Hiermit möchte ich eine Mini-Serie aus zwei Teilen starten. Das Thema? Der Antagonist oder ein kleiner Ausflug in „die Welt des Bösen“.
Teil 1: Die Definition; Bösewichte, Gegenspieler und Feinde (antagonist VS villain).
Teil 2: Der Hintergrund; Antagonist – Die Personifikation der Spannung (Warum muss es einen Antagonisten geben und wie muss er sein, damit er „gut“ ist?)
Was ist ein Antagonist eigentlich?
Als ich neulich wieder in “The writers Journey” (auf deutsch) stöberte, ist mir aufgefallen, dass zwischen „antagonist“ und „villain“ unterschieden wurde. Ich habe viel darüber nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gelangt, dass es da sehr wohl Raum für Unterschiede gibt. Hier findest du meinen Versuch einer Definition, was ein Antagonist eigentlich ist (oder zumindest, was ich darunter verstehe).
Bösewichte
Der „Bösewicht“ ist derjenige, der ohne Rücksicht auf Andere seine eigenen Ziele verfolgt. Er arbeitet entgegen der allgemein anerkannten Moral. D.h. es ist ihm meist egal, ob er über Leichen geht und wer dabei zu Schaden kommt. Manchmal ist „möglichst viel Schmerz verbreiten“ sogar eines seiner Ziele. Häufig will er die Welt erobern, manchmal den Buchladen um die Ecke übernehmen oder er tyrannisiert „einfach nur“ die schwächeren Kinder in der Klasse.
Dabei kommt er dem Helden der Geschichte bewusst oder unbewusst irgendwie in die Quere. Er muss aber keine direkte Verbindung zum Helden haben.
Beispiele für Bösewichte:
- Sauron [Herr der Ringe]
- Lord Voldemort* [Harry Potter]
- Die böse Hexe aus dem Osten [Der Zauberer von Oz]
*Ja, er hat auch einen direkten Bezug zu Harry, aber „die Welt beherrschen“ ist sein vorrangiges Ziel, das bereits vor Harrys Geburt existierte.
Feinde
„Feinde“ wollen den Helden zumeist töten, auf andere Weise zerstören oder zumindest besiegen. Sie greifen dabei gerne auch zu unlauteren Mitteln. Es gibt aber genauso Feinde mit Moralvorstellungen, die also nur innerhalb bestimmter Grenzen „alles“ tun würden, um dem Helden einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Auf jeden Fall haben sie einen direkten Bezug zum Helden und ihre Zielsetzung richtet sich bewusst gegen diesen.
Beispiele für Feinde
- Saruman ist ein Feind von Gandalf [Herr der Ringe]
- Draco Malfoy [Harry Potter]
- Die böse Hexe aus dem Osten [Der Zauberer von Oz]
Gegenspieler
Gegenspieler sind im Unterschied zu den „Feinden“ nicht ganz so … feindselig. Bei ihnen kann es sich sogar um einen Charakter aus der Heldengruppe selbst handeln, der dasselbe Ziel verfolgt wie der Held. Im Gegensatz zum Helden gefällt ihm aber nicht, was der am Ende „mit dem Ziel“ vor hat.
Beispiele für Gegenspieler
- Boromir [Herr der Ringe]
- Draco Malfoy entwickelt sich in den späteren Bänden zu einem Gegenspieler (fast) ohne Feindcharakter [Harry Potter]
- Der Zauberer von Oz
Antagonisten
„Antagonist“ scheint mir (zumindest im Deutschen) eine Art Sammelbegriff für alle Bösewichter, Feinde und Gegenspieler zu sein.
Ein Gesamt-Beispiel
Um die Unterschiede ein bisschen deutlicher zu machen, hier ein kleines Beispiel.
Unsere Heldengruppe befindet sich auf der Suche nach einem magischen Diamanten. Der Held möchte das gute Stück dem Zauberkönig, seinem rechtmäßigen Besitzer, zurückbringen.
Ein böser Hexer [der Bösewicht] hat ihn gestohlen und will damit die Welt erobern. Er kennt weder den Helden noch dessen Verbündeten und hat (vielleicht/wahrscheinlich bis zum Endkampf) keinen Kontakt zu ihnen.
Gondolus der Dunkelelf [der Feind] ist Handlanger des Hexers. Vielleicht kennt er den Helden schon von früher oder er lernt ihn erst als Kontrahenten bei der Suche nach dem Diamanten kennen. Gondolus will den Helden umbringen, damit er selbst zuerst den Stein für seinen Meister findet.
Bullrich der Zwerg [Gegenspieler] hilft dem Helden und ist Teil der Gruppe aus Verbündeten. Allerdings will er den Stein am Ende selbst behalten und damit seine in Magie gefrorene Geliebte retten oder ihn verscherbeln oder ihn als Kopfkissen benutzen.
Dazu gehören 3?
Nein. Schon an den Beispielen, die ich oben gebracht habe, sieht man deutlich, dass die Übergänge fließend sind.
Manchmal ist ein Bösewicht ein Feind, manchmal entwickelt sich ein Feind zum Gegenspieler oder umgekehrt. Gelegentlich kann sogar ein Gegenspieler irgendwann zum richtigen Verbündeten werden (Der Zauberer von Oz). Wenn ich mir meine Aufteilung genauer betrachte, sieht das Ganze am ehesten nach einer Abstufung aus. Das heißt ein „Gegenspieler“ kann sich mit genug Hass und Wille zur Gewalt in einen Feind und sogar in einen Bösewicht mausern oder umgekehrt.
Das bedeutet, es gibt keine strikte Trennung.
Wozu das Ganze?
Eine Geschichte ist immer nur so gut wie ihr(e) Antagonist(en). Denn er ist sozusagen die Antriebskraft für den Helden. Deshalb macht es auf jeden Fall Sinn, über das Prinzip des Antagonisten nachzudenken und sich zu überlegen inwieweit eine Unterscheidung möglich oder überhaupt sinnvoll ist.
Besonders dann, wenn du das Gefühl hast, dass es deiner Geschichte an Spannung fehlt. Dazu habe ich mir auch schon ein paar Gedanken gemacht, aber die gibt es dann im nächsten Artikel 8)
Diskussion
Findest du die Unterscheidung in Bösewichter, Gegenspieler und Feinde sinnvoll? Wo würdest du die Grenze ziehen? Welche Art von Antagonist kommt in deinem aktuellen Projekt vor? Welche Kombinationen hast du schon verwendet oder gefallen dir am besten? Was geht gar nicht?