Echte Schreibblockaden gibt es nicht, denn wenn dich etwas davon abhält, an deiner Geschichte zu arbeiten, musst du „nur“ herausfinden, was dieses Ding ist. Sobald du das weißt, ist es relativ einfach, ein Gegenmittel zu wählen.
Aber wie machst du das?
Die 11 Ebenen
Die 11 Ebenen sind dabei mein liebster Startpunkt. Sie sind der absolute Kickstarter, weil sie dir helfen, die Geschichte aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten – auch aus solchen, mit denen du dich gewöhnlich nicht jeden Tag beschäftigst.
„In welchem Genre schreibst du eigentlich“, hat mir dabei schon einige Male, geholfen, zu erkennen, warum es sich so merkwürdig anfühlt, dass einer der beiden Love-Interests lange nicht aufgetreten ist. Eine Liebesgeschichte gestaltet sich schwierig, wenn einer der beiden potenziellen Partner nicht anwesend ist.
Der Plot hängt
Als Nächstes kannst du dir natürlich den Plot anschauen, ob dort das Problem liegt. Nicht viel stoppt einen Schreibprozess effizienter, als eine schickes Plotloch, das dir unüberwindlich scheint.
Aber im Endeffekt ist ein Plotloch eben auch nur ein Problem, für das du eine Lösung finden musst (und finden kannst). Dafür gibt es die unterschiedlichsten Ansätze. Du kannst zum Beispiel über die Geschichtenstruktur gehen, Zoom-Plotting betreiben oder das Schreibtagebuch benutzen (s.u.).
Charakter Probleme
Es ist aber auch möglich, dass es an den Charakteren liegt, dass es nicht weiter geht. In vielen Fällen kannst du dir zum Beispiel schon damit helfen, dass du dir darüber klar wirst, ob die Charaktere alle einen Pfeil auf dem Kopf haben. Du musst wissen, was jeder Charakter erreichen will (wenn nicht, wird es problematisch).
Außerdem sollten die Charaktere konsistent handeln und glaubwürdig sein. Auch hier gibt es neben dem Schreibtagebuch (s.u.) noch etliche andere Möglichkeiten, Klarheit zu schaffen, einige davon sind direkt mit den Plot-Methoden verschränkt.
Was hat das jetzt mit dem Schreibtagebuch zu tun?
Eine der angegebenen Methoden wird die Lösung für dein Problem bringen und dich aus deiner „Schreibblockade“ herausholen. Aber häufig ist es gar nicht so einfach, zu erkennen, welche dieser Methoden das sein wird.
Genau hier kommt das Schreibtagebuch ins Spiel. Es ist das ultimative Mittel, das dir entweder sagt, welche Methode du anwenden musst, oder dir sogar bereits die Lösung auf dem Silbertablett präsentiert. Dabei ist das Schreibtagebuch genauso simpel, wie es einfach anzuwenden ist.
Anmerkung: Schreibtagebuch 1.0
Ich weiß, ich habe schon einen Artikel zum Thema Schreibtagebuch geschrieben:
Und habe immer wieder gerne dorthin verwiesen, wenn ich dieses Mittel erklären wollte. Aber kürzlich ist mir aufgefallen, dass der wichtige Teil, der, den ich meine, wenn ich sage: „Das Schreibtagebuch hilft beim Lösen von Problemen“, gar nicht in dem ursprünglichen Artikel erklärt ist. Das möchte ich hiermit nachholen.
Dazu hier kurz das Schreibtagebuch in seiner „Urform„. Es ist dafür da:
- Deine Zeit zu tracken
- Erfolge festzuhalten / dich zu motivieren
- Tipps und Tricks für das nächste Buch zu sammeln
Schreibtagebuch 2.0
Das Schreibtagebuch als Problemlöser (über das ich in diesem Artikel spreche) dient dazu, dein aktuelles Problem zu finden und zu lösen.
Aber wie genau geht das? Fangen wir von vorne an.
Wo schreibe ich das?
Du brauchst dafür kein extra Buch und auch kein spezielles Programm. Ein Schmierzettel reicht völlig, alternativ kannst du jedes Programm benutzen, das Text auf den Bildschirm bringt.
Ich persönlich erstelle mir in Scrivener einfach eine neue Szene, wenn ich das Schreibtagebuch-als-Problemlöser nutzen möchte.
Wann schreibe ich das?
Dafür gibt es keine Regel. Wichtig ist, dass das Schreibtagebuch (entgegen seinem Namen) nichts ist, was du täglich machen musst.
Es ist einfach immer für dich da, wenn du ein Problem hast und in deiner Geschichte nicht weiter weißt. Dabei ist es völlig egal, warum du nicht weiterkommst.
Es kann zwar hilfreich sein, wenn du schon eine ungefähre Ahnung hast, was dein Problem ist, notwendig ist das aber nicht. Was ich genau damit meine, dazu kommen wir im nächsten Schritt.
Wie schreibe ich das?
Als Erstes schreibst du einfach dein Problem hin. Sei dabei genauso vage oder spezifisch, wie du es eben greifen kannst. Versuche, zu beschreiben, warum du so empfindest, wie du empfindest und was dich an diesem Problem am meisten stört. (Wenn du überhaupt keine Ahnung hast, was falsch läuft, sind die 11 Ebenen dein Retter.)
Je genauer du das Problem eingrenzen kannst, desto besser. Schon alleine dadurch kann der Knoten platzen. In diesem Punkt ist das Schreibtagebuch als Problemlöser so etwas wie die schriftliche Form des „Rubber-Duckings“*. Aber im Gegensatz zur Rubber-Ducking-Methode, bist du an dieser Stelle noch nicht fertig.
Sobald du das Problem (so gut wie möglich) beschrieben hast, versuchst du Lösungen zu finden. Schreib alle Möglichkeiten auf, die dir in den Sinn kommen, auch wenn sie noch so abstrus klingen und auch dann, wenn du jetzt schon weißt, dass du eine spezielle Lösung nicht verwenden möchtest.
Wichtig ist in so einem Fall, dass du aufschreibst, warum du eine bestimmte Lösung nicht magst:
- Was stört dich daran?
- Wie sähe eine ideale Lösung aus?
Auch wenn du keine „echte“ Antwort auf diese Fragen findest, kannst du vielleicht trotzdem sagen, was eine Lösung enthalten müsste, die dir gefällt.
Dann frag dich:
- Was könnte in der Geschichte passieren, damit diese Lösung eintritt?
Manchmal findest du dafür schon in der aktuellen Szene eine Lösung. Falls nicht, mach gerne „einen weiten Schritt zurück“, betrachte die Geschichte von außen (den gesamten Plot) und tu so, als wäre wirklich alles möglich. Als könntest du alles umkrempeln und die gesamte Welt der Geschichte aus den Angeln heben – immerhin bist du dort „Gott“.
Und dann?
Im Endeffekt ist das Schreibtagebuch-als-Problemlöser eine Unterhaltung mit dir selbst. Schreiben ist konzentriertes Denken.
Dadurch, dass du dein Problem in Worte fasst, gibst du deinem Unterbewusstsein die Möglichkeit, eine Lösung zu finden. Alleine schon durch die „Verbalisierung“. Dazu kommt noch, dass du auch „abstruse Dinge“ zulässt und so herausfindest, was dir gefällt und was nicht.
Dabei hat das Schreibtagebuch-als-Problemlöser (im Gegensatz zum Gespräch mit einer Gummiente) den Vorteil, dass du dir Mühe beim Formulieren geben musst und dass du am Ende eine Aufzeichnung von deinen Problemen hast und von sämtlichen Lösungen, die dir eingefallen sind (samt Begründung, warum sie dir gefallen haben – oder eben nicht).
Das ist dann rückblickend ein bisschen wie das Making-of für deine Bücher.
Das könnte so aussehen:
Ein echter Problemlösungs-Schreibtagebuch-Eintrag von mir:
Entstanden während des Schreibens von Lost Love – Das Geheimnis von Daltons Creek.
Dann haben wir aber „nur“ den Bösewicht1 auf der Jagd nach dem Protagonisten. Vielleicht noch zusammen mit einem Kumpel. Die zwei könnten dann am Ende Verstärkung besorgen … aber warum? Die müssen ja verheimlichen, dass sie das … (die Lösung gefiel mir nicht, also hab ich an einer anderen Stelle weitergemacht)
Oder zumindest die Kartell-Übernahme weglassen.
BAMMM!!! 3.8.2021 – 14:28 Uhr
DADURCH, dass der Oberbösewicht VERSUCHT hat, das Kartell zu übernehmen, hat er noch keinen festen Stand. Er ist nicht so gelassen wie er sein müsste (oder könnte), er hat nicht so viele Anhänger wie er bräuchte.
Und weil er sich dann auch noch ablenken lässt, durch den Tod seines Sohnes, wird er als unwürdig eingestuft und von alten Anhängern des ehemaligen Oberbösewichts erledigt, die ihre Zeit als gekommen ansehen (Nachdem (oder während) er den Überfall (Endkampf im Wald) auf den Protagonisten gestartet hat.)
Achtung! Hierbei handelt es sich um einen echten Auszug aus meinem eigenen Schreibtagebuch zu „Lost Love – Das Geheimnis von Daltons Creek“.
- Das ist noch nicht die endgültige Lösung, die es ins Buch geschafft hat, aber es hat mich massiv in die richtige Richtung katapultiert.
- Es kann durchaus sein, dass das sehr wirr für dich klingt. Das ist in Ordnung. Es hat lediglich dazu gedient, dass ich in diesem Augenblick eine Lösung für meinen (bis dahin noch unglaubwürdigen) Antagonisten brauchte.
- Während des eigentlichen Schreibens habe ich die Namen der Charaktere verwendet. Weil die dir aber nichts sagen, wäre das an dieser Stelle nur noch verwirrender gewesen (insbesondere, weil sie sich die Namen nach diesem Eintrag noch geändert haben). Deshalb habe ich sie durch „Protagonist“ und „Bösewicht1“ etc. ersetzt.
- Wie du siehst, habe ich in diesem speziellen Beispiel und an dieser Stelle mein Problem nicht formuliert. Das ist in Ordnung, solange DU weißt, worum es geht. Auch beim Schreibtagebuch-als-Problemlöser gilt: Nimm mit, was für dich funktioniert und vergiss den Rest. Mach dein eigenes Werkzeug daraus!
Fazit
Hast du schon einmal das Schreibtagebuch benutzt, um ein Problem zu lösen? Oder willst du es benutzen? Erzähl uns in den Kommentaren davon!
Alexa meint
Hallo Jacky,
ich habe beim Lesen deines Artikels festgestellt, dass ich das tatsächlich bereits so ähnlich mache, wie du oben beschrieben hast. Allerdings heißt die Datei bei mir nicht „Schreibtagebuch“, sondern „Allgemeine Überlegungen“. Und da notiere ich eben auch Fragen, die noch offen sind, eventuelle Widersprüche/Logiklöcher, die noch ausgebügelt werden müssen und auch mögliche Lösungen dafür. Toll, dass du das auch so machst und es bei dir ja offenbar funktioniert. Ich finde diese Methode auch sehr hilfreich und kann sie nur jedem empfehlen.
Und sie ist auf jeden Fall besser, als das Gespräch mit der Gummiente!
Jacky meint
Vielen lieben Dank für deine Antwort 🙂
Wie cool, dass du das genauso macht 8)
Über den Namen lasse ich tatsächlich mit mir verhandeln. Ich hab die erwähnte Szene in Scrivener auch schon manchmal Denkdatei genannt, oder Rundumschlag oder ganz anders. Aber als Schreibtagebuch hab ich es meist bezeichnet, wenn man mich danach gefragt hat. Hauptsache, es erfüllt seinen Zweck 😉
Steffi meint
Lustig, diese Datei in Scrivener heißt bei mir Brainstorming und wenn sie zu groß wird, gibt es Brainstorming 2 und 3 und …
Ich nenne das schriftlich denken und ich kann bestätigen, dass es wirklich gut funktioniert!
Liebe Grüße, Steffi
Jacky meint
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar!
Wie cool!
Noch ein Beweis 8) So darf es weitergehen 🙂
Ganz liebe Grüße
Jacky 😉