Der erste Satz entscheidet bei einer Geschichte über Leben und Tod. Über gelesen oder nicht gelesen werden.
Der Anfang
Du musst deinen Leser fesseln, ihn neugierig machen und Fragen aufwerfen. Nur wenn du sein Interesse weckst wirst du ihn dazu kriegen, dass er dein Buch auch wirklich zu Ende lesen möchte.
Ich habe schon einen wirklich guten Artikel zu diesem Thema übersetzt „Wo fange ich an?„, möchte mich aber an dieser Stelle noch einmal selbst dazu äußern.
Was gehört alles zu einem Anfang?
Die Frage lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Wenn du wirklich alles hinein bekommen könntest, was du wolltest, dann würdest du deinen Leser …
… mit dem Protagonisten vertraut machen
… mit offenen Fragen neugierig machen
… mit partiellen Antworten auf den Geschmack bringen
… in Spannung versetzten
… mit Grundwissen zum weiteren Plot ausstatten
… über Ort, Umstände und Umfeld aufklären
Kurz gesagt du musst ihm Alles und Nichts sagen.
Das Problem ist nämlich, je umfassender der Überblick, desto langweiliger wird es im Allgemeinen auch. Je mehr Fragen und je weniger Antworten desto mehr Verwirrung und desto weniger Wille mehr heraus zu finden.
Der goldene Mittelweg
Deshalb ist es wichtig eine gute Mischung zu finden. Ich fange gerne mitten in einer Situation an. Etwas mit dem der Leser nichts anfangen kann, was aber trotzdem interessant klingt.
Blut spritzte an die Wand, als der Hammer auf seinen Hinterkopf schlug.
Okay, zugegeben etwas eklig. Aber es stellt die Fragen:
Was ist passiert?
Wessen Blut?
Wer schlägt zu?
Warum passiert das?
Ist es ein Verbrechen?
Ist es Notwehr?
Ist er tot?
Gleichzeitig gibt es aber auch Antworten:
Es ist sicher keine Liebesschnulze.
Es wird etwas Spannendes sein.
Der/einer der Protagonist/en ist mindestens verletzt, oder hat gerade jemanden mit einem Hammer auf den Hinterkopf geschlagen
Definitiv mehr Fragen als Antworten. Für einen ersten Satz also kein schlechter Ansatz. Vorausgesetzt dein Leser mag Splatter, dann hast du ihn mindestens so weit, dass er sich auch den zweiten Satz noch durchlesen wird.
Wenn es aber genau so weiter geht, dass du hauptsächlich Fragen aufwirfst ohne Antworten zu liefern, dann hast du verloren. Entweder musst du jetzt einen Subplot starten. Vielleicht irgendwo in der Vergangenheit anfangen um langsam zu diesem Punkt der Geschichte zurück zu finden.
Du kannst auch bei Albert Aufmerksam weiter machen, der auf der Straße vorbei schlendert, als er ein Geräusch hört. Dadurch wird dann klar, dass es sich um dieses Verbrechen dreht, das gerade geschehen ist. Du gibst ein paar Hinweise darauf wie es weiter geht, aber es bleiben immer noch einige offene Fragen.
Als nächstes ist deine Aufgabe, dass du nach und nach…
… ein paar Antworten gibst
… immer wieder neue Fragen aufkommen lässt
… langsam deinen Protagonisten vorstellst
Das Wetter
Ich bin mir fast sicher, dass ich es schon einmal gesagt habe, aber ich tue es wieder und es wird sicher nicht das letzte Mal sein: Fang bloß nicht mit dem Wetter an!
Wie viele Geschichten habe ich schon gelesen die etwa so anfingen:
Sturmgraue Wolken trieben über den Himmel, Blitze zuckten und Regen stieb wie Gischt durch die Nacht.
Was haben wir dadurch gelernt?
Es ist Nacht und es Regnet.
Was für Fragen haben sich uns gestellt?
Keine.
Wissen wir um wen oder was es geht?
Nicht im Geringsten. Von einer Alienentführung bis hin zu einem Western ist noch alles drin. Es könnte überall, zu jeder Zeit spielen und von Napoleon genau so gut wie von Madonna handeln.
Du kannst es auch besser
Wetter ist eine ausgezeichnete und vor Allem einfache Methode um Stimmung zu erzeugen. Genau deshalb wird sie so häufig eingesetzt. Aber das ist auch der Grund, warum sie im ersten Satz ein Armutszeugnis darstellt.
Wenn deine einzige Möglichkeit Stimmung zu erzeugen in diesem langweiligen, wenn auch manchmal sehr wirkungsvollen Mittel besteht, dann hast du noch einiges zu lernen. Wenn nicht, dann solltest du es dir für die Momente aufsparen wo es unumgänglich ist und hier, am Anfang, damit überzeugen, dass du es auch anders schaffst.
Zugegeben
Ein bisschen Wetter hier und da ist ein nützliches Werkzeug und manchmal sicher auch notwendig, aber es gehört einfach nicht in den ersten Satz.
Dieser erste Satz muss schon so viele Bedingungen erfüllen, so viel rüber bringen, so viel Neugier, Spannung und Verlangen erzeugen, da kann man ihm einfach nicht auch noch zumuten so etwas triviales wie einen Wetterbericht abzugeben.
Schreib ihn am Schluss
Der erste Satz ist eine verdammt heikle Sache. Ohne ihn kann man nicht beginnen. Aber gleichzeitig ist er so ungeheuer wichtig, dass man gerade am Anfang keine Ahnung hat wie er aussehen soll. Deshalb bediene dich des Vorteils eines Schriftstellers: Du kannst die Geschichte überarbeiten.
Also beginn mit irgend einem Satz, mit dem miesesten, langweiligsten ersten Satz den du dir denken kannst, oder leih dir einfach Einen. Und dann leg los. Geh nicht wieder an den Anfang zurück bevor du nicht „Ende“ unter die Geschichte geschrieben hast. Erst dann machst du dir Gedanken darüber, wie du die Geschichte beginnen kannst um deinen Leser in deinen Bann zu schlagen.
Was ist der Beste erste Satz, den du je gelesen oder selbst geschrieben hast, oder der Schlechteste? Wie beginnst du deine Geschichten?
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