Ich glaube ja gerne „das geht gar nicht„, aber eine alte Freundin von mir schreibt (fast) immer ohne Plot. Und es fluppt für sie!
Das musste ich mir einmal näher ansehen. Denn ich selber bin ja nun schon seit etlichen Jahren ein Plotter und komme (mangels Zeit) nicht wirklich voran. Denn das Problem beim Plotten ist, es kostet Zeit. Und leider nicht nur einfach mal eben zwei Minuten hier und da. Sondern man müsste sich richtig hinsetzen, mit Stift und Papier und die ganzen Handlungsstränge überdenken, verflechten und mit Hintergründen versehen.
Diese Zeit habe ich aber im Moment nicht. Und wenn ich sie habe, dann liege ich meistens im Bett, oder stehe neben einem Klettergerüst. In den allermeisten Fällen ist weder Stift, noch Papier noch sonst etwas in Sicht, das strukturiertes Denken möglich macht.
Meine Freundin meinte nun, sie hätte damit überhaupt keine Probleme. Tja, und deshalb hab ich sie gefragt, wie genau sie das so anstellt, um es selbst einmal auszuprobieren.
Wie fängst du an?
Bei mir läuft das ganz einfach. Ich schreibe überhaupt nicht.
Zumindest nicht, wenn mir nichts unter den Fingern brennt. Aber manchmal, dann ist da eine Idee, die muss einfach raus. Ganz wichtig ist, dass ich nicht nur eine Idee habe. Ich muss zumindest einen (besser zwei) Charakter haben, der mir gefällt, dazu ein Ende, also einen Punkt, auf den ich hinarbeiten kann und einen Starter.
Was genau meinst du damit?
1. Charakter
Ich brauche mindestens einen Charakter, den ich super finde. Meinen Protagonisten also. Er oder sie muss auf irgendeine Art interessant sein und vor allem muss ich sie sympathisch finden. Ich weiß, es gibt hin und wieder Leute, die lieber mit „Antihelden“ arbeiten. Aber das ist nichts für mich. Wenn ich den Charakter schon nicht leiden kann, dann liegt die Geschichte nur herum und vergammelt.
2. Ende
Ich muss das Ende kennen. Das heißt nicht, dass ich genau weiß, was in der letzten Szene vorkommt, nicht mal im letzten Kapitel. Das muss auch nicht bedeuten, dass ich vorher weiß „wer überlebt“ oder wie/ob das Hauptproblem gelöst wird. Es heißt einfach nur, dass ich eine „große Situation“ habe, auf die ich hinarbeite und die sich irgendwo am Ende befindet.
3. Starter
Das ist die Szene oder die Idee, die mir unter den Fingern brennt. Irgendetwas, das sich weit vor dem Ende befindet und das ich unheimlich gerne zu Papier bringen würde.
Wie läuft das eigentliche Schreiben und Planen?
Wenn ich diese drei Punkte habe, dann schreibt sich die Geschichte fast ganz von selbst, zumindest die erste Version. Ich fange natürlich mit dem Starter an. Da mir diese Szene sowieso unter den Fingernägeln brennt, ist sie schnell und mit viel Gefühl aufgeschrieben. Während des Schreibens entwickeln sich dann die Charaktere oder zumindest ihre Situation weiter. Das bedeutet, ich habe, wenn ich eine Pause beim Schreiben machen muss, bereits eine ungefähre Vorstellung, wie es weiter gehen soll. Auf jeden Fall denke ich in jeder freien Minute über die Geschichte nach, weil ich die erste Szene ja mag, und die Charaktere und das, wo es hingehen soll. Und wenn ich noch keine Idee habe, wie es weitergehen soll, dann habe ich immer noch die Charaktere, über die ich nachdenken kann, wie sie wohl auf das reagieren, was ich bereits geschrieben habe und was wohl passieren müsste, damit sie zu meinem gewünschten Endszenario hingetrieben werden.
Egal wie, einer der drei Startpunkte liefert mir immer Material für die nächste Szene.
Wichtig ist mir dabei, dass ich keine Szenen schreibe, die ich langweilig finde. Denn die Chancen stehen gut, dass, wenn ich sie langweilig finde, der Leser sie auch nicht mag.
Wie viel schreibst du so?
Dadurch, dass ich, wenn ich mich hinsetze, schon ziemlich genau weiß, wo es hinlaufen wird, geht das Aufschreiben quasi wie der Wind. In der letzten Woche habe ich zum Beispiel jeden Tag etwa 3.000 Wörter geschrieben und das trotz Kinder, Haushalt und kürzlichem Umzug. Zugegeben, der Haushalt musste etwas leiden und meine Kinder sind schon mindestens im Kindergarten. Aber das wirkliche Geheimnis ist eben, dass ich schon vorher weiß, was ich schreiben will.
Dann weißt du ja doch vorher, was du schreibst, ist das nicht langweilig?
Im Gegenteil. Dadurch, dass ich vorher so viel über die Szene nachgedacht habe, bin ich richtig heiß darauf sie aufzuschreiben. Und nur weil ich denke, dass ich weiß, was darin vorkommt, heißt das noch lange nicht, dass es das auch tut. Meine Charaktere haben mich schon oft genug überrascht.
Klappt das mit jeder Geschichte?
Nein. Definitiv nicht. Wenn es nur einen Handlungsstrang gibt, dann funktioniert diese Methode wirklich sehr gut oder wenn es nur sehr wenige relativ „einfach verflochtene“ Handlungsstränge gibt, dann geht es auch, wird aber schon kompliziert. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich richtige Epen damit verfassen lassen. Aber das müsste ich noch ausprobieren. Ich bewege mich zur Zeit „nur“ im Liebesroman-Genre. Dafür kann ich mein plotloses Planen wärmstens empfehlen.
Ihr Fazit
Halb geplant und nicht geplottet funktioniert für mich ganz wunderbar. Hauptsache mit Herz geschrieben.
Mein eigener Versuch
Wie bereits erwähnt hatte ich die letzten Jahre nur sehr, sehr wenig Zeit zum Plotten. Ende letzten Jahres konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich wollte unbedingt endlich wieder etwas schreiben. Hier nun meine Ergebnisse mit dem „plotlosen Planen“.
Wie war es?
Erstaunlich gut. Dadurch, dass ich so halb wusste, was passieren sollte, lief das Schreiben selber wie von alleine. Trotz Kindern und relativ kurzen Schreibsessions bin ich sehr schnell fertig geworden.
Innerhalb von ziemlich genau einem Monat habe ich eine vollständige Geschichte geschrieben. Länge knapp 40.000 Wörter. Und ja, das war im November. Um genau zu sein vom 26.10. bis zum 26.11.2014 🙂
Wann habe ich geschrieben?
Morgens zwischen 5:00Uhr und 6:00Uhr. Bzw. in der Zeit die „nach dem Waschen und Anziehen“ und vor dem „Aufwachen der Kinder“ noch übrig blieb. Dafür bin ich abends auch allerspätestens um 10 ins Bett gegangen. Manchmal war so eine Sesseion dann eine Stunde lang, aber oft auch nur 15 bis 30 Minuten. Um es kurz zu machen, ich war endlos geschlaucht. Als dann auch noch beide Kinder anfingen ständig krank zu sein, habe ich mich sogar selber ausgeknockt. Das ist definitiv nichts, was ich immer weiter machen kann. Zumindest nicht, ohne mich selbst kaputtzumachen.
Welches Schreibprogramm habe ich benutzt?
Evernote. Das ist im klassischen Sinne kein Schreibprogramm. Aber es erlaubt mir völlig flexibel den PC zu wechseln und die aktuellste Version meiner Geschichte (W-Lan vorausgesetzt) immer zur Hand zu haben.
Wie genau benutze ich Evernote?
Als Erstes habe ich einen neuen Notizbuchstapel erstellt, mit dem Namen des Projektes. In meinem Fall einfach der Name der Protagonistin. Darunter gibt es einen Ordner der „Charaktere“ heißt, hier gibt es für jeden Charakter eine Notiz. Dann einen Ordner für „Ideen“, einen für „Recherche“ (falls notwendig) und schließlich einen für die „Szenen“.
Jede Notiz für eine Szene beginnt mit einer Zahl (z.B. 001, 007, 123 …). So kann ich die Szenen jederzeit in der richtigen Reihenfolge anzeigen lassen. Da ich durch mein nicht-wirklich-plotten sowieso chronologisch schreibe, reicht das für mich völlig.
Was ist mit Namen, wo bekomme ich die her?
Ich denk sie mir aus. Einfach mitten beim Schreiben. Beim plotlosen Planen mache ich mir da überhaupt nicht viele Gedanken drüber. Menschen bekommen ihre Namen aus den unterschiedlichsten Gründen. Deshalb nehme ich einfach einen Namen, der mir gerade einfällt und der mir vor allem gefällt bzw. bei dem ich das Gefühl habe, dass er zum Charakter passt. Aber nicht in dem Sinne, wie Mary Sues Charakter zu ihrem Namen passt, sondern eher in dem Sinne von „Wie würden die Eltern dieses Kindes ihn wohl nennen?“ oder „in welchem Umfeld ist er aufgewachsen“. Dadurch mache ich mir auch schon ein bisschen Gedanken zum Hintergrund des Charakters und weiß schon eine Menge über ihn, ohne eine komplette Charakterentwicklung durchmachen zu müssen (obwohl die mir sehr viel Spaß machen, wenn ich sie dann aufschreibe und mir bisher immer weitergeholfen haben, wenn ich mal festgesteckt habe).
Ich sehe das nämlich so: Wenn mir am Ende einer der Namen nicht so richtig gefällt, dann kopiere ich meinen Text einfach in ein beliebiges Programm (wahrscheinlich Scrivener) und dann benutze ich ganz fröhlich die „Suchen und ersetzen“-Funktion.
Welche Probleme haben sich ergeben?
Während des Schreibens gar keine. Aber wenn ich versuche objektiv auf die fertige Geschichte zu schauen, dann muss ich leider zugeben, dass sie ziemlich langweilig geworden ist. Die Charaktere sind in Ordnung, der Anfang ist sogar interessant, aber in der Mitte baut die Geschichte deutlich ab und das Ende ist einfach nur noch stumpfsinnig. Bzw. eigentlich gibt es gar kein richtiges Ende, obwohl die Geschichte zu Ende ist … falls das Sinn ergibt.
Mein Fazit
Es hat sehr viel Spaß gemacht. Aber im Nachhinein würde ich es nicht wieder so machen. Mir scheint der Aufwand wesentlich zu groß, einen ganzen Monat in einen „Plot“ zu stecken, der wahrscheinlich noch einmal komplett umgeschrieben werden muss.
Diskussion
Plottest du? Oder planst du nur? Schreibst du ganz ohne Überlegung? Denkst du in jeder freien Minute über deine Geschichte nach? Welche Methode zum Schreiben funktioniert für dich am besten? Hast du schon einmal „plotlos geplant“? Wenn ja, wie hat es bei dir geklappt und was ist dabei herausgekommen? Wenn nicht, würdest du es probieren? Was hält dich davon ab?
Artikel vom 13.6.2015
Edit vom 14.7.2016: Kommentare geöffnet
Zarah meint
Woher bekommst du deine Ideen?
Wie du sagst, schreibst du manchmal alles aus dir raus, was auch immer in dir ruht.
Aber wenn du nun wirklich mal ideenlos bist, wie geht es dann weiter?
Jacky meint
Hi Zarah,
als Erstes überlege ich mir, was ich generell schreiben möchte. Dafür sind die 5 Schlüssel ein super Anfang (insbesondere Genre und Lesegefühl). Und dann überlege ich, worauf ich Lust habe, also, ob es etwas gibt, das auf jeden Fall in der Geschichte vorkommen soll. Sobald es ein paar Punkte gibt, die einen Namen haben, kannst du dir z.B. auf Pinterest ein Moodboard anlegen und einfach erst mal überall Ideen sammeln oder dich in die Badewanne legen.
Ich merke gerade, irgendwann muss ich wohl auch dazu einen Blogbeitrag schreiben. Bis dahin hoffe ich, dass ich dich schon mal ein bisschen inspirieren konnte 🙂
Liebe Grüße
Jacky
Ulrike meint
Hallo,
mein erstes Buch (und auch fast alles, was aktuell in der Ideenschublade liegt) ist plotlos entstanden. Eine Grundidee hatte ich, was passieren soll und wo das Ende ist. (Also: Hauptfigur wird entführt, befreit und findet einen Weg heim.) Als Grundlage diente mir ein Spaßartikel, den ich mal während einer Sommerschule schrieb. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Also nahm ich den Artikel hervor – und änderte noch einiges (Protagonist weiblich, das kam mir erst mal einfacher vor, als mich noch in einen Mann hineinzuversetzen). Und dann ging es los. Ich wusste, dass die Figur entführt wird und auch wo und warum sie da ist.
Außer dem Spaßartikel habe ich dann noch einen Text wiederverwertet, den ich mal in der Schulzeit geschrieben hatte und noch grob im Kopf. Die Aufgabe war damals gewesen: „Schaffe eine Stimmung und kehre sie dann in eine völlig andere um.“ Ich hatte damals ein idyllisches Dorf genommen – und dann kamen ein paar Kriegsbomber. Und schwups hatte ich einen weiteren Aspekt in der Geschichte, welcher die Protagonistin stark in ihren Einstellungen beinflusste. Die Szene landete letztlich im Prolog und war von der Protagonistin selbst nicht erlebt worden.
Ein Kapitel hab ich auch mal völlig verworfen, es war mir dann doch zu weit hergeholt. Aber dieser „Fehler“ hat mir dann gezeigt, dass ich mich an gewisse Regeln halten sollte. Es musste für mich realistisch und nachvollziehbar sein – obwohl SciFi/Fantasy.
Aber letztendlich ließ ich die Charaktere auch erzählen. Und hab nur „mitgeschrieben“. Hilft mir immer mal, wenn ich nicht weiter weiß.
Ansonsten finde ich Ideen häufig auch über Was-wäre-wenn-Fragen. Was wäre, wenn man plötzlich in einem PC-Spiel landet? Was wäre, wenn plötzlich eine Seuche ein Geschlecht dahin raffen würde? Was wäre, wenn… ? Meist fällt mir bei solchen Gedankenspielen direkt ein Charakter ein. Oder ich sehe mal interessante Bilder von Personen oder Orten, die meine Fantasie anregen. Und dann habe ich nur einen klitzekleinen roten Faden: Eine Figur, ein Ereignis (nicht zwingend der Start, aber früh in der Geschichte) und einen Ort (Fremde Welt? Zukunft?), vielleicht ein Ende, vielleicht Ereignisse, die davor, dabei oder danach stattfinden.
Aber letztlich ist es nicht viel. Mein Kopf macht trotzdem Geschichten daraus – ich muss mir nur unbedingt die Zeit nehmen, mehr davon auf zu schreiben.
Liebe Grüße
Ulrike
Laura meint
Hi,
Auch wenn der Artikel schon etwas älter ist, finde ich es hoch interessant, wie andere schreiben. Ich schreibe keine Bücher, sondern nur Online-Fanfiktions. Und die sind alle ungeplottet.
Ich hab meistens nur eine Szene, irgendwo in dieser Geschichte und schreibe sie auf. Dann fällt mir meistens die nächste Szene ein, die nicht mit der ersten zusammen hängt. Wenn ich dann einen Stapel Szenen habe, fange ich an, diese zu ordnen und zu verbinden. Dabei entstehen dann auch meine Charaktere. Das geht für mich persönlich am einfachsten, weil ich einfach immer nur eine Szene zum aufschreiben habe u d diese dann auch komplett rauswerfen und in eine andere Geschichte einfügen kann.
Ich hoffe, das war jetzt so halbwegs verständlich.
Laura
Antje M. meint
Hallo zusammen,
ich habe meinen Roman auch komplett plottlos geschrieben. Ich hatte eine Figur, ihr Problem und das Ende. So entstanden 85.000 Wörter in einem halben Jahr. Aber seit 2 Jahren liegt das ganze Projekt irgendwo rum, wird von rechts nach links und von oben nach unten verschoben. Diese Woche habe ich es wieder in die Mitte meines Schreibtisches gelegt und mich daran versucht. Da ich keine schriftstellerische Ausbildung habe, traute ich mich bisher nicht an den in meinen Augen riesigen Berg der Überarbeitung und habe stattdessen Kurzgeschichten geschrieben. Alles ohne Plott. Aber jetzt will ich es endlich versuchen, schließlich soll man seine Geschichte ja auch eine Weile ruhen lassen …
Übrigens, liebe Jacky, ich finde deinen Blog hochinteressant und sehr infomativ!
Jacky meint
Hi Antje,
freut mich von Herzen, dass dir mein Blog gefällt. Ich wünsche dir alles gute und jede Menge Vergnügen beim Überarbeiten. Klingt vielleicht verrückt, aber im Endeffekt ist das der Teil, der mir persönlich am besten gefällt, weil man aus etwas „Rohem“ eine echte Geschichte macht, die ein Leser tatsächlich mit Genuss lesen kann 🙂
Ganz liebe Grüße
Jacky