Beim letzten Teil dieser Serie geht es um das „richtige Gefühl“. Es geht darum das richtige Maß zu finden und nicht so viel zu beschreiben, dass es langweilig wird.
Der erste Entwurf
Ich weiß, ich weiß, ich wiederhole mich, aber es muss sein:
Beim ersten Entwurf gibt es kein „zu viel“ und kein „falsch„, kein „zu lang“ kein „zu schwülstig“ und kein „zu übertrieben„. Beim ersten Entwurf gibt es nur dich und ein Stück Papier (oder ein Textdokument), das gefüllt werden möchte.
Es ist absolut falsch, jetzt schon feststellen zu wollen was passt und was einfach zu ausführlich wäre. Schreib was dir in den Sinn kommt. Schreib so, dass dir das Schreiben Spaß macht. Schreib und benutze jeden dir zur Verfügung stehenden Sinn um deinem Leser zu zeigen, was passiert.
Fünf Sinne im Einsatz
Die Fünf Sinne, in den letzten Beiträgen dieser Serie hast du sie wieder etwas näher kennen gelernt. Sie sind jetzt kein passives „Dings“ mehr, das einfach passiert. Sie sind aktives Werkzeug in deinem Repertoire als Schriftsteller.
Benutze sie alle. Übe dich in ihrem Umgang. Verwende sie immer wieder, um dich jedes Mal ein bisschen zu verbessern.
Sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken gehört zu deinem täglichen Leben einfach dazu. Genauso gehört es zum Leben deines Charakters. Benutze deshalb alle Sinne um deinen Leser die Geschichte wirklich miterleben zu lassen.
Er soll sich fühlen, als stünde er nicht nur als Zuschauer daneben, sondern wäre selbst die Hauptfigur, würde alles selbst erleben.
So viel wie nötig aber so wenig wie möglich
Lass uns über den zweiten (oder dritten) Entwurf reden. Wieviel genau sollte denn jetzt beschrieben werden?
Nun das ist wahrscheinlich eine der schwierigsten Fragen überhaupt. Denn das hängt eigentlich nur von deinem Geschmack ab.
Am Ende ist es so, wie es immer ist, wenn du schreibst: Das was du produzierst wird nicht jedem gefallen. Versuche einfach so wenig Langeweile wie möglich zu erzeugen.
Wie machen es denn die „Großen„? Dazu werfen wir einen kurzen Blick in unsere eigene Geschichte.
Historie
In letzter Zeit hab ich mir ein paar „Klassiker“ zu Gemüte geführt. Darunter z.B. Emma. Was dabei sofort auffällt ist die völlig andere Art, in der beschrieben wird. Dabei geht es nicht nur um Charaktere und Handlungen.
Manchmal gibt es seitenweise Beschreibungen von Landschaften, Zimmern, Kleidern, Vorhängen und vielem mehr.
Ich erkläre mir das damit, dass die Menschen „früher„, einfach nicht so oft und so weit von zu Hause weg gekommen sind. Es gab keine Autos und das nächste Dorf zu erreichen konnte manchmal Tage dauern.
Ganz natürlich dehnte sich dadurch die Beschreibung in Geschichten, auch auf unscheinbare Kleinigkeiten aus. Nur so konnte der Leser Bilder vermittelt bekommen, die vergleichbar mit dem sind, was wir heute über das Fernsehen mitbekommen.
Genau da liegt der Knackpunkt. Heute sind solche, übertrieben langen, Beschreibungen der Örtlichkeiten einfach nicht mehr notwendig.
In einer Zeit – wo du in knapp vier Stunden von Köln nach Paris fährst, wo ein Flug von Frankfurt nach London weniger als zwei Stunden dauert und jeder schon Mal die Chinesischen Mauer und die Pyramiden in der Glotze gesehen hat – ist solche Detailverliebtheit einfach überflüssig. Ja, sie wirkt sogar langweilig.
Damit kommen wir zum:
Kürzen, kürzen, kürzen
Frag dich einfach: Was treibt die Story voran? Und was sind nur überflüssige Schnörkel?
Und jetzt: Fang an zu streichen!
Wenn du dir an einer Stelle nicht sicher bist, dann frag dich einfach: „Bringt das die Geschichte weiter? Oder bringt es dem Leser den Charakter näher?“. Wenn du auf beide Fragen mit „Nein“ antworten musst, dann gehört der Satz in die Mülltonne.
Anwendung
Dann Mal sehen, was wir von unserem hübschen Beispiel wirklich brauchen. In diesem „nicht-Zusammenhang„, wo es einfach nur für sich steht, ist das besonders schwierig zu entscheiden. Weil das Beispiel nicht in einer Geschichte vorkommt, können wir nicht sicher sagen, was gestrichen werden müsste, weil wir nicht wissen, was zur Geschichte beiträgt und was nicht.
Deshalb tun wir so, als sollte der Absatz das Monster charakterisieren, und Edis Angst zeigen.
Beim Anblick des Tiers wird Edis Mund ganz trocken und seine Finger fangen an zu schwitzen [1]. Es stößt sich fast den Kopf in der haushohen Höhle [2]. Ölige schwarze Schuppen schaben über den Fels und ziehen sich über den wuchtigen Körper [3]. Ein dröhnendes Knurren quillt über die wulstigen Lippen bei dem Edi sich die Nackenhärchen aufstellen [4].
Eine Wolke aus Moder und dem Gestank von faulen Eiern schlägt Edi ins Gesicht, bittere Magensäure in seinem Rachen, er muss Schlucken[5]. Dann plötzlich reißt das Vieh seinen Rachen auf, giftig grüner Schleim spritzt Edi auf die Brust, frisst sich in seine Brust [6]. Beißender Geruch von verbranntem Fleisch dringt ihm in die Nase,zieht ihm den Mund zusammen undnimmt ihm den Atem [7]. Armlange Zähne blitzen auf, seine Knie geben kaum merklich nach und das Brüllen, grollend wie ein Donner, zerfetzt Edi fast das Trommelfell [8].
Damit haben wir fast 20% gestrichen. Hier meine Begründungen:
[1], [4] Zeigt Angst. [2], [3] Zeigen das Monster. [5] Der Geruch hat(für mich) nicht wesentlich dazu beigetragen, das Monster schrecklich zu machen, oder Edis Angst zu zeigen. Das mag auch an der Formulierung liegen. Außerdem war das mit der Magensäure nicht eindeutig, (von wem war die?) und besonders in Verbindung mit dem nächsten Satz verwirrend. [6] Eventuell notwendig für die Handlung?. [7] Der zusammengezogene Mund hat bei mir kein Gefühl ausgelöst. [8] Zeigt das Monster und Angst.Was hättest du gestrichen und vor Allem warum?
Zusammenfassung
Du kannst deine Sinne überall und zu jeder Zeit trainieren, einfach in dem wir sie bewusst einsetzt. Im deinem ersten Entwurf solltest du sie Alle verwenden. Bei der Überarbeitung musst du dann sehen, was du brauchst um die Geschichte voranzutreiben oder deinen Charakter lebendig zu machen.
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