„Wie findest du das?“ Ein Satz, den jeder Autor schon einmal gesagt hat.
Du legst dein Herzblut in eine Geschichte, füllst sie mit Charakteren, Details und Gefühl, überarbeitest sie zwanzig Mal im Schweiße deines Angesichts, und dann gibst du sie zu treuen Händen einem guten Freund zu lesen. Aber eine Frage:
Willst du die Antwort wirklich wissen?
Wenn du ganz ehrlich bist, dann musst du diese Frage wohl mit „Nein“ beantworten. Denn eigentlich hättest du am liebsten ein freudestrahlendes „Mein Gott ist das genial geschrieben!“
Hast du dich tatsächlich für einen Freund als Erstleser entschieden, dann wirst du wahrscheinlich noch nicht mal enttäuscht. Wenn dein Betaleser aber ehrlich ist, dann wird es Punkte geben die ihm nicht gefallen.
Wie sollst du damit umgehen?
Kritik ist das eine Puzzlestück, dass du nicht selbst in deine Geschichte einbauen kannst. Du brauchst jemanden, der noch nicht weiß, was alles in deinem Kopf vorgeht. Einen „unbedarften“ Leser, ein „leeres Blatt“. Jemanden, der dir sagt, was bei ihm noch nicht ankommt und wo Erklärungsbedarf besteht.
Solche Menschen sind unheimlich wertvoll. Deshalb hier 3 Regeln, wie du mit ihrer Kritik umgehen solltest.
Regel 1:
Halt den Mund und hör aufmerksam zu.
Das klingt vielleicht selbstverständlich, aber wie oft habe ich schon an mir selbst gesehen, dass sich schon nach dem ersten Punkt mein Ego einschaltet und sich eine Rechtfertigung überlegt. Dadurch verpasse ich aber all die anderen Punkte, die ich hätte mitbekommen sollen.
Eine Kritik ist immer nur so gut, wie die Person, die sie entgegennimmt. Die beste Kritik der Welt wird dich um keinen Zentimeter weiterbringen, wenn du nicht genau zugehört hast.
Regel 2:
Rechtfertige dich nicht!
Das klingt wie die erste Regel und in der Tat sind sie sich sehr ähnlich. Das kommt daher, dass die erste Regel so unglaublich wichtig ist. Regel 2 ist aber darauf ausgelegt, dass du dich niemals rechtfertigen sollst.
Nein, auch dann nicht, wenn dein Gegenüber mit seiner Kritik fertig ist. Denn, deinem Kritiker ist es egal, ob du das mitten in der Nacht geschrieben hast, oder ob du noch keine Lust hattest eine Rechtschreibprüfung drüber laufen zu lassen. Er ist in diesem Punkt genau wie ein ganz normaler Leser und eben das ist ja sein Vorteil, der Grund, warum du ihn gebeten hast sich das anzuschauen.
Wenn du dich rechtfertigst, wirst du ihn im besten Fall als Probeleser verlieren, im Schlimmsten wird er beleidigt sein.
Und was ist mit deinen finalen Lesern? Möchtest du neben jedem Einzelnen im Bett sitzen und auch alles erklären?
Also halt den Mund und hör wirklich aufmerksam zu.
Regel 3:
Lerne daraus. Egal wie unhöflich die Kritik formuliert ist: Versuche aus jedem Satz etwas zu lernen. Saug die Kritik in dich auf und wandele sie in Fortschritt um.
Je geneigter der Leser, desto eher wirst du etwas bekommen, mit dem du etwas anfangen kannst.
Manchmal lernst du, dass deutlicher werden muss, wie deine Figuren reagieren, manchmal lernst du, dass du mehr zeigen musst und manchmal lernst du etwas völlig anderes. Jede Lektion ist genauso individuell wie deine Geschichte und der Leser.
Solltest du alle Kritik sofort umsetzen?
Nein.
Denk immer daran, wenn du eine Geschichte 50 verschiedenen Leuten zu lesen gibst, wirst du 50 unterschiedliche Kritiken bekommen. Was dem Einen gefällt, kann den Anderen vor den Kopf stoßen – du kannst es nicht jedem recht machen. Es geht also nicht darum wirklich alles genau so zu ändern, bis es diesem einen Leser gefällt. Es geht zunächst darum, herauszufinden was alles geändert werden „könnte„.
Wenn dann zwei oder drei oder vier Leser sagen, dass eine Stelle langweilig oder ein wichtiger Charakter unsympathisch ist, dann bist du gut beraten, die Kritik auch umzusetzen.
Das heißt, wenn du ein paar Kritiken gesammelt hast, kannst du einen Konsens daraus ziehen und dadurch lernen, was geändert werden „muss„.
Der nächste Entwurf
Damit ist die Geschichte natürlich noch nicht fertig. Mit den eingebauten Änderungen hast du den nächsten Entwurf, dann kommt das nächste Probelesen und dann fängt alles wieder von vorne an. So lange bis der allgemeine Konsens lautet „Okay … kannst du so lassen„.
Diskussion
Folgst du den drei Regeln? Wie gehst du mit Kritik um? Wie viele Betaleser hast du? Wie entscheidest du, wann du ihre Kritik umsetzt?
Anton meint
Das muss ich sacken lassen, damit kann ich viel anfangen.
Jacky meint
Freut mich 🙂
Ulrike meint
Hey,
bisher hatte ich nicht das Gefühl, dass mir Kritik ertragen schwer fiel, sofern sie an dem Werk (sachlich) war und nicht an meiner Person. (Ich weiß selbst, dass ich total kindisch, doof und keine Ahnung von nix hab, danke, aber jetzt bitte zurück zu meinem Werk…)
Ich hatte für mein erstes Werk nur einen Probeleser. Sehr genau, sehr kritisch, nie persönlich werdend. Mit vielen Fragen (hier ist unklar, woher die Info ist. Was beudetet dieses? Was heißt jenes?) Auch Grammatik und Rechtschreibung wurde mit angemerkt (wo es immer tolle Unterschiede gab, da er Österreicher und ich Deutsche bin). Er hat selbst vorsichtig angefragt, ob es mich stören würde, wenn er meine Arbeit korrigieren würde (er bat, es lesen zu dürfen, als ich ihm davon erzählte). Da hab ich natürlich sofort JA! BITTE! gesagt. Und was soll ich sagen? Ich hätte mir keinen besseren wünschen können als diesen Informatiker 🙂
Der Deutschstudent, den ich gefragt hatte, meinte nur: „Klingt gut. Wird bestimmt gelesen werden.“
Die Kritik fand ich gar nicht toll.
Aber ich bin auch ein sehr direkter Mensch, der erst sehr spät gelernt hat, Ironie etc. zu verstehen. Von daher ist mir eine direkte Ansage lieber. Und als Softwaretester weiß ich, dass Kritik hilfreich ist, die Qualität zu verbessern. Und ich hab einen hohen Qualitätsanspruch! Ich will etwas liefern, dass ich selbst auch so nutzen/lesen würde wollen.
Also bin ich vielleicht auch ein Sonderfall..