicke in die Figuren.
Außerdem bieten MacGuffins immer auch zahlreiche Möglichkeiten für die Charakterentwicklung.
3. MacGuffins und Charakterentwicklung
Ein gut konstruierter MacGuffin leistet mehr als nur die Handlung voranzutreiben; er ist auch wichtig für die Charakterentwicklung. Durch das Streben nach dem MacGuffin werden die Figuren gezwungen, an ihre Grenzen zu gehen und sie zu überschreiten, sich ihren Ängsten zu stellen und daran zu wachsen.
Vielleicht hat der Ring Frodo doch ein wenig verführt und es ist schwieriger ihn gehenzulassen, als gedacht?
Die Reise, die deine Figuren durchmachen, ihre Kämpfe, Siege und Niederlagen, verleihen der Geschichte ihr Herz und ihre Seele. Ein MacGuffin kann somit auch ein Katalysator für die Veränderungen sein, durch deine Figuren später in der Lage sind, „den Endgegner“ zu besiegen.
Grenzen des MacGuffins und potenzielle Fallstricke
So mächtig ein MacGuffin sein mag, er birgt auch gewisse Risiken. Ein schlecht umgesetzter MacGuffin kann unsinnig oder unlogisch wirken und das Publikum im schlimmsten Fall langweilen. Inbesondere dann, wenn er als bloßer Vorwand für die Handlung wahrgenommen wird, ohne tieferen Einfluss auf die Figuren oder die Geschichte.
Die Herausforderung besteht also darin, den MacGuffin nahtlos in die Handlung zu einzubinden, sodass seine Verfolgung nicht nur glaubwürdig wirkt, sondern für die Charaktere sogar zwingend notwendig scheint.
Auch wenn die Art des MacGuffins an sich nicht wichtig ist, müssen seine Konsequenzen sorgfältig durchdacht sein und einen Sinn ergeben. Nur so kann er tatsächlich für Spannung sorgen und den Leser in die Geschichte hineinsaugen..
Fazit
Der MacGuffin ist ein faszinierendes und vielseitiges Werkzeug im Arsenal eines jeden Geschichtenerzählers. Richtig eingesetzt, kann er Geschichten antreiben, Charaktere zum Leben erwecken und das Publikum in seinen Bann ziehen.
Jetzt du!
Hast du schonmal einen MacGuffin verwendet? Was ist das coolste und beste Beispiel für einen hervorragend umgesetzten MacGuffin, das du kennst? Kennst du einen MacGuffin, der gar nicht funktioniert hat? Möchtest du einen MacGuffin in deiner Geschichte benutzen?
PS: Ich würde mich riesig über deine Stimme freuen, bei der Wahl zum Schreibcoach des Jahres (klick), du findest mich unter „Jacqueline Vellguth“ 😉
Hartmut meint
Sehr cooler Artikel, danke Jacky. 🙂
Ein gutes Beispiel für einen MacGuffin, der nur als Anlass dient, nicht wirklich erklärt wird und die Handlung doch voran bringt findet sich im Film Mission Impossible 3.
Es geht um die sogenannte Hasenpfote. Ob es eine Waffe ist oder etwas anderes, weiß man nicht aber es ist ein Motivator für die Handelnden, so wie du es beschrieben hast.