Wir Schriftsteller sind ja kreative Menschen und normalerweise ist das eine super Sache. Aber wenn du dir eine neue Gewohnheit zulegen möchtest (z.B. jeden Tag zu schreiben), dann kann genau diese Kreativität dazu führen, dass du ganz besonders kreative Ausreden findest und deshalb habe ich heute zwei Methoden für dich, die dir dabei helfen können, eine Gewohnheit zu bilden und dadurch mehr zu schreiben.
Das größte Problem bei einer neuen Gewohnheit?
Sie ist neu und ungewohnt. Und wenn du am Anfang noch denkst, dass es doch möglich sein muss, täglich 2.000 Wörter zu schreiben, weil das andere Schriftsteller ja auch machen, dann hast du wahrscheinlich recht. Aber wenn du dich dann hinsetzen sollst, um 2.000 Wörter zu schreiben, dann kann das sehr plötzlich unerreichbar scheinen.
Also macht sich deine Kreativität an die Arbeit und findet Ausreden.
„Das dauert zu lange, nachher kommen schließlich noch Freunde.“
„Heute bin ich zu erledigt, die Arbeit war so anstrengend — morgen wieder.“
„Das mit den 2.000 Wörtern war sowieso eine blöde Idee, ich schau lieber Netflix, um runterzukommen.“
Ich wette, deine Ausreden sind noch viel spannender 8) auf jeden Fall ist die Gewohnheit auch schon wieder abgeschafft, noch bevor du überhaupt richtig damit angefangen hast.
Deshalb kommen wir zum ersten Hilfsmittel:
Mikrogewohnheiten
Eine Mikrogewohnheit ist eine winzig kleine Schwester der eigentlichen Gewohnheit, die du etablieren möchtest.
- Du willst Zahnseide benutzen? Beginne mit einem Zahn.
- Du willst täglich joggen? Fang damit an, dir morgens, gleich nach dem Aufstehen, die Joggingschuhe anzuziehen (ja, nur anziehen).
- Du willst täglich schreiben? Fang mit 50 Wörtern pro Tag an.
Klingt erst mal nicht so richtig intuitiv. Aber …
Warum sind Mikrogewohnheiten super?
a) Weil sie dir die Hemmschwelle nehmen.
Wenn du 2.000 Wörter schreiben sollst, dann ist das „Woooaah! Niemals!“ Aber wenn du 50 Wörter schreiben sollst, dann ist das „Pfffz, einen Absatz schaff ich doch in zwei Minuten.“
b) Weil sie Regelmäßigkeit etablieren.
Selbst wenn du wirklich nur 50 Wörter am Tag schaffst, bist du in knapp drei Jahren mit deinem Buch fertig. Aber (!) — und das ist der eigentliche Gag — es ist viel leichter, weiter zu schreiben, wenn du einmal angefangen hast. Das kennst du doch auch, oder? Anfangen = schwer, aber wenn du einmal dran bist, fließt es plötzlich.
Das heißt, die Chancen stehen gut, dass du regelmäßig mehr schreiben wirst, als deine 50 Wörter. Und schon mit 200 Wörtern am Tag bist du in nicht mal einem Jahr mit deinem ersten Entwurf durch. (Und es geht noch schneller 😉 )
c) Weil du dich dabei gut fühlst!
Nach einem Erfolgserlebnis fühlst du dich super, so einfach ist das. Und wenn 50 Wörter das Ziel sind, dann ist es verdammt einfach sich gut zu fühlen. Besonders, wenn du auch noch mehr als die 50 Wörter geschrieben hast.
Und warum es wichtig ist, dass dein Ziel wirklich erreichbar bleibt, sagt dir der zweite Tipp, der dabei hilft, dich motiviert zu halten und schnell Gewohnheiten zu etablieren:
Gewohnheits-Ketten
Sagen wir, du hast gestern deine 50 Wörter geschrieben und heute auch. Voilà, du hast deine erste Kette gestartet und sie ist zwei Tage lang. Dein nächstes Ziel ist es, diese Kette nicht abreißen zu lassen. Das bedeutet, weiterhin jeden Tag 50 Wörter zu schreiben.
Zugegeben, wenn eine Kette reißt wieder von vorne anzufangen, kann schwierig sein, vor allem, wenn die Kette sehr lang war und es wirklich hart wird, den alten Rekord zu brechen. Aber (!) das ist genau der Grund, warum du um jeden Preis versuchen wirst, sie fortzusetzen und genau deshalb sind die Mikrogewohnheiten so wichtig.
Wenn du „nur 50 Wörter“ als Ziel hast, dann kannst du das an jedem noch so verrückten Tag einhalten und dann ist es fast schon schwer, die Kette zu brechen. Es sei denn (!) du setzt dich gar nicht erst hin. (Und genau dieses „gar nicht“ willst du ja durch deine Gewohnheiten vermeiden 😉 )
Aha! Und schon machen die Mikrogewohnheiten Sinn. Wenn du jetzt nämlich noch dazu nimmst, dass du — wenn du erst einmal angefangen hast und vielleicht sogar im Flow bist — ziemlich sicher mehr schreibst, als was du dir vorgenommen hast, erkennst du jetzt wahrscheinlich die Genialität dieser Kombination 8)
Der Beweis
Du weißt, ich fordere mich gerne selbst heraus und weil ich letzte Woche auf der Leipziger Buchmesse war, dachte ich, das wäre die perfekte Gelegenheit, um diese beiden Methoden auf die Probe zu stellen. Normalerweise schreibe ich auf Buchmessen nämlich nicht.
Ich stehe so schon meistens vor sechs Uhr auf und falle nach Mitternacht ins Bett. Neben Lesungen und Vorträgen und Treffen mit Kollegen, Bloggern und Lesern war mir das Schreiben bisher einfach zu viel. Aber zum Beweis dass 50-Wörter wirklich immer gehen, habe ich Versuchskaninchen gespielt.
Was soll ich sagen, am ersten Tag der Messe hätte ich es fast vergessen und glaub mir, um kurz vor Mitternacht hätte ich alles andere lieber gemacht, als noch einmal meinen Laptop aufzuklappen. Aber ich hab mich hingesetzt und los geschrieben. „Ein Absatz“, das sollte schließlich drin sein.
Und weißt du was? Es sind 200 Wörter geworden. Im Vergleich zu anderen Tagen ist das nicht besonders viel, aber ich hab mich am Ende toll gefühlt.
An den nächsten beiden Tagen hat dann der Ketten-Effekt eingesetzt, ich wollte sie unter keinen Umständen abreißen lassen und habe auch Samstag und Sonntag die 200 Wörter geknackt.
Wenn ich es also schaffe, trotz Buchmesse-Stress eine Mikro-Gewohnheiten-Kette durchzuhalten, dann schaffst du das auch an jedem anderen Tag des Jahres, oder?
Übrigens ist so eine Mikrogewohnheit kombiniert mit einer Kette auch die ultimative Vorbereitung für den NaNoWriMo. Denn im November musst du „nur noch“ das Wortziel erhöhen und kannst mal ausprobieren, wie es so ist, wenn du es höher setzt. Denn auch hohe (fast) unerreichbare Ziele können eine super Motivation sein 😉
Ich fordere dich heraus:
Setz dir ein tägliches Wortzahl-Ziel, das du wirklich jeden Tag erreichen kannst und starte deine Kette jetzt 🙂
Übrigens musst du natürlich nicht unbedingt „frische Wörter“ zählen. Mikrogewohnheiten und Ketten funktionieren genauso gut mit Zeithäppchen und „korrigierten Wörtern“ etc.
Du bist dran:
Wie lang ist deine Kette? Was ist deine Mikrogewohnheit? Hast du schonmal mit einem oder beidem gearbeitet? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Wie etablierst du neue Gewohnheiten?
Jurek meint
Hallo Jacky! Du hast 12 Bücher in 12 Monaten geschrieben, für meine Möglichkeiten ist es leider zu viel :). Aber seit Oktober schreibe ich eine oder zwei Kurzgeschichten pro Monat. Ich glaube, das ist eine sehr gute Vorübung zum Romanschreiben, auch wenn man beim Schreiben der Kurzgeschichten ein bisschen andere Regeln beachten muss. Außerdem macht es mir großen Spaß, in nur wenigen Tagen die ganze Geschichte niedergeschrieben zu haben. Dann kann ich endlich die Überarbeitungsphase genießen:). Herzliche Grüße aus Polen.
Jacky meint
Hi Jurek,
das klingt nach einem super Anfang ☺️
Viel Erfolg und Freude weiterhin
Ganz liebe Grüße
Jacky
Julia meint
Huhu Jacky!
Ein super Online-Tool zum Etablieren von Gewohnheiten ist Habitica:
https://habitica.com/
Das ist ein Gamify-Your-Life-RPG, das dich für Ketten belohnt und dich so viele Mikro- und Makrogewohnheiten anlegen lässt, wie du willst. Auch für Einmalerledigungen (To-Dos) praktisch und insgesamt sehr flexibel. Ich benutze das seit ein paar Wochen und es macht mega Spaß!
Sonniger Gruß
Julia
Jacky meint
Sieht auf jeden Fall interessant aus, wenn man dann nicht den ganzen Tag damit beschäftigt ist, statt zu schreiben
Julia meint
Hihi, nein, das geht – zumindest bei mir – recht flott. Kästchen mit Häkchen versehen und fertig ist die Kunst!
Coco meint
Hi Jacky!
Ich hab mir für diesen Urlaub vorgenommen, jeden Tag mindestens 1000 Wörter zu schreiben. Es hat sich herausgestellt, dass das für mich als Schreibanfänger und Langsam-Schreiber ziemlich viel ist. 😀
Ich habe in den letzten Wochen eine kleine Liste erstellt mit dem Datum und der jeweiligen Soll- und Ist-Gesamt-Wortzahl, wodurch ich insgesamt sehen konnte, wie ich denn stehe und nach einem Tag mit nur 500 Wörtern am nächsten Tag versucht habe 1500 Wörter zu schreiben, um das auszugleichen.
Mir fällt dabei vor allem immer der Anfang schwer und wenn ich mal die ersten 200 Wörter geschrieben habe, kamen auch plötzlich mal 2000 raus, an anderen Tagen wurden’s nur 500. Ich hab leider auch nicht jeden Tag geschrieben, bin aber trotzdem sehr zufrieden – immerhin habe ich diese Idee/Geschichte schon seit fast 8 Jahren im Kopf und bin endlich mit meinem Text über die erste Seite hinaus. 😀
Ich glaube aber, wenn ich jeden Tag immer nur 50 Wörter geschrieben hätte, hätte ich jetzt ein wesentlich geringeres Erfolgserlebnis, weil in Summe dann nur etwas über 1000 Wörter gehabt hätte und der Fortschritt so minimal wäre – so bin ich bei 16.000 und stolz auf das Ergebnis (obwohl ich auf 21000 gehofft hatte), was mich motiviert weiter zu machen. Ich denke, ich werde mir nach dem Urlaub angewöhnen am Wochenende einmal 700-1000 Wörter zu schreiben, weil ich damit eher das Gefühl habe, nicht nur halbherzig an die Sache ranzugehen, als mit nur 100 Wörtern am Tag – auch wenn letztendlich dasselbe dabei rauskommt. Und meine Liste mit dem Wunschfortschritt werde ich auf jeden Fall weiterführen, da diese mich motiviert mehr zu schreiben (um mir einen Puffer aufzubauen).
Schöne Grüße
Coco
Jacky meint
Hi Coco,
erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Fortschritt.
Und, du schreibst es ja selbst:
Gerade dafür sind die 50 Wörter da: Um das Anfangen so einfach wie möglich zu machen.
Dein Zitat ging noch weiter:
Das ist völlig in Ordnung, weil im Endeffekt nicht die Zahl der Wörter -an einem Tag- wichtig ist, sondern der Mittelwert. Der Mittelwert von 0 Wörtern am Tag ist aber immer Null, wogegen der Mittelwert von „mehr als 50 Wörtern“ offensichtlich immer wesentlich mehr ist (wenn man dein Beispiel nimmt: 1250).
Ich hab die 50 Wörter genommen, weil die wirklich immer gehen, selbst an einem Messetag oder Geburtstag oder wenn man krank ist. Sie ermöglichen es also, die „Macht der Kette“ zu benutzen, auch wenn es mal eng wird. Bei 1.000 Wörtern Minimalziel ist das schon echt schwer.
Und die 50 Wörter sind wirklich nur ein Minimalziel, in den aller aller seltensten Fällen höre ich dann wirklich auf.
Aber wenn für dich eine andere Wortzahl besser funktioniert, dann nimm die. Hauptsache, du bist motiviert und bleibst am Ball.
Ganz liebe Grüße und viel Erfolg mit deinem Projekt
Jacky
Anni meint
In den guten Zeiten 😉 und va. dann, wenn ich was Neues schreibe, nehme ich mir +10.000 Zeichen (!) pro Wochentag vor. Das klappt, wenns Routine wird.
Mitunter adaptiere ich auf weniger Zeichen/Tag.
Beim Überarbeiten: x Seiten oder Kapitel/Tag.
Steffi B. meint
Mikrogewohnheiten sind super. In Nicht-NaNo-Zeiten sind das bei mir meist Minimum 500 Wörter. Nach oben gibt’s natürlich keine Grenze. Manchmal nehme ich mir auch 1000 für eine Weile vor. Denn ich habe festgestellt, dass Gewohnheiten immer in Wellen kommen und gehen. Es kommen immer wieder Zeiten, wo nicht allzu viel vorwärts geht und dann wieder läuft es wie geschmiert. Deswegen sollte man sich keinen Kopf machen, wenn es einmal hakt. Bestimmt wird es bald besser gehen. Nur ganz durchhängen sollte man nicht.
Harriet Liesegang meint
Mikrogewohnheiten helfen mir auch weiter. Es vergeht auch kaum ein Tag, an dem ich mir nicht wenigstens einen Absatz vornehme, egal wie viele sonstige Termine anstehen. Und oft wird dann tatsächlich mehr daraus, weil ich mich immer stark in das jeweilige Thema vertiefe.
Jacky meint
Sehr cool!
Toller Ansatz (-: