Alle vier Teile als PDF + Cheat-Sheet
Wie man das Monsterprojekt »Roman schreiben« angehen kann. Der vierte Teil dieser Serie beschäftigt sich mit meinen eigenen Schlussfolgerungen und Erweiterungen zu meiner Übersetzung des Artikels »How to Write a Novel: The Snowflake Method« von Randy Ingermanson. Hier findest du die ersten drei Teile der Serie:
Zusammenfassung
Die Schneeflocke ist ein Symbol. Du beginnst mit den groben Zügen und arbeitest dich langsam in’s Detail vor.
Bei dieser Methode wechselst du deinen Fokus ständig von Handlungsstrang zu den Charakteren und wieder zurück. Du beginnst mit einem einzigen Satz und erweiterst ihn Schritt für Schritt bis zum ersten Entwurf.
Dabei geht es nicht in erster Linie darum, jeden Punkt genauso zu absolvieren wie er da steht. Es ist mehr eine Art Vorschlag. Probier es aus, und übernimm das was für dich funktioniert.
Die Anwendung
Die Resonanz, die ich persönlich bisher auf die Schneeflocken-Methode bekommen habe, ist übrigens sehr positiv ausgefallen.
Natürlich ist die Methode nicht für jeden das Richtige, aber Randy Ingermanson wiederholt ja oft genug, dass das völlig okay ist. Ich schließe mich ihm dabei übrigens vorbehaltlos an.
Wenn Fragen auftauchten dann meistens in dem Sinne „Meint er das jetzt wirklich so, dass ich …“ oder „Muss ich das denn genau so machen, oder kann ich auch …„.
All diese Fragen kann ich generell so beantworten: Probier es aus und finde heraus was für dich funktioniert. Die Schneeflocken Methode ist ein organischer Prozess, etwas das mit dem Autor wächst, dass sich biegt und dreht und windet, genau so wie du es brauchst.
Meine Schneeflocken Methode (Oktober 2008)
Dann plaudere ich Mal ein wenig aus dem Nähkästchen. Der eine Teil meines Projekts besteht ja aus „organisierter Fantasy“. Damit habe ich angefangen noch bevor ich von der Schneeflocken-Methode wusste.
Ich habe damit begonnen die Charaktere zu entwickeln. Mittlerweile sind die beiden Hauptcharaktere (Protagonist und Antagonist) auch schon fast völlig ausgereift. Allerdings habe ich beim Erschaffen bemerkt, dass einige Dinge noch sehr vage sind. Ich hab eine gewisse Ahnung davon wie sie sein müssten, damit sie mir gefallen. Ich bin mir aber nicht sicher wie sie sein müssen, damit auch die Geschichte funktioniert.
Also hab ich angefangen ein bisschen zu planen, die grobe Struktur der Geschichte festzulegen, um dann zurück zu den Charakteren zu kommen und anschließend weiter ins Detail zu gehen. Dann wurde mir die Schneeflocken Methode ans Herz gelegt.
Ich war erstaunt wie ähnlich sich die beiden Ansätze eigentlich sind. Gut, Randy Ingermanson beginnt mit wesentlich weniger ausgereiften Charakteren. Das kann seine Vorteile haben, sie sind noch formbarer und lassen sich leichter an die Geschichte anpassen. Aber für mich ist die Geschichte wesentlich klarer, wenn ich die Teilnehmer ein bisschen besser kenne.
Jetzt könntest du dich fragen „Darf ich denn dann überhaupt mit detaillierteren Charakteren anfangen?“ Und die Antwort ist ganz schlicht und einfach „Klar!“.
Schriftsteller und Selbstbewusstsein
Ohne jemandem auf den Schlips treten zu wollen und ohne mich selbst auszuschließen, ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Schriftsteller ein recht geringes Selbstbewusstsein haben. Besonders dann, wenn sie noch am Anfang stehen.
Ja, es gibt ein paar Regeln. Ja, besonders als Anfänger sollte man sich an diese Regeln halten. Aber ganz besonders gilt auch: Du lernst nur durch ausprobieren. Also trau dich ruhig, probiere viel, probiere mutig. Nur so lernst du, was für dich funktioniert. Das Schlimmste was passieren kann ist, dass du damit auf die Nase fällst. Und? Dann stehst du eben wieder auf!
Das gilt erst recht für die Schneeflocken Methode. Ich fange mit ausgefeilteren Charakteren an. Ich weiß nicht wo mich das hinführt. Aber ich habe es mir selbst versprochen, also werde ich mich daran halten. Im Schlimmsten Fall funktionieren es nicht, dann werde ich davon berichten, und wenigstens du kannst daraus etwas lernen. Im besten Fall funktioniert es sogar noch besser, als es die Originalmethode getan hätte, … umso besser 🙂
Meine Meinung
Ich finde Randy Ingermansons Ansatz klasse. Ich finde es toll, dass er sich so viel Mühe damit gegeben hat seine Methode zu beschreiben und am besten gefällt mir seine Flexibilität. Er versucht zu keinem Zeitpunkt seine Leser zu überzeugen. Ich liebe es wenn Menschen nicht darauf bestehen recht zu haben. Und bin dann viel eher bereit ihnen zuzustimmen 🙂
An der Methode selbst gefällt mir ihre Anpassungsfähigkeit und das organische Wachstum der Geschichte. Es ist kein statischer „von vorne nach hinten“-Prozess, sondern es ist mehr ein „wachsen im Ganzen“. So machen es Pflanzen, Tiere und Menschen schließlich auch. Deshalb finde ich den Ansatz sehr intuitiv und ich werde ihn sicher weiterhin auf die eine oder andere Weise verwenden.
Meine nicht-ganz-Schneeflocken-Methode (Januar 2023)
Während ich das gelesen habe, hätte ich mein altes Ich am liebsten geschüttelt. Weil ich noch genau weiß, wie ich mich damals gefühlt habe und weil ich mich erinnere, dass all das zu keinem guten Ende geführt hat. Was genau der Punkt ist.
Wenn ich mich richtig erinnere* habe ich die Geschichte nicht beendet. Zum Teil, weil ich auf die Antwort des Verlags gewartet habe, zum Teil weil es damals (Link zu meinen Gedanken) einfacher schien eine neue zu beginnen.
Was ich mir selber raten würde:
- Mach dir Gedanken über das Ende. Wie soll die Geschichte ausgehen?
- Wer ist der Antagonist genau? Was treibt ihn an? Was macht er während die anderen die Geschichte erleben?
- Schau dir die 11 Ebenen genau an und beleuchte deine Geschichte von allen Seiten, um herauszufinden, wo es hakt.
Was mir bei der Schneeflocken-Methode fehlt:
Mir fehlt das Schreiben.
Lass mich kurz erklären, warum:
a) Eine Geschichte ist ein Netzwerk, in dem alle Punkte (Charaktere, Orte, Handlungen, Vergangenheit, Beziehungen, etc.) miteinander verbunden sind. Wenn du an einem einzigen Punkt wackelst, dann verändert sich zwangsweise die ganze Geschichte.
b) In dem Augenblick, in dem du aus einer Beschreibung/Zusammenfassung/Stichpunkten eine »echte Szene« machst, entdeckst du neue Details. Per Definition. Wäre das nicht der Fall, wäre das, was du vorher hattest keine Beschreibung/Zusammenfassung/Stichpunkte, sondern schon eine »echte Szene«.
Dadurch, dass du beim Schreiben neue Details entdeckst (b), hat das Einfluss auf das Netzwerk (a) und die Geschichte verändert sich. Das ist gut, denn durch diese Details wird die Geschichte glaubhafter und greifbarer.
Was hat das mit der Schneeflocken-Methode zu tun?
Wie gesagt, hier wird nicht wirklich geschrieben, hier wird immer nur geplant.
Das Problem dabei ist, dass deine Bereitschaft gegen Null sinkt, diesen großen, ausgeklügelten Plan über Bord zu werfen oder neu zu gestalten. Ganz einfach, weil du Wochen oder Monate gebraucht hast, um ihn zu erschaffen.
Aber in dem Augenblick, in dem du beginnst zu schreiben, wirst du vielleicht (sogar wahrscheinlich) Dinge entdecken, die wirklich super cool sind, die toll zur Geschichte passen und sie besser machen würden. Doch weil dein Herz so an deinem Plan hängt, werden sie kaum einen Weg in die Geschichte finden.
Das ist zwar in dem Sinne nicht schlimm, weil du jede Geschichte zum Funktionieren bringen kannst und es für alles eine Lösung gibt. Es ist aber auch schade, weil es dich i) sehr einengt und ii) ganz sicher grandiose Dinge verloren gehen.
Flexibilität
Meinem alten Ich gefiel die Anpassungsfähigkeit der Schneeflocken-Methode, das »organische Wachstum im Ganzen«. Meinem heutigen Ich geht diese Flexibilität noch nicht weit genug.
Um der Komplexität einer Geschichte Rechnung zu tragen, um echtes, organisches Wachstum zuzulassen, ist das Schreiben selbst ein wertvolles Werkzeug. Denn dadurch bekommst du einen direkten, hautnahen Einblick in die Charaktere und in die Geschichte. Deshalb betreibe ich selbst Zoom-Plotting, deshalb gibt es Leuchtturm-Szenen, die ich manchmal auch vorab schreibe, deshalb gibt es die 11 Ebenen (entstanden aus den 5-Schlüsseln), mit denen ich meine Geschichten aus allen Blickwinkeln betrachte.
Das soll die Schneeflocken-Methode nicht schlecht machen. Im Gegenteil, meiner Meinung nach ist sie ein tolles Werkzeug. Aber eben auch »nur« ein Werkzeug. Wenn du sie als solches betrachtest und sie genauso lange nutzt, wie sie dich weiterbringt. Wenn du dich nicht dazu zwingst, dich rigoros an alle Details zu halten und dich an den Formulierungen festbeißt. Und wenn du nicht vergisst, was eigentlich wichtig ist (das Schreiben). Dann kann die Schneeflocken-Methode dir ganz sicher helfen, näher an dein Ziel zu kommen und deine Geschichte zu beenden. (O, und wenn du nicht versuchst, dir Excel-Dateien um die Ohren zu schlagen, sondern die integrierte Gliederungsansicht von Scrivener benutzt 😋)
Jetzt du!
Jetzt bin ich natürlich auf deine Meinung gespannt. Welche Erfahrungen hast du mit der Schneeflocken Methode gemacht? Bist du bis zum Ende gekommen? Hast du das Original übernommen oder hast du es angepasst? Was hat für dich funktioniert und was nicht? Was ist deine Methode zum Roman schreiben? Schreib gerne einen kleinen Bericht in die Kommentare 😎
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