Wer schreiben will muss lesen.
Ein bis zwei Bücher in der Woche, fünf bis acht Bücher im Monat, wenigstens 65 Bücher im Jahr. Klingt das für dich übertrieben? Für mich ist das der Himmel.
Wichtig ist nur, dass du einsiehst, dass es eine absolute Notwendigkeit ist zu lesen.
Warum sollst du lesen?
Jeder Mensch den du mit deinen Worten erreichst wird ein Leser sein. So banal das klingen mag, so wichtig ist es auch. Wenn du also für einen Leser schreiben möchtest, dann muss du wissen wie ein Leser denkt. Das wiederum lernst du nur dadurch, dass du in seine Haut schlüpfst und auch zu einem Leser wirst.
Ich gehe sogar so weit zu sagen: Wem das Lesen keinen Spaß macht, der sollte das Schreiben gleich ganz sein lassen. Aber wahrscheinlich trage ich gerade Eulen nach Athen. Denn wenn du bereit bist über das Schreiben zu lesen, wirst du dich wohl auch vor ein bisschen mehr „Leseaufwand“ nicht scheuen.
Vielleicht fragst du dich, ob du dadurch nicht deinen eigenen Stil verfälschst. Aber diese Frage ist müßig. Denn nur weil du einem anderen Menschen beim Laufen oder Tanzen zusiehst, änderst du nicht deine eigene Art und Weise. Trotzdem kannst du durch das Hinsehen sehr viel davon lernen, wie du dich bewegen musst, um graziös auszusehen und nicht auf die Nase zu fallen.
Du kannst auf zwei Arten ein Buch lesen.
Als Leser lesen
Dazu versuchst du, Bücher als das zu betrachten, was sie sein möchten: Unterhaltung. Die Sicht des Lesers kommt an erster Stelle. Du möchtest Spaß beim Lesen haben. Du willst mitgerissen werden, entführt, schockiert, überrascht und erobert. Alles nur nicht gelangweilt, erschlagen oder ausgetrickst.
Bei diesem ersten Lesen musst du nichts besonderes tun, einfach nur lesen. Erst wenn du mit der Geschichte fertig bist holst du deine Checkliste hervor und beginnst dir Fragen zu stellen:
- An welche Szenen kannst du dich auch am Schluss noch gut erinnern?
- Sind diese Szenen besonders gut, oder besonders schlecht?
- Welche Dinge haben dich angezogen, dir gefallen?
- Welche Stellen waren langweilig?
- Was genau ist an den langweiligen Stellen passiert (oder auch nicht passiert)?
Als Autor lesen
Wenn du dir diese Fragen gestellt hast, überlege dir, was du als Schriftsteller daraus lernen kannst. Anfangs musst du vielleicht das ganze Buch noch einmal lesen, meistens reicht es aber die entsprechenden Stellen noch einmal zu überfliegen. Frage dich:
- Warum konntest du dich an die entsprechende Szene so gut erinnern ?
- Was macht sie so gut/schlecht?
- Wie viel Beschreibung gibt es? Wie viel Dialog? Wie viel Aktion?
- Wieso gefallen dir diese Dinge, was ist besonders an ihnen, was unterscheidet sie vom Rest?
- Was fehlt den langweiligen Stellen?
- Wieviel Beschreibung gibt es? Wieviel Dialog? Wieviel Aktion?
Das sind natürlich längst nicht alle Fragen, die du dir stellen kannst. Im Laufe der Zeit werde ich dir zahlreiche Methoden zeigen, um die Stärken und Schwächen jeder Geschichte aufzuspüren. Z.B. wie du Charaktere glaubhaft gestaltest und einen Plot spannend entwickelst. Am Anfang klingt es vielleicht unmöglich, aber mit der Zeit wird es fast schwierig sein nicht darauf zu achten.
Ob dir das den Spaß verdirbt?
Davor hatte ich, als ich damit angefangen habe, auch Angst. Aber völlig unbegründet. Die meisten der „Leserfragen“ kannst du sowieso erst am Ende des Buches beantworten. Und auf den Schreibstil und die kleinen Kniffe oder auch Patzer im Ausdruck achtest du mit der Zeit völlig automatisch.
Mir macht das Lesen immer noch riesigen Spaß (wenn es denn dann ein gutes Buch ist) und ansonsten lerne ich eben einfach, wie ich es sicher nicht machen werde: Warum ist das so? Was kann ich daraus lernen? Was kann ich besser machen? Was sollte ich vermeiden?
(Keine) Zeit zum Lesen!
65 Bücher klingt nach einer Menge oder?
Falsch!
Lesen kannst du überall: In der Bahn, auf der Toilette, in jeder Warteschlange, am Telefon wenn du dir in der Warteschleife wieder sinnloses Gedudel anhören musst, im Wartezimmer beim Arzt, im Aufzug, während des Essens, abends im Bett, überhaupt überall und zu jeder Zeit wenn du eigentlich warten müsstest. Deshalb habe ich immer mindestens ein Buch in meiner Tasche, egal wo ich gehe oder stehe. Sobald ich irgendwo warten muss (sogar wenn es nur zwei Minuten bis zum nächsten Bus sind), hole ich mein Buch heraus und lese.
Aber selbst das ist noch nicht alles. Dank der modernen Technik sind wir mit Hörbüchern und mp3-Playern gesegnet, die mittlerweile nicht nur klein und handlich, sondern sogar erschwinglich sind. Jetzt kannst du auch dann lesen, wenn du beide Hände voll zu tun hast: beim Auto fahren, während dem Kochen, Bügeln, Putzen, Reparieren, eigentlich immer, wenn du etwas tust, was nicht deine volle Aufmerksamkeit erfordert, weil du es schon auswendig kannst.
Also nichts da mit irgendwelchen Ausreden, sondern ran an die Bücher.
Aufgabe für diese Woche, ein Buch lesen, jede Woche.
Achtung! Disclaimer: (Leider muss man so etwas ja heutzutage schreiben) Jeder ist für seine Handlungen selbst verantwortlich. Für Schäden die durch das Lesen oder Hören von Büchern zu irgend einem Zeitpunkt entstehen kann ich nicht haften. Ach ja: Lesen gefährdet die Dummheit.
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Fragen, Anregungen und Diskussionen zu diesem Thema kannst du gerne in der Schreibwerkstatt führen.