Bei der Diskussion zu „Kritik ertragen“ kam die Frage auf: Wie finde ich kompetente Probeleser?
Vorausgesetzt du hast den Schneid dazu, dich konstruktiver Kritk zu stellen, dann will ich dir hier ein paar Tipps geben, wie du deinen Probeleser auswählen kannst.
Was ist ein geneigter Leser?
Ein geneigter Leser ist eine Person, die generell dazu bereit ist deine Geschichte gut zu finden.
Es gibt unsagbar viele Gründe, warum jemand deine Geschichte gar nicht gut finden kann, (oder möchte). Und zwar völlig unabhängig davon wie gut deine Geschichte wirklich ist.
Eifersüchtige (nicht-wirklich-) Freunde
Am einfachsten zu erkennen ist da wohl die Eifersucht. Wollte derjenige immer schon ein Buch veröffentlichen, ist aber nie über den zweiten Satz hinaus gekommen? Fällt es ihm deshalb schwer, dir dein Erfolg zu gönnen?
Versteckte Gefühle
Daneben gibt es noch viel subtilere Gründe, die dem zukünftigen Probeleser gar nicht bewusst sein müssen. Vielleicht bist du die einzige Tochter und deine Mutter hat Angst, dass du als erfolgreicher Autor hinaus in die weite Welt ziehst und sie alleine lässt. Dann möchte ihr Unterbewusstsein vielleicht nicht, dass ihr die Geschichte gefällt, gerade weil sie dich liebt.
Bei diesen beiden Punkten ist deine Menschenkenntnis gefragt oder du beschließt einfach, weder Freunde noch Familie als Testleser zu benutzen.
Genre-Fremde Leser
Dann gibt es noch einen weiteren, sehr wichtigen Punkt, der eine Person als Testleser ausschließt: „Ich mag dein Genre nicht„.
Gib einem Actionfan einen „Rosamunde Pilcher“-Roman zu lesen und er wird dich im besten Falle lynchen. Gib einem Romantiker einen Splatterroman und es werden ihn Alpträume plagen. Die Lösung ist so einfach wie auch simpel: Frag deinen Probeleser vorher, ob er dein Genre mag, frag ihn ob er Lust dazu hat dein Werk probezulesen und frag ihn auch, ob er überhaupt gerne liest.
Jemand der generell lieber fernsieht, ist bestimmt kein geneigter Leser, denn er kann dein Werk gar nicht gut finden.
Zwangsleser
Ein geneigter Leser fühlt sich niemals dazu gezwungen deine Geschichte gut zu finden.
All zu gerne nehmen wir ein Familienmitglied oder einen guten Freund als Probeleser. Dabei ist genau das mit Vorsicht zu genießen. Denn sobald auch nur die kleinste Chance besteht, dass er dich mit seinem Urteil verärgert, wird er dir lieber das Blaue vom Himmel lügen, als zuzugeben, dass ihm dein Werk nicht gefällt.
Dabei ist es genau das, was du gerade nicht möchtest.
Um dem entgegenzutreten, erkläre deinem Freund, dass du durchaus in der Lage bist, Kritik zu ertragen, dass es dir sogar abträglich wäre, wenn er die Dinge schön redet. Oder noch besser, nimm jemanden, der nicht dein Freund ist. Wäge auf jeden Fall vorher ab, ob dein Gegenüber in der Lage ist deine Freundschaft und deine Person von der Geschichte zu trennen.
Wie findest du solche Leser?
Zum Einstieg wird es wahrscheinlich nicht ausbleiben, dass du auf deinen Freundes- und Verwandtenkreis zurückgreifst. Solange du dabei auf die oben angesprochenen Punkte achtest und ein ehrliches Gespräch mit ihnen führst, spricht absolut nichts gegen.
Als nächste Anlaufstelle kommen Schriftsteller-Foren und Gruppen im Internet in Frage.
Dann gibt es Kurse an Fernunis oder in Volkshochschulen für Kreatives-Schreiben, wo du zumindest für kürzere Texte ein offenes Ohr finden wirst.
Wenn dir all diese Quellen nichts nützen, dann bleibt dir am Ende immer noch, einen Lektor anzuheuern (in jedem Fall empfehlenswert!). Ein Lektor ist kein feindliches Wesen.
Die Aufgabe eines Lektors ist es, dem Autor dabei zu helfen sein Ziel zu erreichen und das auszudrücken, was er auch sagen möchte. Gerade deshalb empfehle ich, zunächst ein ausführliches Telefonat mit ihm zu führen, um sicherzugehen, dass die Chemie stimmt und dass ihr auf dasselbe Ziel hinarbeitet: die bestmögliche Geschichte.
Bleibe kritisch
Am Ende liegt es immer bei dir, einen Probeleser auszuwählen. Am besten nimmst du ihn ein wenig an die Hand, sagst ihm, wie eine konstruktive Kritik aussehen sollte, dass er Notizen machen soll und dass du ihm sicher nicht böse sein wirst, egal wie sein Urteil ausfällt.
Egal wie seine Kritik auch ausfallen mag, bleibe skeptisch. Das klingt nach einem Widerspruch zum Offenbleiben, dass ich noch in meinem letzten Beitrag gepredigt habe. Aber ich meine es nur in sofern, dass:
Eine Meinung ist eben nur genau das: eine Meinung. Wähle immer mehrere Probeleser aus, verbessere nicht wild alles was jedem Einzelnen aufgefallen ist, sondern das, was dir zum Einen sinnvoll erscheint und vor allem das, worüber es (größtenteils) einen gemeinsamen Konsens gab.
Am wichtigsten aber ist, dass du manche Dinge nicht änderst. Es gehört dazu, dass du deinen Leser auf die Folter spannst. Wenn er unbedingt möchte, dass Gerd und Petra heiraten, dann wird das vielleicht gar nicht passieren, selbst wenn doch, geschieht es bestimmt nicht am Anfang der Geschichte. Manche Leser bemerken nicht, dass es gerade diese Ungewissheit ist, die sie dazu bringt, immer wieder die nächste Seite umzuschlagen. Du bist der Autor und es ist deine Geschichte.
Aber wenn 8 von 10 Lesern dir sagen, dass sie Emily einfach nicht ausstehen können und dass ihre Motivation nicht klar wird, dann solltest du schon ernsthaft darüber nachdenken in diese Sache ein paar Sätze mehr zu investieren.
Jetzt du:
Wer war der beste Probeleser, den du jemals hattest und warum?
Wie wählst du deine Probeleser aus?
Was ist dir besonders wichtig: Was sollte ein Probeleser unbedingt haben/sein?
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