Heute möchte ich eine Leserfrage von Charlie26 beantworten:
„Denkst du, dass man auch als Anfänger an zwei Projekten arbeiten kann, ohne „auf die Fresse zu fliegen„. Ich hoffe du verstehst das nicht falsch. Ich hab da nämlich noch eine Idee, die unbedingt raus will. Ich hab schon Angst, dass sie sich vielleicht irgendwann heimlich in die Erste mit einschleicht und da viel kaputt macht.“
Die Antwort ist ganz schlicht: nein. Ich denke nicht, dass zwei Projekte gleichzeitig zu schreiben eine gute Idee ist. Ich weiß ich habe mich dazu an früherer Stelle anders geäußert, dem möchte ich hiermit ausdrücklich widersprechen. Aber fangen wir von vorne an.
Multiple Ideen
Auch ich kenne das „Problem“ der Ideenflut nur zu gut, weil ich meistens mehr als nur eine Idee für eine Geschichte im Kopf habe. Mal kurz nachzählen, gerade im Augenblick sind es 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 … ich denke ungefähr sieben größere Ideen, die in meinem Kopf herumgeistern.
Einige davon sind natürlich ausgereifter als Andere. Idee Nummer 1 (Fantasy) schreibe ich gerade auf und Idee Nummer 2 (SciFi) ist definitiv so dringend und wichtig (obwohl noch sehr neu) dass sie auf jeden Fall mein nächstes Projekt sein wird. Der Rest wabert schon seit Längerem in meinem Unterbewusstsein herum und gibt sich damit zufrieden vorerst auch dort zu bleiben.
Aber was ist mit solchen Superideen?
In der Vergangenheit habe ich dazu geraten, bzw. erzählt, dass ich einfach zwei Projekte zur gleichen Zeit schreibe. Das hat zu dem Zeitpunkt auch immer gestimmt. Fakt ist aber auch, dass das nie lange gehalten hat. Meine Zweitprojekte sind immer wieder eingeschlafen. Manchmal erst nach ein paar Monaten, manchmal schon nach ein paar Tagen, aber gestorben sind sie Alle.
Wie kommt das?
Ein Projekt zieht immer den Kürzeren
Meiner Meinung nach liegt das daran, dass ein Projekt immer den Kürzeren zieht. Egal wie gut du bist, du kannst nun mal nicht mit der rechten Hand an der einen und mit der linken Hand an der anderen Geschichte schreiben (falls doch, schick mir eine Mail, ich schreib sofort einen Artikel über dich 8) ), das bedeutet, während du an der einen Idee schreibst, hat die Andere Pause und umgekehrt.
In jedem Schreibfluss passiert es aber, dass dir manche Stellen leichter fallen als Andere. Wenn du nur ein Projekt hast und auf so eine Stelle stößt, dann konzentrierst du dich darauf dieses Problem zu lösen und es wird dir früher oder später gelingen. Wenn du aber ein zweites Projekt hast, dann ist es natürlich viel leichter, auf das zweite Projekt auszuweichen und dort weiterzumachen.
Das kann den Vorteil haben, dass du dich ablenkst und dir eine Lösung kommt, eben weil du es nicht zu sehr versuchst. Aber in meinem Fall hat es immer so geendet, das ein Projekt komplett eingeschlafen ist.
Planlos
Mal ein Beispiel. Mein Fantasy-Projekt, an dem ich jetzt schon seit etwa einem Jahr (man wie die Zeit vergeht) dran bin, wollte ich eigentlich schon während des letzten NaNoWriMos beenden. Kurz zuvor hatte ich allerdings eine neue Wahnsinnsidee für ein Urban-Fantasy-Projekt. Also habe ich mir gedacht: „Hey, was soll’s mach ich zwei Projekte auf einmal. Das klappt schon.“
(Hat ja früher auch schon so toll geklappt -__-; )
Allerdings hatte ich bis zum NaNoWriMo keine Zeit mehr, um das Urban-Fantasy-Projekt zu plotten (böser Fehler) und auch generell gar keine richtige Lust darauf (ich wollte Freiheit *muahahaaa* – 😐 ). Also habe ich einfach angefangen zu schreiben.
Dadurch, dass ich so gar keinen Regeln unterlegen war, fluppte es zuerst nur so vor sich hin. Ich schrieb ein paar Szenen vom Anfang, einige von „Vorher“ einige von Mittendrin. Manche ließen sich verbinden und ich kann nicht bestreiten, dass es einen Heidenspaß gemacht hat.
Etwa 60.000 Wörter später saß ich da und es ging nichts mehr. Mein Fantasy-Projekt hatte in der Zwischenzeit fast völlig brachgelegen, ich hatte viele Verbindungspunkte zur Idee und zur Geschichte verloren, die Charaktere waren mir fast schon fremd und was das Urban-Fantasy-Projekt angeht … komplett ziel- und planlos ist wohl noch die netteste Beschreibung.
Ich will nicht sagen, dass die Idee schlecht ist. Von einigen Szenen denke ich immer noch, dass sie mir (für den ersten Entwurf) recht gut gelungen sind, aber Fakt ist:
1. Ich habe mir selbst an dem Urban Fantasy-Projekt die Lust verdorben, weil alles so unstrukturiert und durcheinander geworden ist.
2. Ich hätte fast den Anschluss an mein Fantasy-Projekt verloren.
3. Ich habe keiner meiner Geschichten damit etwas Gutes getan und mir selber ganz sicher auch nicht.
Anfänger und Fortgeschrittene
Ich will nicht bestreiten, dass es vielleicht ein paar Koryphäen da draußen gibt, die zwei Projekte zur gleichen Zeit handeln können (du bist eine/r von ihnen und hast schon beide Projekte beendet? Schreib einen Gastbeitrag darüber, wie du das geschafft hast), aber ich denke, egal ob Anfänger, Fortgeschrittener oder Profi, es ist schon eine verdammt riesige Aufgabe nur ein Projekt zu Ende zu bringen, du solltest es dir nicht noch unnötig schwer machen, indem du es mit zwei Projekten zur gleichen Zeit versuchst.
Was mache ich dann, wenn ich eine zweite Idee habe?
Wie oben schon erwähnt gibt es einige Ideen, die einfach warten können. Aber was ist mit den Anderen? Mit den richtig großen und tollen Superideen?
Ideen kombinieren
Du kannst versuchen deine Ideen absichtlich zu kombinieren. Dieser Tipp ist nur mit Vorsicht zu genießen, besonders wenn es sich um zwei große Superideen handelt. Zum Einen ist es nicht immer möglich (besonders wenn es sich um komplett unterschiedliche Genre/Zeiten handelt) und zum Zweiten kann es komplett in die Hose gehen.
Manche Ideen vertragen sich einfach nicht miteinander, können sich sogar gegenseitig neutralisieren.
Andererseits haben einige Superideen es an sich, dass sie zwar einen guten Rahmen bilden, aber eigentlich nicht ausreichen, um einen ganzen Roman zu schreiben. In so einem Fall kann eine zweite Superidee eventuell die Lücken füllen.
Aber: Ich empfehle diese Taktik explizit nur für Projekte, bei denen du noch nicht mit dem eigentlichen Schreiben angefangen hast. Denn wenn doch … sagen wir so, ich habe es einmal probiert und es ist komplett in die Hose gegangen, weil einfach plötzlich vorne und hinten nichts mehr gepasst hat (Falls es bei dir geklappt hat, steig in die Diskussion mit ein).
Notizen
Diesen Tipp habe ich schon einmal gegeben und möchte ihn hier ausdrücklich wiederholen und mit Nachdruck empfehlen. Ideen kommen wann sie wollen, sie fallen über dich her und sie kommen selten allein, sie bringen ihre Brüder, Schwestern, Cousins und die ganze Familie mit, um dich in die Ecke zu drängen. Du kannst dich kaum gegen sie wehren und das solltest du auch gar nicht. Deshalb nimm sie an, mach dir Notizen, so viele wie nötig. Schreib ganze Bücher mit Notizen voll wenn’s sein muss, das ist ganz egal, aber mach die Sache nicht bewusst zu einem aktiven Projekt.
Sobald eine Idee erst einmal ein aktives Projekt ist, braucht es aktiv Zeit und nimmt damit deinem eigentlichen Projekt aktiv Zeit weg. Ein richtiges Projekt ist wie ein Liebhaber, du musst dich täglich um ihn kümmern, damit er nicht beleidigt ist oder dich sogar sitzen lässt.
Eine Idee dagegen – etwas Zukünftiges – ist wie ein Vogel, eine Freundin, eine Muse, sie huscht gelegentlich vorbei, gibt dir einen Kuss auf die Wange und verschwindet wieder, bis du ihr zu verstehen gibst, dass es Zeit wird, aus der Sache etwas Ernstes zu machen.
Mein Zukunftsprojekt
Wie gesagt leide auch ich akut (schon wieder) unter diesem „Problem„. Ich habe eine supertolle Idee (SciFi) obwohl ich mit meinem aktuellen Projekt (Fantasy) noch nicht ganz durch den ersten Entwurf durch bin. Ich nähere mich beim Fantasy-Projekt zwar langsam dem Ende, aber die neue Idee ist so toll … na ja, du kennst das ja, sie will eben einfach raus.
Deshalb habe ich meinen eigenen Rat befolgt und mache mir Notizen. Ich benutze dazu „The Journal“ (eine wirklich tolle Tagebuchsoftware, über die ich hoffentlich bald auch mal eine Rezension schreibe), und schreibe wirklich wie in ein Tagebuch alle meine Ideenfetzen hinein, mit Kommentar, ob mir die Idee jetzt gefällt oder nicht, was mich noch stört etc.
Ob mir das hilft? Hier ein paar Fakten:
1. Das macht Spaß.
2. Ich bin sicher, dass ich nichts vergesse.
3. Es ist elektronisch und damit leicht durchsuchbar.
4. Ich hab mir ein Farb- und Überschriftenschema ausgedacht für bessere Übersichtlichkeit.
5. Mein Kopf ist frei für das eigentliche (Fantasy) Projekt.
Obwohl ich die erste Idee (SciFi) schon Anfang Januar hatte, läuft das mit den Notizen erst seit etwa Mitte Januar. Seit Anfang Februar sind die Notizen immer regelmäßiger geworden, weil ich von immer mehr Ideen (und ihren Cousins) bestürmt werde. Gelegentlich erlaube ich mir auch, über die SciFi Idee aktiv nachzudenken, aber immer nur als zukünftiges, niemals als aktuelles Projekt. Letztens bin ich sogar mitten in der Nacht aufgestanden und habe bis halb eins Ideen in den Laptop gehackt, aber eben nur als Anker für zukünftige Ideen.
Bisher funktioniert diese Art der Kombination super für mich. Das Fantasy-Projekt fluppt jetzt sogar fast noch besser als je zuvor.
Zugegebener Maßen hat das auch noch zwei andere Gründe: Erstens, dass ich gerade wieder in einen geplotteten Bereich eintrete und zweitens wird das, sicher nicht zuletzt, durch den aktuellen Schreibwerkstatt-Word-War begünstigt.
Projekte versehentlich verwirren
Um zum Schluss noch einmal auf den letzten Teil der Frage einzugehen:
„Ich hab schon Angst dass sie sich vielleicht irgendwann heimlich in die Erste mit einschleicht und da viel kaputt macht“
Ich denke nicht, dass jemand davor Angst haben muss. Ich weiß natürlich nicht sicher, ob es nur daran liegt, dass meine beiden aktuellen Ideen so grundverschieden sind. Aber bisher hatte ich eigentlich noch nie das Problem, dass sich Ideen oder Projekte versehentlich vermischt haben.
Ich bin fest davon überzeugt, wenn du deinem Unterbewusstsein genug Raum gibst (z.B. in Form von Notizen) um sich auszutoben und ihm so die Sicherheit gibst, dass seine Ideen nicht verloren gehen, dann wird es einen Teufel tun und seine genialen Ergüsse vermischen ^^
Kann ich Ideen dadurch nicht „verlieren“?
Verlieren ist hier in dem Sinne gemeint, dass sie dir nachher nicht mehr gut genug gefallen, um sie aufzuschreiben. Natürlich kann das passieren. Möglich ist alles. Aber ganz ehrlich, wenn deine Idee ein bisschen Warten nicht verkraftet, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du ein wirkliches Projekt aus dieser Idee auch nicht zu Ende gebracht hättest.
Fazit
Ich würde dir nicht empfehlen, zwei vollwertige Projekte zur selben Zeit anzugehen, egal ob du Anfänger oder Profi bist. Ich würde mich auf ein großes Projekt beschränken und alles andere über ordentliche und ausführliche Notizen auf die Warteliste setzen.
Im Endeffekt kann dir das nur zu Gute kommen, weil du, wenn du dich dann ans Plotten setzt, schon viel mehr Hintergrundwissen über deine Welt, deine Geschichte und deine Charaktere mitbringst, als du gehabt hättest, wenn du dich gleich hineingeworfen hättest.
Diskussion
Diesmal hab ich besonders häufig zu Antworten aufgerufen, weil es ein sehr persönliches Thema ist. Es hängt von dir ab, von deinen Projekten, von deinen Ideen, von deiner Persönlichkeit, deiner Disziplin, deshalb freue ich mich besonders über jede Art von Input von deiner Seite. Hier – wie immer – ein paar Fragen zur Anregung:
Hast du mehr als eine Superidee? Wie gehst du damit um? Hast du mehr als ein aktives Projekt? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Was würdest du anderen Schreibern mit mehreren Ideen empfehlen? Machst du Notizen? In welcher Form? Hast du schon einmal zwei Superideen miteinander kombiniert? Was ist dabei herausgekommen?