Es gibt Zeiten im Leben, da geht es nicht ohne Anwalt weiter. Wenn das der Fall ist, dann solltest du jemanden aussuchen, der sich im entsprechenden Fachbereich auskennt. Denn genauso, wie es beim Schreiben verschiedene Genres gibt, spezialisieren sich auch Anwälte auf unterschiedliche Bereiche.
Tilman Winterling hat sich auf das Urheber-, Verlags- und Medienrecht spezialisiert, ist damit der Ansprechpartner für Autoren und hat mir freundlicherweise ein paar sehr autorenspezifische Fragen beantwortet. An dieser Stelle vielen Dank an ihn für seine Zeit und ausführlichen Antworten und dir viel Spaß und/oder Aha-Momente beim Lesen.
Anwalt/Kontakt
1. Wenn ich einen Anwalt (dich) kontaktiere, wie läuft das genau ab und was kostet das?
Das ist natürlich von Anwalt zu Anwalt unterschiedlich und kommt auch etwas auf den Fall an. Für Sachen, die vor Gericht verhandelt werden, kann man z.B. nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnen. Die Höhe der Kosten richtet sich dann nach dem Streitwert des Verfahrens. Gutachterliche Fragen oder normale Beratung rechnen viele – so auch wir – nach Stunden und angefallenem Aufwand ab. Man sollte natürlich darauf achten vor der Mandatserteilung darüber zu sprechen, welche Kosten anfallen – das gilt sowohl für den Anwalt als auch den Mandanten.
Nur weil Rechtsberatungen grundsätzlich etwas kosten, sollte das aber niemanden abhalten, überhaupt erst mal den Weg zum Anwalt zu suchen. Denn nur weil ich den Hörer abnehme, stelle ich nicht sofort eine Rechnung. Der (potenzielle) Mandant muss ja erst mal seinen Fall schildern können, damit der Anwalt weiß, worum es geht, das kostet in der Regel dann auch nichts. Ein guter Anwalt sagt sowieso grundsätzlich Bescheid, ab wann etwas Geld kostet.
Texte/Inhalt
2. Ab wann sind meine Texte geschützt?/Reicht eine Online-Veröffentlichung in Foren/Blogs?
Anders als in anderen Rechtssystemen muss man für den Urheberrechtsschutz in Deutschland nichts beantragen oder sein Werk registrieren. Entweder ist mein geschaffener Text geschützt oder er ist es nicht, dafür muss ich nichts zusätzlich machen. Wann der Schutz entsteht, habe ich hier aufgeschrieben.
3. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang darf ich Songtexte und Zitate aus anderen Büchern in meiner Geschichte verwenden?
Auch hierzu habe ich mal einen Artikel geschrieben: Richtig zitieren im Internet.
Grundsätzlich kann man sich als den meist entscheidenden Punkt merken: Ein Zitat ist nicht gerechtfertigt, wenn man es nur anfügt, um sich eigene Ausführungen zu ersparen oder sie lediglich zu illustrieren.
4. Unter welchen Bedingungen dürfen real existierende Personen/Ereignisse aus meinem Umfeld in meinen Geschichten vorkommen?
In diesen Fällen gibt es natürlich automatisch Spannungen zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit des Autors und dem Recht auf Privatsphäre des Beschriebenen und kann so nicht pauschal beantwortet werden. Berühmt geworden ist z.B. der Fall von Maxim Biller, der in seinem Roman „Esra“ die gescheiterte Beziehung zu einer Ex-Freundin schilderte und auch deren Mutter beschrieb. Beide gingen erfolgreich gegen die Veröffentlichung vor, dies lag aber vor allem daran, dass es hier tief in die Privatsphäre von Menschen ging, die sonst nicht besonders in der Öffentlichkeit standen und ihre Privatsphäre auch nicht selbst, z.B. in Interviews, „geöffnet hatten“.
Will man sicher sein, sollte man ein juristisches Lektorat durchführen lassen oder sich die Einwilligung der beschriebenen Personen besorgen.
5. Unter welchen Bedingungen darf ich Prominente und ihr Leben/prominente Ereignisse (Mordfälle/Attentate/Liebesaffären) in meinen Texten verwendet werden?
Allgemein bekannte Tatsachen und Ereignisse können in der Regel verwendet werden. Es gibt aber gerade zum Beispiel bei Verbrechen auch ein Anrecht der Verbrecher nach der verbüßten Strafe irgendwann wieder in die Anonymität zurückkehren zu dürfen. Auch hier können daher also immer wieder kleine versteckte Fallen lauern.
6. Wann und wie darf ich Markennamen und real existierende Schauplätze (Hotels/Krankenhäuser/Cafés) in meinen Geschichten verwenden?
Die Welt wie sie ist, darf ich immer beschreiben, auch Markeninhaber müssen damit leben. So etwas kann aber z.B. dann kippen, wenn man Marken und deren Produkten gewisse Eigenschaften zuschreibt, die sie nicht haben oder wenn man sie in ein besonders schlechtes Licht rückt.
7. In welchem Rahmen sind Fanfictions (Geschichten die in den Welten anderer Autoren spielen oder in denen Charaktere anderer Autoren vorkommen) erlaubt?
Eigentlich gar nicht! Die meisten Autoren sind wohl stillschweigend damit einverstanden, wenn dies im Online-Bereich passiert und sichert ja sowohl die Fan Basis als auch das Gespräch über das eigene Werk. Bei der Kommerzialisierung des so entstandenen Textes dürfte für die meisten aber der Spaß aufhören. Wenn ich also vorhabe, eine solche Geschichte zu verkaufen, sollte ich vorher mit dem Originalverlag oder dem Autor/der Autorin Kontakt aufnehmen.
Buchtitel/Marketing
8. Was muss ich bei der Wahl eines Buchtitels beachten bzw. wie viel Ähnlichkeit darf er zu existierenden Titeln haben?
Buchtitel sind aus rechtlicher Sicht dazu da, damit man zwei unterschiedliche Bücher anhand ihres Titels auseinanderhalten kann. Bei gewissen Themen sind Ähnlichkeiten nicht zu vermeiden, aber hier sollte man sich bei der Wahl zur Sicherheit mal fragen „Wäre ich ein Käufer, käme ich da durcheinander und hätte am Ende das falsche Buch gekauft?“
9. Wann ist (m)ein Buchtitel “geschützt” und was heißt das genau?
Spätestens mit Veröffentlichung des Buchs. Man kann den Schutz mit einer Titelschutzanzeige aber zeitlich vorverlegen, das macht z.B. bei Trendthemen Sinn.
10. Kann ich beim Marketing alle Formulierungen benutzen, oder gibt es auch hier geschützte Begriffe/Phrasen?
Hier kann das Wettbewerbsrecht eine große Rolle spielen, insbesondere die Frage, ob der Autor den Leser mit einer Werbeaussage täuscht. Bezeichne ich mein Buch vom Start weg als Bestseller, habe aber noch kein Exemplar verkauft, ist das unzulässig. Dazu muss man auch bedenken, dass der Spiegel als Betreiber der Bestseller Liste Geld mit der Lizenzierung seines Namens und seines Bestseller-Logos verdient, hier darf ich also auch nicht einfach zugreifen. Gleiches gilt, wenn man versucht, den Ruf eines Anderen auszunutzen, um hierdurch sein Buch besser an den Mann bringen zu können.
Impressum/Pseudonym
11. In welcher Form muss ich ein Impressum in meinem Buch und/oder auf meiner Webseite haben?
Sowohl auf der Homepage als auch in einer Buchveröffentlichung sind ein Impressum Pflicht. Hier gibt es im Internet viele Generatoren, mit denen man in Minuten ein rechtlich sicheres Impressum erstellen kann. Ohne geht nicht!
e-recht24.de ist momentan wegen Wartungsarbeiten offline, aber sonst ein verlässlicher Anlaufpunkt. Aber auch anwalt.de stellt einen Generator zur Verfügung.
12. Wenn ich mir ein Pseudonym zulegen möchte, darf ich dafür jeden Namen verwenden? Und was schreibe ich dann ins Impressum?
Suche ich mir einen sehr gewöhnlichen Namen „Hans Müller“ aus, wo nicht die Gefahr besteht, eine konkrete Person in ihrer Identität zu kopieren, ist dies meist unproblematisch. Genauso bei einem besonders außergewöhnlichen Namen „Tilipfote Seidenschweif“, der so noch nicht genutzt wird.
Beim Impressum ist es dann wichtig, dass mich mögliche Kontaktversuche auch erreichen. Vereinfacht gesagt: Steht auf meinem Briefkasten dann auch „Tilipfote Seidenschweif“ und die Post erreicht mich dadurch tatsächlich, reicht das in der Regel aus. Das kann also auch einfach der heimische Briefkasten sein.
Verlage/Agenturen
13. Ist es ratsam einen Agentur- oder Verlagsvertrag von einem Anwalt prüfen zu lassen?
Blind Verträge zu unterschreiben, empfiehlt natürlich kein Anwalt.
Agenturvereinbarungen sind meist recht kurz und haben fast immer eine kurze Kündigungsfrist, so dass der Laie schnell davon ausgeht, alles zu verstehen. Dabei sollte man aber bedenken, dass mit dem Vertragsschluss für die vermittelten Werke auch über Vertragsende hinaus eine Provisionspflicht entsteht und man daher 1. doch wieder recht lang mit der Agentur verbunden ist und 2. das finanziell durchaus relevant werden kann. Möchte man die Vereinbarung nicht durch einen Anwalt prüfen lassen, sollte man in jedem Fall auch darauf achten, welche Pflichten die Agentur übernehmen soll und ob diese transparent bezeichnet sind.
Verlagsverträge wiederum sind fast immer um die zehn Seiten lang. Hier ist die Materie um einiges komplexer: es geht um Rechte und Pflichten für beide, um die Vergabe von z.T. wertvollen Rechten und die Beteiligung daran. Hier sollte man nicht die Freude über den Vertrag über die Vernunft stellen. Ja, Autoren und Verlage arbeiten zusammen, aber Verlage wollen und müssen Geld verdienen, zu verschenken haben die auch nichts und die meisten Verträge sind eben auch so gestrickt.
Und ja, Literaturagenturen setzen auch Verträge auf und prüfen diese. Allerdings sind die wenigsten Mitarbeiter von Literaturagenturen Juristen. Erfahrung macht vielleicht klug, aber einen juristisch sauber geprüften und verhandelten Vertrag, bekommt man weiterhin nur von einem Juristen.
Die Kosten hängen dabei vom Umfang ab: Möchte man nur einzelne Fragen beantwortet haben, kann das sehr schnell gehen. Fragen zu Standardverträgen beantwortet der Profi aus dem Stand und ohne tiefergehende Recherche. Bei uns kostet die Stunde EUR 250,-, wenn das also nur eine halbe Stunde dauert, hat man für EUR 125,- die Antwort eines Experten. Soll der ganze Vertrag geprüft werden oder auch mit dem Verlag durchverhandelt werden, kann man im Vorfeld je nach Umfang auch eine Pauschale vereinbaren. Dabei sollte natürlich z.B. berücksichtigt werden, wie hoch der Vorschuss ist. Es macht für Autoren wirtschaftlich keinen Sinn bei EUR 500,- Vorschuss einen Anwalt für EUR 1.000,- einzuschalten. Aber da sollte man einfach vorher drüber sprechen.
Über den Anwalt:
Tilman Winterling konzentrieret sich seit Jahren auf das Urheber-, Verlags- und Medienrecht. Er hat für die Kulturbehörde Hamburg im Kunstrecht gearbeitet, bei einer Münchner Kanzlei Verlage beraten und in Hamburg Werbeagenturen, Start-Ups und Internetplattformen.
Seit Sommer 2016 ist er als Rechtsanwalt in der Hamburger Medienkanzlei Gutsch & Schlegel tätig. Er vertritt Buchverlage, Autoren, Fotografen und andere Kreative in sämtlichen Bereichen des Urheberrechts und angrenzenden Rechtsgebieten.
Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ist er Literaturblogger auf 54books tätig und hat 54stories eine Plattform für junge, deutschsprachige Autoren aufgebaut. Er moderiert Lesungen, erläutert als Experte Rechtsthemen des Kulturbereichs im Deutschlandfunk und hält Vorträge zu Branchen- und Rechtsthemen. Er war Jurymitglied bei den Hamburger Förderpreisen für Literatur und literarische Übersetzung, ist Teil des „Literarischen Quartetts“ des Literarischen Zentrums Göttingen und in der Jury des Blogbuster Preises. 2017 war Tilman für den Young Excellence Award als „herausragender junger Macher in der Buchbranche“ nominiert.
Webseite: www.tilman-winterling.de
E-Mail: twinterling@g-s-legal.com
Twitter: @fiftyfourbooks
Instagram: @54books
Lea meint
Ein wirklich lehrreicher und interessanter Post 🙂
Ich glaube, die Antworten helfen nicht nur mir weiter. Einige Fragen tauchen ja wirklich öfter auf, da ist es immer gut, zu wissen, wie es da rechtlich aussieht. Danke dafür!
LG Lea
Jacky meint
Sehr gern geschehen, freut mich, dass der Artikel für dich hilfreich ist 🙂
Mia meint
Anwälte haben den großen Vorteil eine Anwaltssoftware zu benutzen. Damit haben Sie ganz andere Möglichkeiten aus Bausteinen Texte zu schreiben als jemand der kein Jurist ist. Dass sind natürlich Ressourcen, die ein Schriftsteller nicht besitzt. Danke und weiter so.