Ich werde öfter gefragt, wie man Roman schreiben üben kann.
Die Meisten sind sich im Klaren darüber, dass sie sich nicht einfach hinsetzen und einen Roman aus den Fingern schütteln.
Nur üben hilft, die größeren Hindernisse galant zu umschiffen. Deshalb habe ich hier einen Trainingsplan aufgestellt, in der Hoffnung, dass er dir weiterhilft.
Kurzgeschichten
Das ist mein persönlicher Geheimtipp. Wenn du wirklich noch nie (oder nur sehr wenig) geschrieben hast, dann fang mit einer Kurzgeschichte an. Damit meine ich nicht Mal eine Kurzgeschichte im üblichen Sinne. Ich meine einfach nur eine kurze-Geschichte. Fang klein an und arbeite dich langsam hoch zu den „großen“ Sachen vor. Wenn du keine genaue Vorstellung hast, wie das gehen soll, dann hab ich mich hier an einer Todoliste versucht.
Trainingsplan
Hier habe ich dir also einen kleinen Trainingsplan zusammengestellt. Je nachdem wie weit fortgeschritten du bist, kannst du die einzelnen Stufen natürlich gerne überspringen. Die Themen, die ich als Übungsaufgabe angegeben habe, sind absolut freiwillig. Wenn du eine bessere Idee hast – etwas was dich mehr berührt – dann nimm lieber das. Dein Kopf weiß selbst am besten, was er schreiben möchte. Meine Vorschläge sind nur Rettungsanker, falls du gar keine Idee hast, worüber du jetzt schreiben sollst, oder wenn du deine guten Ideen nicht gleich am Anfang verbraten möchtest.
Du kannst gerne jede Übung so oft wiederholen, wie du möchtest, bevor du dich an die nächste Stufe machst. Es geht darum, dass du dich wohlfühlst. Das ist wie mit dem Gewichtheben. Wenn dir zwei Kilo schon Schwierigkeiten machen, dann wiederhol es lieber noch ein paar Mal, bevor du dich an die fünf Kilo wagst. Wenn du aber 50kg mit Leichtigkeit hebst, dann überspring 5kg ganz. Du verstehst was ich meine
Wenn ich über „Seiten“ spreche, dann meine ich übrigens stinknormale Din-A4 Seiten, die du mindestens in Schriftgröße 12 oder größer beschreibst. Du kannst gerne den doppelten Zeilenabstand verwenden, um dir das Korrigieren einfacher zu machen – das bleibt komplett dir überlassen. Mir ist klar, dass dadurch weniger auf eine Seite passt, aber weil es ja nur Übungen sein sollen, ist der Unterschied für uns hier völlig unerheblich.
Stufe 1
Für den Anfang möchte ich, dass du wirklich ganz klein anfängst. Es sollte etwas sein, dass nur ein oder höchstens zwei Seiten lang ist. Außerdem sollte maximal ein Charakter darin vorkommen. Fang an zuschreiben, einfach ohne große Planung, ohne wirkliche Idee, wo es hingehen soll. Vielleicht hast du einen Charakter, den Du magst, wirf ihn in eine konfliktreiche Situation und beschreibe, wie er wieder herausfindet. Dann leg das Ganze beiseite, ohne es zu korrigieren.
Hilfreiche Einschränkungen: ein Charakter, ein Handlungsort, eine Situation, Handlungsdauer ein paar Minuten, maximal ein paar Stunden.
Übung 1: Hanna hat Klaustrophobie, lässt sich wider besseres Wissen dazu überreden (alleine) den Aufzug zu nehmen und der bleibt natürlich stecken.
Stufe 2
Schreib eine neue Geschichte, mit einem neuen Thema, einem anderen Charakter, einem anderen Handlungsort. Diesmal sollte die Geschichte etwa drei bis fünf Seiten lang werden. Bevor du loslegst, überleg dir eine unerwartete Wendung für das Ende. Das soll nur eine vage Idee sein, vielleicht auch nur das Wissen, dass du so eine Wendung einbauen möchtest. Du musst nicht wirklich wissen, was geschehen soll, nur dass etwas geschehen soll. Lass die Dinge einfach passieren, wie sie wollen. Wenn du fertig bist, kommt auch dieses Werk ohne Korrektur in die Schublade zum Ersten.
Hilfreiche Einschränkungen: ein Charakter, ein Handlungsort, eine Situation, Handlungsdauer ein paar Minuten, maximal ein paar Stunden, genau ein Höhepunkt bzw. Wendepunkt.
Aufgabe 2: Robert steht vor einer Türe und traut sich nicht sie zu öffnen, was dahinter liegt, wäre einfach zu schrecklich. Vielleicht stellt sich heraus, dass es die Kühlschranktür war, er war zwei Monate lang nicht zu Hause und hat vorher vergessen, Gemüse und Fleisch auszuräumen.
Stufe 3
Diesmal ist das Ziel eine Geschichte von fünf bis zehn Seiten Länge zu schreiben. Ich möchte, dass du dir ein wenig mehr Gedanken hierfür machst, und zwar über zwei Dinge: (Die Reihenfolge überlasse ich dir)
A: die Charaktere. Verfolge dazu (nur ganz oberflächlich) Teil 1, 2, 3 und 5 der Charaktererschaffung. Mach also eine Skizze, denk dir einen Namen aus, überleg dir, wie er aussieht und was er so vom Leben erwartet.
B: die Geschichte. Wirf die beiden Charaktere in einen Topf und sieh zu, was passiert. Verfolge dazu (nur ganz oberflächlich) Schritt 1, 2 und 3 von der Schneeflocken-Methode. Fasse also in einem Satz zusammen, worüber du schreiben willst, formuliere in fünf Sätzen welche Höhepunkte und welches Ende deine Geschichte haben soll, und überleg dir, wie das Ganze aus der Sicht deines Charakters aussieht.
Dann setz dich hin, schreib es einfach auf und leg es anschließend in die Schublade.
Hilfreiche Einschränkungen: zwei Charaktere, zwei Handlungsorte, zwei Situationen, Handlungsdauer ein paar Stunden, maximal ein paar Tage, ein oder maximal zwei Höhe- bzw. Wendepunkte.
Aufgabe 3: Anna ist das, was man gemeinhin eine Streberin nennt, Rosa ist Chef einer Schulgang, deren Lieblingsopfer Anna ist. Anna lässt sich das normalerweise gefallen, aber gestern ist ihre Mutter ins Krankenhaus gekommen und es gibt einfach nichts, was sie auf dem Nachhauseweg aufhalten kann. Als die Bande sich ihr also in den Weg stellt, faltet sie die Tussis ganz schön zusammen. Die sind so baff, dass sie Anna gehen lassen. Als die Sprechstunde zu Ende ist, trifft sie Rosa vor dem Krankenhaus und stellt überrascht fest, dass sie gar nicht so ein Ar*** ist.
Stufe 4
So, jetzt hast du dich bereits ziemlich gut eingearbeitet, du kannst dich jetzt schon nicht mehr als Anfänger betrachten. Das heißt, es wird Zeit sich an etwas Größeres zu wagen. Sagen wir fünfzig bis hundert Seiten. Ich möchte, dass du dieses Mal eine ausgiebige Charakterentwicklung von ein bis drei Hauptcharakteren machst. Die Schneeflocken-Methode sollst du wieder nur so „oberflächlich“ wie in Stufe 3 anwenden. Wenn du möchtest, kannst du deine Vorarbeit zusätzlich durch Schritt 8 der Schneeflocken-Methode ergänzen, also eine tabellarische Szenenübersicht schaffen. Die Geschichte sollte dieses Mal drei Höhepunkte haben und mit einem davon anfangen.
Hilfreiche Einschränkungen: drei Charaktere, Handlungsdauer ein paar Tage, maximal eine Woche, drei Höhepunkte.
Aufgabe 4: Simon ist 23, hat seit ein paar Jahren eine eigene Wohnung, ist Biostudent und hat seit zwei Monaten eine Freundin, die er abgöttisch liebt. Er kommt mittags nach Hause und findet sie mit seinem besten Freund im Bett (wie reagiert sie alle?). Am selben Abend geht er auf eine Studentenparty und besäuft sich heillos, sein bester Freund taucht auf und sie sprechen sich aus (wie geht es aus? Kann er ihm verzeihen?). Ein paar Tage später ist Simon in der Mensa, er sieht Simon und seine Exfreundin (wie reagiert er? Spricht er sie an?).
Stufe 5
Jetzt ist es soweit, du schreibst deinen ersten Roman. Das heißt, diesmal sollte dein Ziel eine Geschichte mit etwa zweihundert Seiten sein. Du hast dich langsam gesteigert, bist von zwei auf mehr als fünfzig Seiten gekommen, da schaffst du diesen Schritt auch noch. Diesmal möchte ich, dass du die Charakterentwicklung nur ganz „oberflächlich“ machst.
Dafür sollst du dich umso ausführlicher mit der Schneeflocken-Methode beschäftigen. Das ist das erste Mal, dass es keine Einschränkungen gibt, was Anzahl der Charaktere und zeitliche Dauer der Geschichte angeht. Die drei großen Höhepunkte kannst du noch als Vorgabe nehmen, wenn du möchtest, das war es auch schon.
Diesmal gibt es auch kein Beispiel, schließlich soll es deine eigene Schneeflocke werden. Wenn du gar keine Idee hast, dann nimm den geldgeilen Geschäftsmann und die keusche Nonne, oder den auserwählten Drachenkrieger im Kampf gegen das Böse.
Stufe 6
Bisher hast du geschrieben, geschrieben, geplant, geplottet und geschrieben. Das ist vollkommen richtig so und wichtig. Nun kommen wir zur Inspektion. Jetzt ist der Zeitpunkt da, wo du zum allerersten Mal eine Geschichte von dir selbst liest. Nimm dir deine Geschichten am besten der Reihe nach vor und lies sie durch. Du wirst erkennen, dass die ersten Stufen holprig und ein wenig fremd klingen, dass sich dein Geschreibsel aber mit der Zeit verbessert und du mit einigen Teilen sogar sehr zu frieden bist.
Und jetzt möchte ich, dass du dir eine Geschichte aussuchst und sie korrigierst. Lass ein Rechtschreibprogramm drüber laufen, kümmer dich um Logik, Spannung und Aufbau, versuch das Beste herauszuholen, was irgendwie geht. Dann such dir wenigstens fünf Probeleser und leg dein Herz in ihre Hände.
Stufe 7
Du weißt jetzt wie es ist lange Geschichten zu schreiben. Du kennst deine Kritiker, weißt, wie sie reagieren, wie schnell ihre Antworten kommen, in welche Richtung ihre Kritik geht, ob sie besser für die erste Korrektur oder den letzten Feinschliff geeignet sind. Du hast haufenweise Erfahrung gesammelt. Also jetzt hock dich hin und fang an die Geschichte zu schreiben, die dir schon so lange auf der Seele brennt. Schreib die Idee auf, die dir alles bedeutet. Diesmal gibt es keine Vorgaben. Du hast Charakterentwicklung und Schneeflocken-Methode in allen möglichen Tiefen und Kombinationen verwendet, sodass du jetzt selbst am besten weißt, wie viel du von welcher Komponente brauchst, damit dir das Schreiben leicht fällt.
Viel Erfolg und Kreativität.
Diskussion
Auf welcher Stufe befindest du dich? Hast du den Trainingsplan ausprobiert? Hilft dir diese Methode weiter? Wie tastest du dich an deinen ersten eigenen Roman heran? Wie sieht dein eigener ganz persönlicher Trainingsplan aus?
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