Vor einer ganzen Weile habe ich schon einmal einen Beitrag über „zeigen nicht beschreiben“ verfasst.
Heute möchte ich, auf einen Leserwunsch hin, daran anschließen und mich mit Gefühlen beschäftigen.
In diesem Artikel geht es darum, wie du Gefühle zeigen kannst, statt sie zu beschreiben.
Der Unterschied
Gegenstände, Personen und Kleidungsstücke zu zeigen, indem du sie in die Handlung einbaust, darüber haben wir ja schon gesprochen, wo genau ist jetzt der Unterschied zu den Gefühlen?
Der Unterschied liegt darin, dass du Gegenstände anfassen kannst, du kannst sie berühren, begreifen, und mit ihnen interagieren. Gefühle dagegen sind abstrakt, sie sind nicht fassbar; sie existieren in dir oder in deinem Charakter und ändern sein Verhalten.
Die Gemeinsamkeit ist allerdings genauso groß. Denn genauso, wie du Gegenstände in die Handlung einbaust, werden auch Gefühle gezeigt.
Das Einfachste ist manchmal das Beste
Bevor ich zum Zeigen komme, noch eine kleine Anmerkung. Viele der Beispiele, die ich gleich anführen werde, sind zwar für Anschauungszwecke gut geeignet, aber auch schon ziemlich ausgelutscht. In solchen Fällen, oder wenn du sonst zu weit von der eigentlichen Handlung abschweifen müsstest, oder wenn einfach zu viele Gefühle wichtig sind, ist es manchmal ratsam, einfach hinzuschreiben „Sie war wütend, traurig, entsetzt und glücklich zugleich„.
Wie immer liegt es an dir, das richtige Gleichgewicht, die goldene Mitte zu finden. Wo die liegt, oder was das ist, liegt stark an deinem persönlichen Geschmack, an der aktuellen Szene und an dem Sinn, der Motivation, dem Plot deiner Geschichte.
Und dann möchte ich noch anfügen, einiges Gefühl transportiert sich auch ganz automatisch, wenn du dich umfassend mit deinem Charakter beschäftigt hast.
Mit Gefühl
Kommen wir also zum Hauptpunkt. Fangen wir mit einem Beispiel an. Ich werfe dich einfach in die Situation, versuch zu erraten, was Michael und Sarah fühlen. Unter dem Beispiel beschreibe ich dir das, was ich vorhatte.
Sarah ballte die Fäuste. “Kannst du sie nicht endlich vergessen?”
“Wie könnte ich …”, sagte Michael und starrte aus dem Fenster. “Sie ist meine einzig wahre Liebe.”
“Was kann das für eine Liebe sein, wenn sie dich behandelt wie den letzten Dreck?” Sie versuchte sich zusammenzureißen, konnte aber ein leises Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen.
Michaels Mundwinkel zuckten unwillkürlich. “Das war nicht ihre Schuld.” Er ging ans Fenster, drehte sich, dass sie sein Gesicht nicht mehr sehen konnte. “Sie hatte keine andere Wahl.” Jetzt klang seine Stimme brüchig.
“Keine andere Wahl? Meinst du, er hat ihr ne Kanone auf die Brust gesetzt und gesagt ‘F**k mich!’?” Sarahs Blick wurde unscharf, schnell wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen. Nicht jetzt. Sie musste sich zusammenreißen. Wie konnte er nur so blind sein? Wie konnte er diese Ziege nur immer wieder in Schutz nehmen? Wie konnte er so lange übersehen, dass sie für ihn all das sein konnte, was er in diesem Miststück zu sehen glaubte?
Intention: Michael hängt immer noch einer alten Liebe nach und will bloß eine Freundschaft. Sarah empfindet schon lange mehr für ihn, kann das aber nicht zugeben. Als Michael sich erneut bei Sarah ausheult, kommt es zum Streit.
Okay, genug Beispiel. Ich denke es wird hier ziemlich deutlich, ich habe nicht ein Wort darüber verloren, wie sich die beiden fühlen, es steht nirgendwo „Sarah ist traurig und verletzt„, oder „Michael versucht sich selbst etwas vorzumachen„. Trotzdem (hoffe ich) hast du schon während des Beispiels das erraten, was ich darunter erklärt habe. Du konntest dir also schon während des Lesens ein ziemlich gutes Bild davon machen, wie sie empfinden.
Wie hab ich das gemacht?
Dann lass uns mal genauer betrachten, welche Mittel ich dazu verwendet habe.
1. Dialog
Wie bereits in meinem Beitrag „Dialoge: Sprich dich aus, Alter“ erwähnt, ist die Wortwahl bei der direkten Rede ein guter Indikator für den Menschen, der hinter diesen Worten steckt. Aber das gilt nicht nur für seinen Charakter, sondern auch für seine Stimmungslage.
Es ist ein Unterschied, ob Sarah sagt „Meinst du nicht, es könnte möglich sein, dass sie sich ihm willentlich hingegeben hat?“ oder (wie oben) „Meinst du er hat ihr ne Kanone auf die Brust gesetzt und gesagt ‚F**k mich!‘?“ Ganz besonders wenn Sarah sonst ein eher ruhiger Mensch ist, sagt die zweite Version eindeutig aus: „Ich bin äußerst ungehalten„, um nicht zu sagen: „stinksauer„.
Schlussfolgerung: Die Wortwahl in der direkten Rede ist ein sehr direktes Mittel um Gefühle zu transportieren.
2. Gedanken
Ein weiteres sehr direktes Mittel sind die Gedanken einer Person. Dazu gibt es zweierlei zu sagen.
Zum Einen hängt es von der Perspektive ab, ob du dieses Mittel überhaupt verwenden kannst. Wie Holly in ihrem Gastbeitrag über die Perspektive schon geschrieben hat, kann die Wahl von verschiedenen Sichtweisen dir dabei helfen, dem Leser verschiedene Motive näher zu bringen.
Wichtig dabei ist, dass du konsequent bleibst. In meinem Beispiel habe ich Sarahs Sichtweise gewählt. Nur ihre Gedanken sind sichtbar, von Michael erfahren wir nur, was Sarah sieht. Um ihn durch die Betrachtung seiner Gedanken genauer unter die Lupe zu nehmen, bräuchten wir eine Szene, die aus seiner Perspektive geschrieben ist.
Zum Anderen musst du bei Gedanken sehr vorsichtig sein, nicht doch unbeabsichtigt zu beschreiben.
Du kannst bei Gedanken, genau wie bei der direkten Rede sehr viel durch die Wortwahl erreichen. Nur hast du hier die Freiheit einiges mehr einfließen zu lassen, als nur das, was man laut aussprechen würde. Du, bzw. dein Leser, sitzt jetzt im Kopf deines Charakters und du kannst ihn alles sehen oder hören lassen, was du willst.
Besonders gut geeignet um Gefühle zu zeigen, sind Fragen: „Wie konnte er diese Ziege nur immer wieder in Schutz nehmen?“ Das Wort „Ziege“ lässt darauf schließen, dass Sarah die Person nicht besonders gut leiden kann, und die Tatsache, dass es sich hier um eine rhetorische Frage handelt, die also schon eine Antwort impliziert (nämlich, dass „die Ziege“ das gar nicht verdient hat), gibt einiges an Aufschluss über Sarahs Gefühle.
Gedankliche Beschimpfungen, schmachten, oder Ähnliches sind ebenso geeignet, und können im selben Atemzug verwendet werden, um zusätzlich Gegenständliches zu zeigen (anstatt es zu beschreiben).
Während sie sprach, hefteten sich Michaels Augen automatisch auf ihren kirschroten Mund. Wenn sie ein ‚O‘ formte, begannen seine Lippen zu kribbeln. Ein heißer Blitz zuckte dann durch seinen Brustkorb und er fragte sich, was es wohl für ein Gefühl wäre sie zu küssen. Wie weich mussten sich diese vollen Lippen anfühlen und wie nah würde er dabei ihren Sommersprossen kommen.
Zugegeben, ein schnulziges Beispiel, und ein bisschen viel nur um ein Bild von ihren Lippen zu zeichnen, aber ich denke, es wird klar was ich meine. Außerdem zeigt es nicht nur ihre Lippen, sondern eben auch seine Gefühle.
3. Handlung
Wie bereits erwähnt, hatte ich keine Gelegenheit Michaels Gedanken in das erste Beispiel einzubringen, weil es aus Sarahs Perspektive geschrieben ist. Trotzdem hast du einiges über Michael erfahren. Das meiste davon, durch seine Handlung.
Er wendet sich ab, seine Mundwinkel zucken, er verbirgt sein Gesicht. All das sind eher subtile Hinweise darauf, dass ihm das Ganze nahe geht, dass er ihr doch nicht so verzeiht, wie es seine Worte behaupten. Besonders dann, wenn die Handlung nicht zum gesprochenen Wort passt, können sehr schön Gefühle deutlich gemacht werden.
Handlung ist aber auch dann ein guter Indikator, wenn gerade nicht gesprochen wird. Nehmen wir an, Sarah kommt gerade zur Türe rein.
Sie öffnete die Türe und sah Michael am Küchentisch sitzen. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und betrachtete ein Foto. Ein Foto von IHR. Sein Finger strich fast zärtlich über das Gesicht auf dem Bild, dann lief ein Zittern durch seinen Körper und er griff sich an die Stirn. Plötzlich zerriss er das Foto in zwei Hälften und schleuderte es durchs Zimmer. Sarah wich schnell zurück und spähte durch den Türspalt. Dann sah sie, wie er sich immer wieder die Fäuste ins Gesicht schlug. Sarah wollte gerade anklopfen und so tun als sei sie gerade erst angekommen, da stand er auf, hob die beiden Teile auf und fügte sie wieder zusammen. Sein Finger strich erneut über die Wange des Mädchens. Sarah schloss die Tür leise und ging zurück zum Wagen.
Okay. Keine Gedanken, keine Gespräche, nur reine, blanke Handlung. Trotzdem hast du jetzt wohl eine einigermaßen gute Vorstellung davon, dass Michael ziemlich hin und her gerissen ist zwischen Hass und Liebe. Auch über Sarah erfahren wir wieder, dass sie ihm gerne helfen möchte, das aber nicht kann, weil er noch zu sehr an IHR hängt. Für mich ist die Handlung eins der wichtigsten Mittel – wenn nicht sogar das Wichtigste – um Gefühle auszudrücken.
4. Rückblenden
Eine weitere Methode, die ich im ersten Beispiel allerdings nicht verwendet habe, ist die Rückblende.
Sarah trug vorsichtig Lippenstift auf. Im Spiegel beobachtete sie Michael, der plötzlich begann zu lächeln. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung. Dann wurden seine Augen glasig.
***
Er sah, wie Sarah sich den Lippenstift auftrug und sofort blitzte ein Bild vor ihm auf. SIE stand vor dem Spiegel im Badezimmer, drehte den Lippenstift auf, bemerkte, dass er SIE beobachtet und leckte sich kokett über die Lippen. Michael musste lächeln. SIE war so wunderschön. Dann sprang ihm eine andere Szene ins Gesicht. Dieser Typ lag nackt und schwitzend auf ihr, … in seinem Bett.
Was aus Sarahs Sicht einen Grund zur Hoffnung gab, sah aus seiner Sicht ganz anders aus. Wie er sich fühlt, braucht angesichts der Bilder die in ihm auftauchen nicht ausgesprochen zu werden.
In diesem Fall ist eine Rückblende, wenn sie kurz und knackig eingebaut wird, ein gutes Mittel um schnelle und klare Gefühle zu vermitteln.
5. Reaktion
Eigentlich ist Reaktion ein Teilgebiet der Handlung, trotzdem möchte ich kurz gesondert darauf eingehen. In unserem alltäglichen Leben ist es nämlich die Reaktion, die uns darüber aufklärt, was unser Gegenüber denkt.
Im echten Leben kannst du nicht in den Kopf eines anderen Menschen schauen, um zu sehen, was er denkt. Du kannst ihn nicht dazu zwingen mit dir zu reden. Du kannst nicht in seine Vergangenheit sehen und du kannst auch nicht dafür sorgen, dass du ihn in einem Moment erwischst, der dir seine Gefühle durch eine Handlung (wie im vorletzten Beispiel) offenbart.
Aber du kannst ihn immer beobachten und zusehen, wie er auf bestimmte Situationen reagiert. Du kannst sehen was er tut, wenn du den Namen seiner Ex erwähnst. Du kannst ihn auf das letzte Fußballspiel ansprechen, mit ihm dein Frühstücksbrot teilen, ihn zum Essen einladen, ihn als Faulenzer beschimpfen oder mit seinem besten Freund über seine sexuellen Vorlieben diskutieren und beobachten ob er noch immer mit dir redet, wenn ihr euch das nächste Mal trefft.
Das alles sind natürlich nur Beispiele. Aber jede Reaktion, die du auf deine eigenen Aktionen erhältst, lässt dich Schlussfolgerungen ziehen, ob und inwiefern dein Gegenüber etwas berühr. Natürlich sind diese Reaktionen nicht eindeutig, aber sie geben dir Hinweise, und genauso kannst du auch deinem Leser Hinweise auf das Gefühlsleben deiner Charaktere geben.
Besonders, wenn du eigentlich keine hundertprozentige Klarheit darüber schaffen willst, was für Gefühle deine Charaktere eigentlich haben. Dann gibst du deinem Leser nur eine Reaktion. Entweder er liest sie richtig, oder eben nicht. Egal wie er den Hinweis deutet, er ist sich nicht sicher. Dadurch bleibt es bis ans Ende spannend und dein Leser ist unsicher, ob Klaus Petra jetzt wirklich liebt, oder ob der Leser sich nur bei der Interpretation einer Handlung geirrt hat.
Diskussion
Welche dieser Methoden hast du schon angewendet? Wie vermittelst du Gefühle? Was ist die, deiner Meinung nach, erfolgreichste Methode? Was ist deine liebste, emotionsgeladene Szene und wie werden dort die Gefühle transportiert?
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